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Neue Fernsehwelt
Entmündigt HD Plus TV-Zuschauer?
Von Günter D. Alt [Stand: 09/2009]
Wer angesichts des gerade beginnenden Zeitalters des hochauflösenden Fernsehens HDTV ein neues Empfangsgerät kauft, muss aufpassen: Einige Hersteller bauen bereits neue Technik ein, die Verbraucherschützer als Rückschritt sehen. Vor allem private TV-Sender können damit in Zukunft für hochauflösende Sendungen nicht nur Geld verlangen. Sie können bestimmen, ob der Zuschauer solche Programme noch aufzeichnen darf, und sogar sicherstellen, dass Werbeblöcke nicht mehr übersprungen werden können.
(Quelle: fotolia)
HDTV-Start
In diesen Tagen startet in Deutschland das hochauflösende Fernsehen HDTV: Mit dafür vorbereiteten Empfangsgeräten, also Digitalreceivern und Flachbildschirmen mit eingebautem HDTV-Tuner, können die brillanteren und schärferen Bilder empfangen werden. ARD und ZDF haben mit der Leichtathletik-Weltmeisterschaft in Berlin vom 15. bis 23. August erstmalig in hochauflösender Fernsehqualität ausgestrahlt. Dieser Generalprobe werden zur Internationalen Funkausstellung (IFA) in Berlin Anfang September und über Weihnachten weitere "Kostproben" folgen, ehe zu den Olympischen Winterspielen im Februar 2010 der reguläre Sendebetrieb in HDTV beginnt.
Vorsicht vor CI Plus
Während ARD und ZDF alle HDTV-Angebote unverschlüsselt senden, ist der Empfang der ab Herbst 2009 geplanten HD-Programme von RTL, VOX, ProSieben, SAT1 und Kabel eins nur noch verschlüsselt gewährleistet. Dazu wollen die privaten Sender die neue ASTRA-Plattform
HD Plus nutzen sowie eine ebenfalls neue und umstrittene Datenschnittstelle namens CI Plus.
Das Plus hinter der neuen TV-Welt suggeriert: Plus ist besser, Plus ist mehr. Doch bei der neuen Verschlüsselungstechnik CI Plus versagt diese Logik: CI Plus erweist sich bei näherem Hinsehen für den Verbraucher eher als deutliches Minus. Verbraucherschützer laufen Sturm dagegen.
Der kleine, feine Unterschied
Erst vor wenigen Jahren wurde das sogenannte Common Interface (CI) als Standard für Set-Top-Boxen, TV-Geräte und digitale Videorekorder eingeführt. Steckmodule, die in diesen Schacht passen, können ihrerseits eine Smartcard aufnehmen, die der Entschlüsselung empfangener DVB-Daten (in der Regel Bezahlfernsehen oder -radio) dient.
CI-Module, etwa die weit verbreiteten
AlphaCrypt-Module, ermöglichen es Endverbrauchern also auf legale Art und Weise, als Abonnent mit einer Chipkarte des jeweiligen Pay-Senders Bezahlfernsehen und -radio zu empfangen, ohne dafür ein spezielles Empfangsgerät anschaffen zu müssen. In einigen Ländern wurde der CI-Schacht gar zur Pflicht, um den Fernsehzuschauer unabhängiger zu machen.
Nach der EG-Universaldienstrichtlinie 2002/22/EG vom 7. März 2002 (Anhang VI) und § 48 des deutschen Telekommunikationsgesetzes muss heute "... jedes Digitalfernsehgerät mit integriertem Bildschirm mit einer sichtbaren Diagonale von mehr als 30 cm […] mit mindestens einer offenen Schnittstellenbuchse […] ausgestattet sein ...".
