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Sind Einladungen des Jobcenters nichtig?
Am 14. März wird sich das Sozialgericht Nürnberg mit Frage beschäftigen, ob Hartz IV Betroffene den Jobcenter-Einladungen Folge leisten müssen (AZ: S 10 AS 679/10). In der Regel verhängen Behörden Sanktionen, wenn sogenannte Meldeversäumnisse vorliegen. Beim ersten „Verstoß“ wird in der Regel eine Regelsatz-Kürzung von 10 Prozent ausgesprochen. Bei wiederholten „Verstößen“ drohen sogar Totalsanktionen, als 100 Prozent Kürzungen.
Zu dem Verfahren kommt es, weil der Kläger einer Termineinladung beim Arbeitsvermittler des Jobcenter Nürnberg (zu damaliger Zeit noch Arge Nürnberg-Mitte) im Jahre 2010 nicht nachkam. Daraufhin bekam der Betroffene einen weiteren Termin per Post zugestellt. Dieser war verbunden mit einer Anhörung aufgrund eines „beabsichtigten Einbehalten von 10 Prozent des Regelsatzes vom Arbeitslosengeld II und zum Einbehalt des befristeten Zuschlags nach dem Bezug von Arbeitslosengeld“. Auch zu diesem Termin ist der Kläger nicht erschienen. Stattdessen legte der Betroffene gegen beide Einladungen einen Widerspruch ein. Als Begründung schrieb er:
„Sanktionen nach § 31 SGB II sind Zwangsstrafen und verletzen die Würde des Menschen. Der zentrale Sanktionsparagraf § 31 SGB II steht im Widerspruch zum Anspruch des Staates, die Würde des Menschen zu schützen und das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum inklusive eines Mindestmaßes an gesellschaftlicher, kultureller und politischer Teilhabe stets einzulösen.
Einordnung des Einbehalts vom Regelsatz als Zwangsgeld mit Strafcharakter (Zwangsstrafe)
Systematisch ist § 31 SGB II im Unterabschnitt „Anreize und Sanktionen“ des SGB II eingeordnet und soll Pflichten- und Obliegenheitsverletzungen sanktionieren. Etymologisch stammt das Wort „Sanktion“ aus dem Französischen bzw. Lateinischen und hat die Bedeutung einer „Zwangsmaßnahme“ bzw. einer „Bestrafung“. Entsprechend ist das Wort „Sanktion“ ein Synonym für eine „Vergeltungsmaßnahme“, eine „Repressalie“, eine „Zwangsmaßnahme“ (euphemistisch „wirtschaftliches Druckmittel“) eben.
Der Charakter Zwangsgelds mit Strafcharakter (Zwangsstrafe) zeigt sich insbesondere daran, dass die staatliche Vergeltungsmaßnahme für Zeiträume bemessen ist, die in keinem Zusammenhang zum erwünschten Verhalten stehen, und die auch nicht durch sofortige Änderung des Verhaltens beendet oder abgemildert werden kann. Im vorliegenden Fall eines harmlosen Meldeversäumnisses könnte auch bei Nachholen der persönlichen Meldung die Strafe nicht gemildert oder von Strafe abgesehen werden. Ferner wird bei Verhängung der Repressalie typisierend unterstellt, dass der Allgemeinheit Schaden entstanden ist.
Verletzung der Würde des Menschen
Hinzu kommt, dass das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 9.2.2010 (Az. 1 BvR 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09) festgestellt hat, dass das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (seine physische Existenz und ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben) dem Grunde nach unverfügbar ist, was bedeutet, dass es ein absolutesund vorkonstitutionelles Menschenrecht ist und eingelöst werden muss. Diesen verfassungsrechtlichen Ansprüchen genügen die derzeitigen Regelsätze nicht.
Entscheidend ist hier die Maßgabe des Bundesverfassungsgerichts, dass das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum inklusive eines Mindestmaßes an gesellschaftlicher, kultureller und politischer Teilhabe immer eingelöst werden muss, das heißt auch im Falle einer Pflichtverletzung. Weiter hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass die bisherige Ermittlung der Erwachsenenregelsätze nach § 20 Abs. 2 SGB II den verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht genügen, da sich der Gesetzgeber Schätzungen ins Blaue hinein bedient habe. Das bedeutet letztlich, dass Vergeltungsmaßnahmen nach § 31 SGB II eben nicht in einen etwaigen finanziellen Komfortbereich stoßen, der möglicherweise durch besondere Zulagen entstanden wäre und nun zur Disposition stünde und in den man dann aus beliebigen Gründen strafen könnte, weil der Betroffene z.B. Meldeaufforderungen nicht nachkommt.
