Gericht stuft Selbstanzeige als ungültig ein
13.03.2014
Im Prozess gegen Uli Hoeneß wurde das Urteil verkündet: Der Präsident des FC Bayern München muss drei Jahre und sechs Monate in Haft.
Dreieinhalb Jahre Haft:Uli Hoeneß ist zu einer Haftstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Das Landgericht München sprach den Präsidenten des FC Bayern München am Donnerstag wegen Steuerhinterziehung schuldig.
Revision vor dem BGH möglich:Obwohl Hoeneß zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurde, kommt er nicht sofort ins Gefängnis. Erst in ein paar Wochen müsste Hoeneß voraussichtlich einrücken - wenn er keine Rechtsmittel einlegt. Würden diese akzeptiert, verhandelt der Bundesgerichtshof (BGH) über den Fall Ulrich H. Bis dahin könnten Monate vergehen. Auch die Staatsanwaltschaft kann in Revision gehen. Erst wenn der BGH entschieden hat, wäre dann das Urteil rechtskräftig.
Spannung vor dem Justizpalast:Zur MIttagszeit werden im Stachus-Untergeschoss FC-Bayern-Trikots verlost, als sei nichts geschehen. Darüber, vor dem Justizplast, parkt ein Übertragungswagen hinter dem anderen, Fernsehteams haben zwei weiße Zelte aufgebaut, in denen sie die Leute interviewen. Noch immer warten einige Menschen am Eingang und hoffen, doch noch in den Saal zu kommen. Eine Gruppe Touristen macht eifrig Fotos. Andere diskutieren heftig. Vereinzelt sind Bayernschals zu sehen. "Hoeneß hat so viel geleistet und er hat doch eingesehen, dass er einen Fehler gemacht hat", sagt ein Mann. "Und wenn man ständig mit so vielen Millionen jongliert, ist es doch normal, dass man irgendwann den Überblick verliert." Der Staat sollte sich doch lieber um die richtigen Verbrecher kümmern. Doch es gibt auch andere Meinungen hier: Josef Blasi aus Dingolfing hat sich an diesem Tag mit FC-Bayern-Fan-Utensilien eingedeckt. Nun ist er zufällig vor dem Justizplast gelandet. "Ich bleibe Bayernfan", sagt er. "Aber wenn es gerecht ist, dann muss Hoeneß bestraft werden." Er kann sich nicht vorstellen, dass Hoeneß, sollte er nun wirklich ins Gefängnis müssen, wieder zurückkommen kann.
Der Angeklagte hat das letzte Wort:Uli Hoeneß fixiert den Staatsanwalt, als dieser sein Plädoyer vorträgt. Nur ab und zu schweift sein Blick ins Publikum. Als Achim von Engel fünf Jahre und sechs Monate Haft fordert, ist ihm keine Regung anzumerken. Nachdem auch sein Verteidiger Hanns Feigen das Plädoyer gesprochen hat, hat Hoeneß die Gelegenheit für ein Schlusswort. Er sagt: "Ich habe dem Vortrag von Herrn Feigen nichts hinzuzufügen, er hat alles gesagt, was ich nicht hätte besser sagen können." Der Richter fragt nach: "Dann ist das ihr letztes Wort?" Hoeneß sagt: "Ja." Die Verhandlung ist unterbrochen. Das Gericht hat sich zur Beratung zurückgezogen. Ab 14 Uhr soll das Urteil verkündet werden.
Verteidigung fordert maximal Bewährungsstrafe:Die Verteidigung hält die Selbstanzeige für wirksam. Aus der Anzeige lasse sich die Summe von 27 Millionen Euro schätzen, die die Steuerfahnderin im Prozess vorgelegt hatte. Deswegen sei eine Einstellung des Verfahrens richtig, sagt Hoeneß' Verteidiger Hanns Feigen. Er gesteht aber, dass es besser gewesen wäre, in einem Satz darauf hinzuweisen, dass auch in Verlustjahren Kapitalerträge verbucht wurden. Das sei aber nur ein "Formfehler", die Selbstanzeige sei dennoch wirksam. Hoeneß habe "ohne jeden Zweifel" zur Steuerehrlichkeit zurückkehren wollen. Für den Fall, dass der Richter die Selbstanzeige als nicht wirksam ansieht, fordert Hoeneß' Anwalt eine Bewährungsstrafe. Das so gennante "Millionenurteil" des Bundesgerichtshofs, demzufolge bei Steuerhinterziehung ab einer Million Euro keine Bewährungsstrafe mehr möglich sei, hält Hoeneß' Anwalt für nicht anwendbar. Schließlich habe sein Mandant sich "mit seiner Selbstanzeige offenbart, bevor die Tat entdeckt war". Ein Freispruch im juristischen Sinne ist für Hoeneß ohnehin nicht möglich - denn niemand bestreitet, dass Hoeneß Steuern hinterzogen hat. Die Selbstanzeige gibt Tätern nur die Chance, straffrei auszugehen. Auf die Lebensleistung von Uli Hoeneß habe sein Verteidiger zwar hingewiesen, ohne diese aber "zu sehr zu gewichten", erklärt eine Gerichtssprecherin.
