Addiert man die Fakten der Anklageschrift mit der Aussage des ehemaligen Chefprogrammierers Andrus Nomm, so steht den Angeklagten aller Wahrscheinlichkeit nach eine Auslieferung in die USA bevor. Den Beschuldigten kann nachgewiesen werden, dass sie selbst Kinofilme bei Megaupload hochgeladen und große Teile von YouTube kopiert haben.
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Andrus Nomm hat sich im Februar 2014 selbst für schuldig bekannt, als früherer Programmierer von Megaupload Urheberrechtsverletzungen begangen zu haben. Er hat eine Gefängnisstrafe von einem Jahr und einem Tag verbüßt. Die Haftstrafe wurde verkürzt, weil er einen Deal mit dem FBI (Justiz) eingegangen ist. In seinen Aussagen belastet er Kim Dotcom und die anderen Beschuldigten schwer. Nomm gab an, alle im Leitungsteam seien sich darüber im Klaren gewesen, dass man über Megaupload urheberrechtlich geschütztes Material verbreitet und direkt daran verdient hätte. Bisher plädierten die Verteidiger darauf, die Geschäftsleitung habe keine Ahnung davon gehabt, was auf den Servern ihres Sharehosters geschehen sei. Ohne diese Aussagen bzw. den Deal hätte der Programmierer noch länger im Gefängnis bleiben müssen.
Richter Nevin Dawson vom Bezirksgericht Auckland zog sich bereits am Dienstag zur Urteilsfindung zurück, Er soll darüber entscheiden, ob die Anschuldigungen stichhaltig genug für eine Auslieferung sind.
Diesbezüglich ist neues Material aufgetaucht, wie kürzlich berichtet wurde. So steht in der Anklageschrift, Bram van der Kolk habe eigenhändig am 27. Oktober 2011 einen DVD-Rip des Kinofilms „Taken“ bei Megaupload hochgeladen und habe den Download-Link per E-Mail verschickt und somit das Werk öffentlich verfügbar gemacht. Mathias Ortmann, der ebenfalls um seine Auslieferung bangt, hat die E-Mail erhalten und per Skype geantwortet, die Filme würden gut aussehen. Laut Anklage wusste auch Finn Batato davon. Er leitete die Beschwerde von Kunden an das Team weiter, weil diese nach dem Konsum von „Taken“ für den Genuss weiterer Kinofilme einen Premium-Account bei Megaupload abschließen sollten. Als Teil der Geschäftsführung ist auch Kim Dotcom von den Anschuldigungen betroffen. Zudem zitiert die Anklage E-Mails, in denen Dotcom seinen Mitstreitern explizit verbietet, Material zu löschen, sofern die Aufforderung dazu von Privatpersonen stammt. Auch solle man keinen Aufforderungen nachkommen, sofern die Löschanfragen in größerer Anzahl verschickt wurden. Diese Anweisung wurde damit begründet, weil man dadurch in der Vergangenheit viel Geld verloren habe. Dotcom im O.Ton: “Never delete files from private requests like this. (…)I told you many times not to delete links that are reported in batches of thousands from insignificant sources. . . . [T] he fact that we lost significant revenue because of it justifies my reaction.” Damit ist klar, dass auch Kim Dotcom genauestens Bescheid über das Geschäftsmodell seines eigenen Sharehosters wusste. Die Anklage wird in den USA argumentieren, die Firma war nichts weiter als eine illegale Geldmaschine, die überaus erfolgreich vom geistigen Eigentum Dritter profitiert hat.
Kim Dotcom wollte alle (!) Videos von YouTube kopieren
Vor einigen Jahren hat das Team mit technischen Mitteln versucht, den kompletten Inhalt der Videoplattform YouTube auf die eigenen Server zu kopieren. Ortmann soll seinen Kollegen geschrieben haben, er hoffe, dass die Google-Tochter bei dem vielen Kopieren keine technischen Gegenmaßnahmen einleiten würde. Im April 2006 schrieb Van der Kolk, man habe bereits 30% der Videos kopiert, um diese beim eigenen Portal Megavideo anzubieten. Van Der Kolk schrieb an Ortmann: “Kim really wants to copy Youtube one to one.” Um die Aktion zu verschleiern, sollten die Videos unter vielen unterschiedlichen Nutzernamen veröffentlicht werden. Es sollte nicht so aussehen, als wenn der Betreiber sich das Material eigenhändig bei der Konkurrenz besorgt hätte. Die Anklage wirft Dotcom vor, er habe auf eine vollständige Kopie beharrt. Natürlich hatte Megavideo nicht um die Rechte zur Speicherung des teils urheberrechtlich geschützten Materials gebeten oder etwa auch nur einen Dollar an die Rechteinhaber entrichtet.
Methoden des FBI höchst fragwürdig
Die Ermittler sind bei ihrem Vorgehen alles andere als zimperlich vorgegangen. Ihnen wird angelastet, zur Beweisführung diverse Chats und Telefonate der Megaupload-Geschäftsleitung via Skype mitgeschnitten zu haben. Dabei umging man gezielt die Verschlüsselung von Skype.
Der angeheuerte Programmierer Andrus Nomm war ein leichtes Ziel, weil er bekanntlich unter Geldmangel litt und seinen Sohn nicht besuchen konnte. Die Aussicht, „nur“ ein Jahr in Haft gehen zu müssen, hat sich ebenfalls auf die Entscheidung ausgewirkt. Nomm hat derzeit Schulden in Höhe von 175 Millionen US-Dollar. Der größte Anteil machen die Schadenersatzforderungen diverser Rechteinhaber aus, die sowieso niemals in voller Höhe beglichen werden können. Nomm soll als Head of the Development von Megaupload Software im Jahr 2010 ein Jahresgehalt von 100.000 US-Dollar bezogen haben. Davon kann der Mann, der aus Estland stammt, niemals seine Außenstände begleichen. Er war bei Megaupload für die Entwicklung einer Software verantwortlich, die Videos in wirklich jedem Format abspielen konnte. Später wollte Dotcom seine finanziellen Versprechungen nicht mehr einhalten, weswegen der Programmierer kurzzeitig die Firma verließ. Nomm sagte dem FBI, Dotcom wanderte von den Philippinen nach Honkong aus, weil er seine Pokerschulden nicht bezahlen konnte oder wollte. Die Verurteilung des 36-jährigen Mannes und seine Aussagen werden sicherlich die Entscheidung des Richters Nevin Dawson vom Bezirksgericht Auckland beeinflussen. Von daher ist mit großer Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die Beschuldigten in die USA ausgeliefert werden. Dort drohen den früheren Megaupload-Machern wegen mutmaßlichen Betrugs, Geldwäsche und gemeinschaftlich begangener Urheberrechtsverletzungen jeweils bis zu 20 Jahre Freiheitsentzug. Dazu würden wie bei Nomm horrende Schadenersatzforderungen der Rechteinhaber und die Kosten des Verfahrens kommen. Alleine die aufwändige Anhörung in Neuseeland zog sich über zehn Wochen hin.
Quelle: Tarnkappe