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Satellit Interview mit SES ASTRA: Im Wandel: Die Zukunft des Satelliten

Wenn hierzulande über Satellitenfernsehen gesprochen wird, ist in den meisten Fällen die „deutsche“ Orbitalposition Astra auf 19,2° Ost gemeint. Mehr als 16 Millionen Haushalte empfangen in Deutschland ihre Fernsehprogramme über Satellit, mit leicht abnehmender Tendenz. Der größte Gewinner war in den letzten Jahren und ist es auch aktuell IPTV, sprich das Fernsehen über das Internet, wozu weder ein Sat- noch ein Kabelanschluss benötigt wird. Allerdings liegen die Nutzerzahlen mit rund 4,5 Millionen laut dem letzten Digitalisierungsbericht Video der Medienanstalten deutlich hinter den klassischen TV-Empfangswegen Satellit und Kabel. Über die Zukunft des Satelliten, den Wegfall des Nebenkostenprivilegs für Kabelhaushalte im kommenden Jahr und die Möglichkeit von schnellem Internet in Glasfaserqualität über Sat sowie eine mögliche Fusion von SES (Astra) mit dem Satellitenbetreiber Intelsat, sprachen wir mit dem Astra-Deutschlandchef Christoph Mühleib.

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Christoph Mühleib
verantwortet als Geschäftsführer der SES Germany die Geschäfte von SES und ASTRA für die DACH-Region

SATVISION: Der TV-Empfangsweg Satellit musste sich mit rund 16,5 Mio. Haushalten laut dem letzten Digitalisierungsbericht Video 2022 dem Kabel mit rund 16,8 Mio. Haushalten knapp geschlagen geben. Was zeichnet den Satellitendirektempfang Ihrer Einschätzung nach insbesondere aus und wird der Satellit seine Führungsrolle auch in Zukunft (mittel- und langfristig) behaupten können?

Christoph Mühleib: Mit den Zahlen ist es immer so eine Sache. Wir führen mit dem ASTRA TV-Monitor jährlich eine Umfrage durch, um die Reichweite der in Deutschland genutzten TV-Empfangswege zu ermitteln. Bezogen auf die Anzahl der TV-Haushalte ist der Satellit in Deutschland mit 16,34 Millionen Verbreitungsweg Nummer eins für Fernsehinhalte, vor Kabel mit 15,21 Millionen versorgten Haushalten. Diese Reihenfolge besteht schon seit einigen Jahren. Die stabile, große Beliebtheit des Satellitendirektempfangs lässt sich an zwei ganz einfachen Vorteilen festmachen: Erst einmal ist der TV-Empfang via Satellit kostenlos. Gleichzeitig bietet er eine enorme Programmvielfalt in fantastischer Bild- und Tonqualität.

SATVISION: Warum Satellitenfernsehen und nicht beispielsweise IPTV?

C. Mühleib: Letzten Endes entscheidet der Endkunde, was er haben will. Und beim Satellitenfernsehen stimmt einfach das Gesamtpaket: unglaublich viele TV-Programme, die praktisch überall in Deutschland in gleich hoher Qualität kostenlos empfangen werden können. Darüber hinaus können sich Zuschauerinnen und Zuschauer für noch bessere Qualität oder zusätzliche Inhalte dazu entscheiden, HD+ oder Sky dazuzubuchen.

Außerdem nutzen Menschen heute lineare und non-lineare Inhalte ganz selbstverständlich parallel. Wobei es für die Verbreitung linearer TV-Inhalte keine besseren Übertragungswege als über Broadcast-Netzwerke wie Satellit oder auch Kabel gibt.

Sie versorgen Millionen von Haushalten gleichzeitig, sind damit effizient und bieten insbesondere über Satellit eine herausragende und vor allem für jeden Haushalt identische Qualität. Dagegen sind IP-Netzwerke perfekt für die non-lineare Nutzung geeignet. Also immer dann, wenn es darum geht, einem Konsumenten einen ganz bestimmten Inhalt zukommen zu lassen, auf den er oder sie gerade jetzt Lust verspürt.