Staatsanwalt plädiert auf fünfeinhalb Jahre Haft: "Hohes Gericht", beginnt Staatsanwalt Achim von Engel sein Plädoyer. Er kommt schnell auf das Entscheidende zu sprechen: "Eine wirksame Selbstanzeige liegt nicht vor." Er fordert er fünf Jahre und sechs Monate Haft für den Bayern-Präsidenten. Der Angeklagte habe in der Selbstanzeige von Januar 2013 verschwiegen, dass er in manchen Jahren Kapitaleinkünfte hatte. Hoeneß hatte nur für die Jahre 2003 und 2005 Gewinne erklärt, für die Jahre 2004 und 2006 bis 2009 Verluste. Dabei hatte er in diesem Jahren Zinseinkünfte aus nichtspekulativen Finanzprodukten, die er steuerlich nicht mit den Verlusten aus Währungsspekulationen verrechnen darf. Zudem bemängelt Engel, dass die vollständigen Unterlagen über die Kontobewegungen erst nach über einem Jahr eingingen. Ob die Tat zum Zeitpunkt der Selbstanzeige schon entdeckt war, spielt nur eine untergeordnete Rolle. Bei der Bemessung des Strafmaßes zählt Engel auf, was für Hoeneß sprechen könnte. So habe der Angeklagte die Steuerhinterziehung gestanden, bereits eine Zahlung geleistet und eine Selbstanzeige abgegeben, auch wenn sie fehlerhaft gewesen sei. Auch die Tatsache sei berücksichtigt, dass Hoeneß an einem " Pranger" stand. Er sei höheren Belastungen ausgesetzt gewesen als ein durchschnittlicher Angeklagter. Engel berücksichtigt zudem, dass Hoeneß "beträchtliche Verdienste erworben" habe, dass er bislang nie straffällig wurde und dass er wegen der drohenden Haftstrafe psychischer Belastung ausgesetzt ist. Erhebliche Milderungsgründe sieht Engel allerdings in keinem der Punkte.
Großes Zuschauerinteresse am vierten Prozesstag: Schon ehe es hell ist, bildet sich eine Schlange vor dem Münchner Justizpalast. Das Interesse ist deutlich größer als an den Tagen zuvor. Viele Bayernfans sind gekommen - und viele glauben, dass "Hoeneß noch einmal Glück haben wird", wie ein junger Mann mit Bayernschal sagt. Wer keinen Platz im Saal mehr bekommt, kann weiter zum Strafjustizzentrum in der Nymphenburger Straße ziehen. Dort findet seit 9.30 Uhr ein Prozess mit einem prominenten Angeklagten statt. Wiesn-Wirt Sepp Krätz ist angeklagt - ebenfalls wegen Steuerhinterziehung.
Hoeneß hofft auf Straffreiheit: Ist die Selbstanzeige wirksam? Das ist die entscheidende Frage. Sieht es das Gericht so, ist Hoeneß straffrei. Sonst droht eine Gefängnisstrafe. Die Verteidigung vertritt die Ansicht, Hoeneß' Selbstanzeige sei rechtzeitig und vollständig gekommen. Die Staatsanwaltschaft sieht dies weiterhin anders: Es seien nicht für alle Jahre positive Einkünfte angegeben worden - damit sei sie unvollständig. Möglich ist auch eine Bewährungsstrafe oder die Einstellung des Verfahrens. In jedem Fall muss Hoeneß einen zweistelligen Millionenbetrag zahlen.
Nach Urteilsspruch ist eine Stellungnahme des FC Bayern angekündigt: Es geht um das Schicksal des Uli Hoeneß, aber auch um die Zukunft des FC Bayern. Wie geht es - im Falle einer Verurteilung - mit dem Verein weiter? Während des Verfahrens wollten sich die Verantwortlichen nicht äußern, nach dem Richterspruch ist eine Stellungnahme vom Vorstandsvorsitzenden Karl-Heinz Rummenigge angekündigt. Auch die Mitglieder des Aufsichtsrates müssen sich bald positionieren - bislang wagte es keiner, den Rücktritt von Hoeneß zu forden.
Quelle: sueddeutsche.de