Stattdessen greifen die Zwangsstrafen unmittelbar dort ein, wo es dem Bedürftigen zum menschenwürdigen Dasein eigentlich verfassungsrechtlich zugesichert sein sollte, und für das auch nach dem Grundgesetz keine Möglichkeit vorgesehen ist, dies zu verwirken. Es wird also bei einer bestehenden und nachgewiesenen Notlage des Hilfebedürftigen eingegriffen mit der Folge, dass sich die Notlage noch verschärft.
Dass die Vergeltungsmaßnahme nach § 31 SGB II Strafcharakter haben, ergibt sich daraus, dass sie bei nachträglicher Befolgung bzw. Nachholen der Pflicht nicht wegfallen. Zudem erhält § 31 Abs. 1 Ziffer 1 SGB II mit der Formulierung „… sich weigert…“ das klassische Schuldelement; die Zwangsstrafen des § 31 SGB II dienen also auch dem Schuldausgleich. Ergebnis: Einbehaltungen nach § 31 SGB II sind Zwangsgelder mit Strafcharakter (Zwangsstrafen), die die Würde des Menschen verletzen."
In der Tat hob das Jobcenter die angedrohte Sanktion auf, bestand aber weiterhin darauf, dass Einladungen der Rechtmäßigkeit entsprechen und daher Folge zu leisten sind. Ein Widerspruchsverfahren aufgrund der Einladungen wurde jedoch nicht eröffnet, weil die „Einladungen in der Beziehung zwischen Jobcenter und dem Kläger nichts regeln würden. Weder habe das Jobcenter Rechte des Klägers begründet, noch geändert, entzogen oder festgestellt“.
Hier nun stellte der Kläger schriftlich folgende Frage an die Behörde:
„Dürfen Hilfeempfänger nunmehr daraus schließen, dass das Jobcenter Nürnberg-Stadt der Meldeaufforderung nicht den Charakter einer Rechtspflicht zum Erscheinen im Termin im Sinne der §§ 31, 59 SGB II beimisst oder ist die Begründung der Widerspruchsbescheide diesbezüglich nur unvollständig, weil bei einer Erörterung dieser Rechtsfrage etwa eine Klassifizierung der angefochtenen Einladungen als Verwaltungsakt hätte erfolgen müssen?“
Ein Antwort blieb das Jobcenter jedoch schuldig. Aus diesem Grund erhob der Betroffene eine Klage beim Sozialgericht. Dabei vertritt der Kläger die Meinung, dass der Meldezweck in den Einladungen zu schwammig formuliert sind, so dass Eingeladene nicht einschätzen könnten, ob der Termin beim Arbeitsvermittler zur Findung oder Besserung von Jobchancen geeignet sind. Zudem würden in den Termineinladungen der Jobcenter keine der gesetzlich vorgesehenen Meldezwecke genannt. Somit würde das Jobcenter Nürnberg-Stadt „seine Kompetenzen überschreiten“ und den Freiheitsanspruch des Bürgers missachten. Fraglich sei auch die Praxis, derartige Termine mit einer Strafandrohung zu belegen, ohne ihnen vorher im Rahmen einer rechtsstaatlich gebotenen Anhörung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, um z.B. Terminwünsche oder generell Wünsche zum Inhalt der Vermittlungstätigkeit des Jobcenters zu äußern. Somit werden Hartz IV Bezieher zum Objekt und der Jobcenter-Mitarbeiter könne „nach Lust und Laune“ Einladungen verschicken.
Die Verhandlung findet am 14. März im Sozialgericht Nürnberg, Weintraubengasse 1, Sitzungssaal 4, Zi. 58, 2. Stock statt. Ausdrücklich wird um solidarische Begleitung und Prozessbeobachter des Termins gebeten.
Schlüssiges Konzept zur Hartz IV-Mietobergrenze?
