Redtube: Wurden die Opfer in die Falle gelockt?
Redtube: Wurden die Opfer in die Falle gelockt?
Seit die Regensburger Kanzlei Urmann + Collegen (U+C) mehr als 10.000 Deutsche wegen des angeblich illegalen Abrufs von Porno-Videos auf Redtube.com abgemahnt hat, wird die Frage nach der Herkunft der Userdaten heiß diskutiert. Inzwischen gibt es einige Indizien, die auf Tricksereien am Rande der Legalität und ein dubioses Firmen-Geflecht hindeuten.
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Am 12. August 2013 ging beim Landgericht Köln ein "Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 101 Abs. 9 UrhG" ein. Darin fordert der Anwalt Daniel Sebastian, dass das Gericht seiner Mandantin The Archive AG Einblick in die Verbindungsdaten der Deutschen Telekom gewähren möge. Eine beigelegte Liste an IP-Adressen soll von Nutzern stammen, die auf Redtube die Urheberrechte von The Archive verletzten. Diese Daten wurden laut dem Schreiben von Rechtsanwalt Sebastian durch die Firma itGuards, Inc. mit Hilfe der Software "GLADII 1.1.3" ermittelt.
Wer nach diesem Programm im Internet sucht, wird allerdings höchstens Berichte über die aktuelle Abmahnwelle finden und nicht etwa eine Homepage zu dem Produkt. Wenn man dadurch etwas misstrauisch wird und tiefer gräbt, so stößt man plötzlich auf ein äußerst spannendes Firmen- und Personen-Geflecht.
Redtube: itGuards = The Archive?
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itGuards-Homepage: Haufenweise Platitüden ohne Informationsgehalt.
Die Firma itGuards Incorporated wurde am 21.03.2013 im US-Bundesstaat Delaware
angemeldet. Vor diesem Datum scheint das Unternehmen nicht existiert zu haben. Die Anmeldung erfolgte damals durch das amerikanische Unternehmen Business Filings Incorporated, das auf die Registrierung von Briefkastenfirmen spezialisiert ist. Der Firmenauftritt im Internet ist unter der Adresse
itguards.net zu finden und enthält absolut keine Informationen darüber, was das Unternehmen überhaupt tut. Diese Domain wiederum wurde am 14.03.2013 registriert, also genau eine Woche vor Gründung der Firma.
Auch wenn das Unternehmen in Delaware angemeldet wurde, befindet sich sein Sitz laut Homepage-Impressum in Kalifornien. In San José teilt sich itGuards Inc. laut Google Maps ein Gebäude mit dem mexikanischen Restaurant Tres Gringos Baja Cantina.
Das nächste Unternehmen, das in dieser Angelegenheit eine wichtige Rolle spielt, ist der Rechteinhaber The Archive AG aus der Schweiz. Diese Firma hat unter der Domain
the-archive.ch seine Homepage, und besitzt noch die Domain the-archive.de, die auf die .ch-Version weiterleitet. Diese Domain wiederum wurde am 28.03.2013 registriert, also exakt eine Woche nach Gründung der itGuards Inc. Das Registrierungsdatum für die .ch-Version hingegen ist nicht ersichtlich.
Und jetzt wird es interessant: Die beiden Firmen The Archive und itGuards haben nicht nur innerhalb weniger Tage ihre Domains registriert, sondern sie befinden sich auf demselben Webserver. Beide Internet-Auftritte wurden mit Hilfe des Homepage-Baukastens Wix.com erstellt und liegen auf dem Server mit der IP-Adresse 216.185.152.151 in den USA. Doch die Gemeinsamkeiten gehen sogar noch weiter: Wie
kowabit.de herausgefunden hat, kann man dem Quelltext der Websites entnehmen, dass sie vom selben Benutzer-Account bei Wix.com (User-ID 6e689ed3-8d15-44ff-a8eb-7450a760eb8b) betreut werden.
Es ist daher äußerst wahrscheinlich, dass das Unternehmen, das die Rechte an den angemahnten Pornofilmen besitzt und die Firma, deren Software die angeblichen Urheberrechtsverletzer aufgespürt haben soll, zusammen gehören.
Redtube-Abmahnung: Was steckt hinter der Software GLADII 1.1.3?
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Antrag auf Herausgabe der Verbindungsdaten: Viele Fragen bleiben offen.
