Bastian Sick
Der jüngste Besuch beim Elektro-Engroshändler Saturn brachte eine erfreuliche und eine bedauerliche Erkenntnis. Die erfreuliche: Saturn hat sich von der gleichermaßen armseligen wie enervierenden Parole "Geiz ist geil" verabschiedet. Die bedauerliche: Der neue Werbespruch ist auch nicht besser.
"SOO! MUSS TECHNIK" lautet die neue Devise, mit der in bewährter Penetration auf jeden eingehämmert wird, der sich nicht rechtzeitig in Sicherheit zu bringen vermochte. Immerhin wird hier auf Deutsch geworben, was heutzutage schon besondere Beachtung verdient. Aber welch ein Deutsch ist das?
Schon bei der Kampagne mit den "G"-Wörtern schien bei Saturn jegliche Geschmacksgrenze erodiert, der letzte Anspruch an Ästhetik zum Teufel gejagt; Menschen mit Sinn für Stil und Kultur waren gezwungen, ihre Kameras und DVDs im Internet zu bestellen; denn wer auf offener Straße mit einer Saturn-Tasche gesehen wurde, machte sich automatisch mitschuldig am geilsten Sittenverfall aller Zeiten. Der neue Spruch bleibt in Aussage und Form den minimalistischen Prinzipien der Handelskette treu, die bei der Ausstattung und Innenbeleuchtung ihrer Häuser gezielt auf den Charme von Legebatterien setzt. Er ist syntaktisch unvollständig; auf das Hilfsverb "sein" wartet man vergebens. Wer darin nun eine Manifestation des Sprachverfalls zu erkennen glaubt, weil offenbar selbst die Werbung keine vollständigen Sätze mehr bilden könne, hat nur zum Teil recht.
Den Werbemachern geht es natürlich in erster Linie um Provokation, und dafür sind ihnen grelle Farben, große Buchstaben und grenzwertiger Satzbau willkommene Mittel. Was ist der Unterschied zwischen Politik und Werbung? In der Politik sind alle Mittel erlaubt, solange es nicht bekannt wird. In der Werbung sind alle Mittel erlaubt, damit es bekannt wird!
Die aktuelle Saturn-Kampagne ist allerdings kein Indiz dafür, dass ein neues Sprachbewusstsein die Werbewirtschaft erreicht und überwältigt hätte. Tatsächlich handelt es sich um eine ziemlich plumpe Form der Anbiederung an den Jargon der jüngeren Generation. In Zeiten, da viele Jugendliche - zumindest in einer bestimmten sozialen Schicht - auf Artikel und Präpositionen verzichten und statt "Ich warte auf den Bus" nur noch "Ischwarte Bus" sagen, denken sich die älteren Herren in den Vorstandsetagen der großen Handelsfirmen, dass sie ihre Sprache auf jugendlich bürsten müssen, um für die nachgewachsene Zielgruppe interessant zu bleiben. Und "jugendlich" bedeutet für die satur
ierten Werbemacher offenbar sprachverstümmelnd, grell, megaaffendummbatzenbrüll.
Freilich ist fraglich, ob die "Ischwarte Bus"-Generation tatsächlich über die nötigen Mittel verfügt, um all die Laptops, Bluray-Player und Flachbildschirme zu kaufen, die unter dem "So muss Technik"-Siegel angeboten werden.
In einem Interview mit Media-Saturn-Chef Horst Norberg konnte man erfahren, dass der Konzern jährlich an die 600 Millionen Euro allein für Werbung ausgibt. Eine beachtliche Summe! Das entspricht der Hälfte des gesamten Kulturetats der Bundesrepublik Deutschland für das Jahr 2012. Herr Norberg bemühte sich übrigens um eine korrekte Sprache und antwortete stets in vollständigen Sätzen. Kein "Wie geil ist das denn?" oder "So geht Verkaufe!". Da fragt man sich: Wo bleibt da die vielbeschworene "Corporate Identity"? "Unsere aggressive Werbung hat nicht nur Sympathien gebracht", räumte Norberg stattdessen ein, wobei "nicht nur" als ein Euphemismus für "wenig" verstanden werden darf. Ich werde weiterhin meine DVDs im Internet bestellen. Denn ich kann es mir nicht leisten, mit einer "So muss Technik"-Plastiktüte in der Hand gesehen zu werden. Dann müsste ich mich womöglich der Frage stellen: Und wie muss Deutsch?