Quelle: gegen-hartz
Sind Einladungen des Jobcenters nichtig?
Am 14. März wird sich das Sozialgericht Nürnberg mit Frage beschäftigen, ob Hartz IV Betroffene den Jobcenter-Einladungen Folge leisten müssen (AZ: S 10 AS 679/10). In der Regel verhängen Behörden Sanktionen, wenn sogenannte Meldeversäumnisse vorliegen. Beim ersten „Verstoß“ wird in der Regel eine Regelsatz-Kürzung von 10 Prozent ausgesprochen. Bei wiederholten „Verstößen“ drohen sogar Totalsanktionen, als 100 Prozent Kürzungen.
Zu dem Verfahren kommt es, weil der Kläger einer Termineinladung beim Arbeitsvermittler des Jobcenter Nürnberg (zu damaliger Zeit noch Arge Nürnberg-Mitte) im Jahre 2010 nicht nachkam. Daraufhin bekam der Betroffene einen weiteren Termin per Post zugestellt. Dieser war verbunden mit einer Anhörung aufgrund eines „beabsichtigten Einbehalten von 10 Prozent des Regelsatzes vom Arbeitslosengeld II und zum Einbehalt des befristeten Zuschlags nach dem Bezug von Arbeitslosengeld“. Auch zu diesem Termin ist der Kläger nicht erschienen. Stattdessen legte der Betroffene gegen beide Einladungen einen Widerspruch ein. Als Begründung schrieb er:
„Sanktionen nach § 31 SGB II sind Zwangsstrafen und verletzen die Würde des Menschen. Der zentrale Sanktionsparagraf § 31 SGB II steht im Widerspruch zum Anspruch des Staates, die Würde des Menschen zu schützen und das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum inklusive eines Mindestmaßes an gesellschaftlicher, kultureller und politischer Teilhabe stets einzulösen.
Einordnung des Einbehalts vom Regelsatz als Zwangsgeld mit Strafcharakter (Zwangsstrafe)
Systematisch ist § 31 SGB II im Unterabschnitt „Anreize und Sanktionen“ des SGB II eingeordnet und soll Pflichten- und Obliegenheitsverletzungen sanktionieren. Etymologisch stammt das Wort „Sanktion“ aus dem Französischen bzw. Lateinischen und hat die Bedeutung einer „Zwangsmaßnahme“ bzw. einer „Bestrafung“. Entsprechend ist das Wort „Sanktion“ ein Synonym für eine „Vergeltungsmaßnahme“, eine „Repressalie“, eine „Zwangsmaßnahme“ (euphemistisch „wirtschaftliches Druckmittel“) eben.
Der Charakter Zwangsgelds mit Strafcharakter (Zwangsstrafe) zeigt sich insbesondere daran, dass die staatliche Vergeltungsmaßnahme für Zeiträume bemessen ist, die in keinem Zusammenhang zum erwünschten Verhalten stehen, und die auch nicht durch sofortige Änderung des Verhaltens beendet oder abgemildert werden kann. Im vorliegenden Fall eines harmlosen Meldeversäumnisses könnte auch bei Nachholen der persönlichen Meldung die Strafe nicht gemildert oder von Strafe abgesehen werden. Ferner wird bei Verhängung der Repressalie typisierend unterstellt, dass der Allgemeinheit Schaden entstanden ist.
Verletzung der Würde des Menschen
Hinzu kommt, dass das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 9.2.2010 (Az. 1 BvR 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09) festgestellt hat, dass das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (seine physische Existenz und ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben) dem Grunde nach unverfügbar ist, was bedeutet, dass es ein absolutesund vorkonstitutionelles Menschenrecht ist und eingelöst werden muss. Diesen verfassungsrechtlichen Ansprüchen genügen die derzeitigen Regelsätze nicht.
Entscheidend ist hier die Maßgabe des Bundesverfassungsgerichts, dass das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum inklusive eines Mindestmaßes an gesellschaftlicher, kultureller und politischer Teilhabe immer eingelöst werden muss, das heißt auch im Falle einer Pflichtverletzung. Weiter hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass die bisherige Ermittlung der Erwachsenenregelsätze nach § 20 Abs. 2 SGB II den verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht genügen, da sich der Gesetzgeber Schätzungen ins Blaue hinein bedient habe. Das bedeutet letztlich, dass Vergeltungsmaßnahmen nach § 31 SGB II eben nicht in einen etwaigen finanziellen Komfortbereich stoßen, der möglicherweise durch besondere Zulagen entstanden wäre und nun zur Disposition stünde und in den man dann aus beliebigen Gründen strafen könnte, weil der Betroffene z.B. Meldeaufforderungen nicht nachkommt.