SATVISION: Wie hat sich die Programmvielfalt auf der „deutschen“ Orbitalposition Astra 19,2° Ost in den letzten zwei Jahren, was die Anzahl a) aller Sender, b) der HD-Sender und c) der UHD-Sender betrifft, entwickelt?

C. Mühleib: Die Senderanzahl wächst, nur bei den UHD-Sendern ist die Entwicklung nicht so dynamisch, wie ich es mir persönlich und wohl auch viele andere wünschen würden. Inhalte für UHD zu entwickeln, ist aber eine Aufgabe der Broadcaster. Unsere Aufgabe ist die Übertragung dieser Inhalte. Und da stehen wir bereit.

SATVISION: Die zuletzt aufgeschalteten Musiksender werden leider nur in SD ausgespielt. Sollte nicht mindestens HD heute der Standard sein, zumal die Fernseher in den Wohnzimmern immer größer werden und 4K bei der Bildauflösung nicht erst seit gestern bei neu gekauften TVs der Standard ist?

C. Mühleib: Auch wenn 93,3 Prozent aller SAT-TV-Haushalte in Deutschland ihre Programme mittlerweile in HD empfangen, gibt es immer noch über eine Million Satelliten-Haushalte, die weiterhin nur in SD-Qualität fernsehen. Oft, weil sie sich aus finanziellen Gründen schon länger kein neues TV-Gerät leisten konnten. Wenn es nach mir ginge, würde ich mir wünschen, dass in jedem Wohnzimmer ein UHD-Fernseher steht! Da das aus dem genannten Grund aber leider nicht realitätsnah ist, freut es mich, dass wir mit der Ausspielung der neu aufgeschalteten Musiksender in SD alle Menschen erreichen. Und alle dürfen sich auf ein weiterwachsendes Senderangebot freuen.

SATVISION: Mit welchem Hintergrund sind die Streaming-Dienste sowohl beim Content als auch bei der Bild- und Tonqualität (Stichwörter: 4K HDR und Dolby Atmos) deutlich attraktiver und nehmen hier eine Vorreiterrolle ein? Werden wir Programme sowie weitere Inhalte zukünftig ausschließlich streamen?

C. Mühleib: Definitiv nicht, da müsste erst einmal dafür gesorgt werden, dass wirklich jeder Haushalt Zugang zu schnellem Internet hat. Gerade 4K-Inhalte lassen sich über Satellit in wesentlich besserer Qualität verbreiten als über andere Kanäle. Eben, weil für die Übertragung keine Bandbreite beansprucht wird. Und ja: Die Qualität über Internet kann gut sein. Wenn allerdings Mitbewohner oder die Nachbarschaft das Internet stark mitnutzen, dann mag das anders aussehen. Ganz abgesehen davon, welche Kosten dabei auf die Programmveranstalter zukommen. Unsere Partner, die Broadcaster, wissen die Vorteile der TV-Verbreitung über Satellit sehr zu schätzen. Das schlägt sich auch in langfristigen Vertragslaufzeiten nieder.

Wir haben vorhin schon kurz über die Gründe pro Satellit oder IPTV gesprochen. Die Zeiten, in denen es um ein Entweder-oder ging, sind vorbei. Vielmehr geht es um ein Sowohl-als-auch – mit dem Endkunden im Mittelpunkt, sodass er oder sie beide Welten ganz unkompliziert nutzen kann. Aus einem Guss. Mit einer intuitiven Usability. Dafür haben wir mit dem Team von HD+ die TV-Op-App für alle Zuschauerinnen und Zuschauer, die über Satellit fernsehen, entwickelt. Sie können damit auf das komplette Bouquet des linearen Satellitenfernsehens zugreifen. Mit allen Vorteilen. Zugleich haben sie die Möglichkeit, ganz unkompliziert alle Mediatheken gleichzeitig zu durchsuchen und das Wunschergebnis unkompliziert anzusteuern. Oder das Programm neu zu starten, wenn der Anfang verpasst wurde. Das Wesentliche ist: Es gibt keinen Bruch. Gleich ob linear oder non-linear: ich bleibe in einer Welt mit einer perfekten Usability. Das gefällt mir.