Nachdem die Firma itGuards, Inc am 21. März gegründet wurde, hat sie ihre Software offenbar direkt am nächsten Tag einer Münchner Kanzlei zur Prüfung vorgelegt. Laut Antrag von Rechtsanwalt Sebastian wurde "die Vorgehensweise der Software [...] von der Kanzlei Diehl & Partner in dem Gutachten vom 22. März 2013 untersucht und die Funktionsfähigkeit und Richtigkeit der Erfassung bestätigt".
Wie genau die Software arbeitet, wird in dem Antrag jedoch nicht verraten. Die Kanzlei Müller Müller Rößner hat daher beim Landgericht Köln nachgefragt und dabei die Auskunft
erhalten, dass bei der Funktionsüberprüfung Testvideos auf verschiedenen Servern abgerufen worden sein sollen.
In der Antwort des Gerichts heißt es dazu: "Die Software habe dabei eine Reihe von Informationen, unter anderem die IP-Adressen der Besucher der jeweiligen Seite, angeboten. Dabei seien auch die testweise erfolgten Abrufe der oben genannten Dateien angezeigt worden (inklusive zwischenzeitlichem Stoppen und Fortsetzen der Wiedergabe des Videos)."
Wie dies ohne Zugriff auf die innersten Daten der betroffenen Webserver möglich sein soll, ist uns nicht klar. Da itGuard aber laut Aussage von Redtube keinerlei Zugriffe auf deren Server und Logfiles hatte, ist für uns bei dieser Informationslage derzeit nicht nachvollziehbar, wie GLADII 1.1.3 die Daten der abgemahnten User ermittelt haben soll.
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Besucherstatistik der von der Kanzlei U+C abgemahnten RedTube-Videos: Plötzlicher Anstieg.
Redtube-Abmahnung: IP-Adressen mittels Honeypot abgegriffen?
Eine gänzlich andere, aber dafür technisch einwandfrei nachvollziehbare Erklärung für die Herkunft der Zugriffsdaten liefert der User
Digital_Data bei jetzt.de: Demnach haben die betroffenen Nutzer gar nicht redtube.com aufgerufen, sondern die recht ähnlich klingende und geschriebene Domain retdube.net, die erst am 21. Juli 2013 registriert wurde. Von dort wiederum wurden sie mittels
302-Redirect auf einen der urheberrechtlich geschützten Filme bei Redtube umgeleitet.
Bei dieser "Zwischenstation" auf retdube.net wiederum kann der Inhaber der Domain problemlos die IP-Adressen aller Zugriffe mit protokollieren. Wem die in Panama registrierte Domain jedoch gehört, ist unklar, da bei der Registrierung nur unvollständige, unpersönliche Daten angegeben wurden.
Diese Erklärung deckt sich allerdings perfekt mit den Erfahrungsberichten einiger Abmahn-Opfer bei
lawblog.de, die die Domain redtube.com an den angemahnten Daten gar nicht in ihrem Browser-Verlauf oder ihren Router-Logfiles gefunden haben. Stattdessen tauchten Subdomains wie 266403.retdube.net oder 49655.retdube.net auf, die auf Redtube-Filme weiterleiteten, deren Rechte The Archive besitzt. Inzwischen sind diese Weiterleitungen jedoch offline genommen worden.
Und es wird noch pikanter: The Archive hat laut Rechtsanwalt Sebastian die Rechte an den betroffenen Pornofilmen am 18.07.2013 erworben. Drei Tage später, am 21.07.2013, wurde die Domain retdube.net registriert. In den nun von U+C verschickten Abmahnungen taucht dann der 24.07.2013 als frühestes Datum auf, an dem einer der abgemahnten User einen dieser Filme konsumiert haben soll.
Wie Jan Broer aus München am Beispiel zweier angemahnter Filme in einer Infografik eindrucksvoll illustriert hat (siehe oben links), haben sich ab diesem 24.07.2013 die ansonsten recht konstanten Zugriffszahlen der betroffenen Clips rasant erhöht. Einer der Pornos wurde doppelt so oft wie zuvor, ein anderer sogar 15 Mal so häufig aufgerufen.
Dass der knappe zeitliche Ablauf all dieser Ereignisse rein zufällig entstanden sein soll, scheint äußerst unwahrscheinlich.
chip.de