Stattdessen greifen die Zwangsstrafen unmittelbar dort ein, wo es dem Bedürftigen zum menschenwürdigen Dasein eigentlich verfassungsrechtlich zugesichert sein sollte, und für das auch nach dem Grundgesetz keine Möglichkeit vorgesehen ist, dies zu verwirken. Es wird also bei einer bestehenden und nachgewiesenen Notlage des Hilfebedürftigen eingegriffen mit der Folge, dass sich die Notlage noch verschärft.
Dass die Vergeltungsmaßnahme nach § 31 SGB II Strafcharakter haben, ergibt sich daraus, dass sie bei nachträglicher Befolgung bzw. Nachholen der Pflicht nicht wegfallen. Zudem erhält § 31 Abs. 1 Ziffer 1 SGB II mit der Formulierung „… sich weigert…“ das klassische Schuldelement; die Zwangsstrafen des § 31 SGB II dienen also auch dem Schuldausgleich. Ergebnis: Einbehaltungen nach § 31 SGB II sind Zwangsgelder mit Strafcharakter (Zwangsstrafen), die die Würde des Menschen verletzen."
In der Tat hob das Jobcenter die angedrohte Sanktion auf, bestand aber weiterhin darauf, dass Einladungen der Rechtmäßigkeit entsprechen und daher Folge zu leisten sind. Ein Widerspruchsverfahren aufgrund der Einladungen wurde jedoch nicht eröffnet, weil die „Einladungen in der Beziehung zwischen Jobcenter und dem Kläger nichts regeln würden. Weder habe das Jobcenter Rechte des Klägers begründet, noch geändert, entzogen oder festgestellt“.
Hier nun stellte der Kläger schriftlich folgende Frage an die Behörde:
„Dürfen Hilfeempfänger nunmehr daraus schließen, dass das Jobcenter Nürnberg-Stadt der Meldeaufforderung nicht den Charakter einer Rechtspflicht zum Erscheinen im Termin im Sinne der §§ 31, 59 SGB II beimisst oder ist die Begründung der Widerspruchsbescheide diesbezüglich nur unvollständig, weil bei einer Erörterung dieser Rechtsfrage etwa eine Klassifizierung der angefochtenen Einladungen als Verwaltungsakt hätte erfolgen müssen?“
Ein Antwort blieb das Jobcenter jedoch schuldig. Aus diesem Grund erhob der Betroffene eine Klage beim Sozialgericht. Dabei vertritt der Kläger die Meinung, dass der Meldezweck in den Einladungen zu schwammig formuliert sind, so dass Eingeladene nicht einschätzen könnten, ob der Termin beim Arbeitsvermittler zur Findung oder Besserung von Jobchancen geeignet sind. Zudem würden in den Termineinladungen der Jobcenter keine der gesetzlich vorgesehenen Meldezwecke genannt. Somit würde das Jobcenter Nürnberg-Stadt „seine Kompetenzen überschreiten“ und den Freiheitsanspruch des Bürgers missachten. Fraglich sei auch die Praxis, derartige Termine mit einer Strafandrohung zu belegen, ohne ihnen vorher im Rahmen einer rechtsstaatlich gebotenen Anhörung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, um z.B. Terminwünsche oder generell Wünsche zum Inhalt der Vermittlungstätigkeit des Jobcenters zu äußern. Somit werden Hartz IV Bezieher zum Objekt und der Jobcenter-Mitarbeiter könne „nach Lust und Laune“ Einladungen verschicken.
Die Verhandlung findet am 14. März im Sozialgericht Nürnberg, Weintraubengasse 1, Sitzungssaal 4, Zi. 58, 2. Stock statt. Ausdrücklich wird um solidarische Begleitung und Prozessbeobachter des Termins gebeten.
Schlüssiges Konzept zur Hartz IV-Mietobergrenze?
Quelle: gegen-hartz