SATVISION: Welche Bedeutung messen Sie dem aktuellen Trend der Fast Channels bei?

C. Mühleib: Die Entwicklung freut mich sehr. Denn auch der ein oder andere FAST-Channel-Betreiber hat schon die Möglichkeiten der großen Satellitenreichweite erkannt. Das führt bei uns dazu, dass wir über weitere technische Entwicklungen nachdenken. Ich bin sehr gespannt, was da noch alles passiert.

SATVISION: Die Abschaffung des Nebenkostenprivilegs für Kabelfernsehen ist beschlossen, sprich die Umlagefähigkeit des Kabelanschlusses. Im Rahmen der Gesetzesnovelle besteht ein Sonderkündigungsrecht zum 30. Juni 2024, was vielen Kabel-TV-Haushalten noch unbekannt ist. Welche Folgen hat der Umfall der Mauer und welcher TV-Empfangsweg wird Ihrer Ansicht nach am meisten profitieren? Oder bleibt etwa alles so, wie es ist?

C. Mühleib: Nein, das glaube ich nicht. Da wird sich noch viel bewegen. Menschen mögen keinen Zwang und wollen selbst entscheiden, wie sie fernsehen. Auch die Wohnungswirtschaft hat nun den Anstoß bekommen, die TV-Versorgung neu zu denken. Statt nun voreilig alternative Mehrnutzungsverträge mit Kabelanbietern abzuschließen, weil das die vermeintlich einfachste Lösung ist, sollten sich Wohnungsunternehmen die Zeit nehmen, neue Konzepte für die Medienversorgung in Erwägung zu ziehen. Konzepte, die nicht nur TKG-konform, sondern auch zukunftssicher sind, weil sie kostspielige Nachrüstungen für Jahrzehnte überflüssig machen. Wie zum Beispiel Satellitenfernsehen, das dank moderner SAT-Technik längst ohne sichtbare Schüsseln großflächig verteilt werden kann. Ich sehe die Gesetzesnovelle als Gamechanger – mit dem Satelliten als einem der Gewinner.

SATVISION: Welche Perspektiven sehen Sie für den Satelliten und warum sollte dieser nicht allein auf Fernsehen reduziert werden?

C. Mühleib: Eine tolle Frage! Was viele nämlich nicht wissen: Unsere Mutterfirma SES verfügt über Satelliten in gleich zwei Orbits. Die insgesamt über 70 Satelliten befinden sich im geostationären (GEO) und mittleren Erdorbit (MEO). Und es ist erstaunlich, welche vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten diese Satelliten neben der TV-Übertragung noch bieten. So kann SES beispielsweise sogar Glasfaser-Performance aus dem All liefern. Das gelingt mit den neuen O3B mPOWER Satelliten auf der MEO. Mit dieser Flotte können weltweit zigtausende Breitbandverbindungen im Gigabit-Bereich realisiert werden – und dass bei einer Latenz von etwa 150 Millisekunden und ohne Bandbreitenschwankungen. Es muss sich also niemand mehr den Kopf zerbrechen, wie man unterversorgte, abgelegene Gebiete oder Orte mit Breitband versorgen kann – zu Lande, zu Wasser oder sogar in der Luft. Sogar auf Kreuzfahrtschiffen kann Highspeed-Internet über Satellit genutzt werden!

Der schnelle Support aus dem All ist auch für Unternehmen interessant, die ihre Standorte vor dem Ausfall der Bodeninfrastruktur absichern wollen. Hier kommen die satellitengestützten Backup-Lösungen zum Einsatz. Denn Satellitenempfang ist eine sichere Empfangsquelle – auch bei Ausfall von Mobilfunk oder Internet, wie dies bei Naturkatastrophen oder bei Missionen zur Friedenssicherung zu häufig der Fall ist. SES unterstützt Hilfsorganisationen vor Ort in Situationen, wo keine terrestrische Infrastruktur besteht oder diese zerstört wurde. Auf diese Weise setzt sich SES als technischer Partner und Helfer bei Katastrophen seit Jahren dafür ein, Leben zu retten.