(c) Bastian Sick 2012
Quelle: Spiegel Online
Der jüngste Besuch beim Elektro-Engroshändler Saturn brachte eine erfreuliche und eine bedauerliche Erkenntnis. Die erfreuliche: Saturn hat sich von der gleichermaßen armseligen wie enervierenden Parole "Geiz ist geil" verabschiedet. Die bedauerliche: Der neue Werbespruch ist auch nicht besser.
"SOO! MUSS TECHNIK" lautet die neue Devise, mit der in bewährter Penetration auf jeden eingehämmert wird, der sich nicht rechtzeitig in Sicherheit zu bringen vermochte. Immerhin wird hier auf Deutsch geworben, was heutzutage schon besondere Beachtung verdient. Aber welch ein Deutsch ist das?
Schon bei der Kampagne mit den "G"-Wörtern schien bei Saturn jegliche Geschmacksgrenze erodiert, der letzte Anspruch an Ästhetik zum Teufel gejagt; Menschen mit Sinn für Stil und Kultur waren gezwungen, ihre Kameras und DVDs im Internet zu bestellen; denn wer auf offener Straße mit einer Saturn-Tasche gesehen wurde, machte sich automatisch mitschuldig am geilsten Sittenverfall aller Zeiten. Der neue Spruch bleibt in Aussage und Form den minimalistischen Prinzipien der Handelskette treu, die bei der Ausstattung und Innenbeleuchtung ihrer Häuser gezielt auf den Charme von Legebatterien setzt. Er ist syntaktisch unvollständig; auf das Hilfsverb "sein" wartet man vergebens. Wer darin nun eine Manifestation des Sprachverfalls zu erkennen glaubt, weil offenbar selbst die Werbung keine vollständigen Sätze mehr bilden könne, hat nur zum Teil recht.
Den Werbemachern geht es natürlich in erster Linie um Provokation, und dafür sind ihnen grelle Farben, große Buchstaben und grenzwertiger Satzbau willkommene Mittel. Was ist der Unterschied zwischen Politik und Werbung? In der Politik sind alle Mittel erlaubt, solange es nicht bekannt wird. In der Werbung sind alle Mittel erlaubt, damit es bekannt wird!
Die aktuelle Saturn-Kampagne ist allerdings kein Indiz dafür, dass ein neues Sprachbewusstsein die Werbewirtschaft erreicht und überwältigt hätte. Tatsächlich handelt es sich um eine ziemlich plumpe Form der Anbiederung an den Jargon der jüngeren Generation. In Zeiten, da viele Jugendliche - zumindest in einer bestimmten sozialen Schicht - auf Artikel und Präpositionen verzichten und statt "Ich warte auf den Bus" nur noch "Ischwarte Bus" sagen, denken sich die älteren Herren in den Vorstandsetagen der großen Handelsfirmen, dass sie ihre Sprache auf jugendlich bürsten müssen, um für die nachgewachsene Zielgruppe interessant zu bleiben. Und "jugendlich" bedeutet für die satur

Freilich ist fraglich, ob die "Ischwarte Bus"-Generation tatsächlich über die nötigen Mittel verfügt, um all die Laptops, Bluray-Player und Flachbildschirme zu kaufen, die unter dem "So muss Technik"-Siegel angeboten werden.
In einem Interview mit Media-Saturn-Chef Horst Norberg konnte man erfahren, dass der Konzern jährlich an die 600 Millionen Euro allein für Werbung ausgibt. Eine beachtliche Summe! Das entspricht der Hälfte des gesamten Kulturetats der Bundesrepublik Deutschland für das Jahr 2012. Herr Norberg bemühte sich übrigens um eine korrekte Sprache und antwortete stets in vollständigen Sätzen. Kein "Wie geil ist das denn?" oder "So geht Verkaufe!". Da fragt man sich: Wo bleibt da die vielbeschworene "Corporate Identity"? "Unsere aggressive Werbung hat nicht nur Sympathien gebracht", räumte Norberg stattdessen ein, wobei "nicht nur" als ein Euphemismus für "wenig" verstanden werden darf. Ich werde weiterhin meine DVDs im Internet bestellen. Denn ich kann es mir nicht leisten, mit einer "So muss Technik"-Plastiktüte in der Hand gesehen zu werden. Dann müsste ich mich womöglich der Frage stellen: Und wie muss Deutsch?
(c) Bastian Sick 2012
Quelle: Spiegel Online