SATVISION: Wie ist es um Satelliten-Glasfaser-Lösungen bestellt?

C. Mühleib: In Kombination mit der Glasfasertechnologie ergeben sich viele Möglichkeiten für den individuell besten SAT-Empfang. Vor allem im Neubau bieten sich Satelliten-Glasfaser-Lösungen mit Glasfaser bis in die Wohnung (FTTH) an, während im Bestand Glasfaser-Koax-Hybridlösungen flexibel an die Gegebenheiten vor Ort angepasst werden können, indem innerhalb der Gebäude die vorhandene Koaxialverkabelung genutzt wird. Um die optischen Satellitensignale großflächig zu verteilen, kommt bei beiden Versorgungskonzepten Glasfaser zum Einsatz. Das bedeutet: Die Empfangsanlage kann kilometerweit von den zu versorgenden Wohngebäuden entfernt installiert werden, die Signale kommen dennoch nahezu verlustfrei und komplett bandbreitenunabhängig bei den Empfängern an. Wie gut diese modernen Möglichkeiten einer TV-Versorgung von Mehrfamilienhäusern über Satellit ankommen, bestätigt die positive Resonanz seitens der Wohnungswirtschaft, denn es werden zunehmend mehr Projekte erfolgreich realisiert.

Dank der mit der Industrie entwickelten Systeme können zudem nicht nur Mehrfamilienhäuser oder Quartiere, sondern ganze Städte über eine einzige Empfangsanlage mit SAT-TV versorgt werden. Das macht Satellitenfernsehen auch für kommunale Versorger wie Stadtwerke interessant, die Endkunden als Add-on zu Glasfaserinternet auch ein attraktives TV-Angebot machen wollen, um sich gegenüber Wettbewerbern Vorteile zu verschaffen.

SATVISION: Die Astra-Mutter, der in Luxemburg ansässige Satellitenbetreiber SES, bestätigte am 29. März 2023 Verhandlungen mit dem US-Konzern Intelsat über eine mögliche Fusion. Was würde eine Fusion Ihrer Einschätzung nach bedeuten und mit welchem Hintergrund fällt immer wieder der Name Elon Musk als Grund für die Fusionsgespräche?

C. Mühleib: Das ist eine Frage, für die ich Sie an meine Kollegen der SES verweise.

SATVISION: Das Unternehmen SES hat eine Marktkapitalisierung von 3,5 Milliarden Euro und eine Nettoverschuldung von 3,6 Milliarden Euro. Welche Bedeutung haben die 4,7 Milliarden US-Dollar, die SES von den US-Regulierungsbehörden für die Freigabe von Frequenzen für 5G-Dienste erwartet?

C. Mühleib: Auch dieses ist eine Frage, für die ich Sie an meine Kollegen der SES verweise.

SATVISION: Erlauben Sie uns an dieser Stelle noch zwei private Fragen. Was für ein Fernseher steht oder hängt in Ihrem privaten Wohnzimmer und welche/n TV-Empfangsweg/e nutzen Sie?

C. Mühleib: Zuhause steht ein 55 Zoll UHD-Fernseher mit integrierter HD+ TV-App. Für den Empfang nutze ich eine Satellitenanlage, und zwar eine mit Quad LNB. Neben dem linearen Fernsehen nutze ich aber auch VoD-Plattformen. Ich gehe also nicht mehr wie früher zur Videothek, sondern suche vom Sofa aus in den Mediatheken nach einem Film oder einer Serie, auf die ich gerade Lust habe. So mag ich das.

SATVISION: Bitte vervollständigen Sie zum Schluss noch den folgenden Satz: „Eine Fusion zwischen SES und Intelsat (oder einem anderen Satellitenbetreiber) würde für SES Germany bedeuten, dass …“

C. Mühleib: … wir uns spätestens dann wiedersehen.

SATVISION: Vielen Dank für dieses Gespräch.



Quelle; satvision
 
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