Bisher konnten Hersteller von Digital-Fernseh-Receivern diese Schnittstelle kostengünstig in ihre Geräte einbauen, da keine Lizenz- und Zertifizierungskosten anfielen. Die Schnittstelle ist daher heute schon in sehr vielen Flachbildschirmen, selbst bei Geräteklassen unter 500 Euro, zu finden. Allerdings ist die Technologie in der Version 1.0 in die Jahre gekommen. In dem offenen europäischen Gremium für digitale Fernsehnormen, der DVB-Organisation, wurde deshalb jahrelang versucht, einen neuen offiziellen Standard CI 2.0 zu spezifizieren. Vergeblich: Die Teilnehmer konnten keine Einigkeit erzielen, das Projekt wurde eingestellt.
Eine Splittergruppe von beteiligten Herstellern (Panasonic, Philips, Samsung und Sony sowie die Modulhersteller SmarDTV/Nagravision und Neotion) schloss sich daraufhin zum CI-Plus-Forum zusammen und entwickelte - quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit - die neue, umstrittene CI-Plus-Spezifikation. Die Gruppe hat heute größtenteils bereits Entwicklungen und Chipsätze entsprechend der propagierten Spezifikation fertiggestellt und sich dadurch einen erheblichen Marktvorsprung geschaffen. Die neuen CI-Plus-Schächte werden von den beteiligten Firmen (teilweise) bereits in aktuelle Geräte eingebaut, häufig, ohne dass der Käufer dies auf Anhieb erkennen kann.
Quotentrickserei
Die Verschlüsselung der HDTV-Ausstrahlungen mit CI Plus hat für die Privatsender handfeste Vorteile: Seit dem 1. Juli werden die TV-Quoten nämlich neu gemessen. Zur Live-Einschaltquote zählt nun auch die zeitversetzte Wiedergabe. Allerdings nur, wenn ein gespeichertes Programm innerhalb von drei Tagen abgespielt wird. Die zeitversetzt erzielte Nutzung wird dem "Original-Programm" rückwirkend gutgeschrieben. Das Anschauen eines aufgenommenen Programms innerhalb von drei Tagen erhöht also die Quote.
Deshalb liebäugeln die Privatsender damit, auf der HD-Plus-Sendeschiene und mit technischer Hilfe der CI-Plus-Schnittstelle nach drei Tagen die Aufzeichnungen auf den heimischen Geräten wieder zu löschen. Wer die Konserve nicht innerhalb von 72 Stunden ansieht (und somit zur TV-Quote beiträgt), soll die Sendung gar nicht mehr abspielen können.
Und um den Konsum der Unterbrecherwerbung (und damit höhere Werbeeinnahmen) garantieren zu können, sollen die Werbepausen der aufgezeichneten HD-Plus-Programme nur in Originalgeschwindigkeit wiedergegeben werden können. Ein schnelles Vorspulen innerhalb der Werbespots wird technisch unterbunden.
Kritik von Verbraucherschützern
Die neue Schnittstelle CI Plus birgt nach Ansicht der Verbraucherzentralen Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz für Fernsehzuschauer das Risiko einer erheblichen Gängelung. Die CI-Plus-Technik biete den TV-Sendern die Möglichkeit, den heimischen Umgang mit ihren Sendungen besser zu kontrollieren. Das kann den Zuschauern im Vergleich zum derzeitigen CI-System erhebliche Einschränkungen bescheren. Mit CI Plus können unter anderem wesentliche Funktionen eines modernen Festplattenrecorders gesperrt werden.
Mögliche EinschränkungenTV-Sender könnten durch eine Art Schalter im Datenstrom, sogenannte Flags, etwa festlegen,
- ob eine Sendung überhaupt aufgezeichnet werden kann ("no copy"),
- dass ein aufgenommener Spielfilm nach Stunden (90 Minuten) oder Tagen (bis 61) automatisch gelöscht wird,
- dass Werbeblöcke nicht mehr schnell "vorgespult" werden können ("ad-skipping"), dass eine zeitlich versetzte Wiedergabe ("timeshift") unmöglich gemacht oder auf 90 Minuten begrenzt wird, dass die Speicherzeit begrenzt wird. Das Thema Speicherzeit der Aufnahme (Reetention) ist (bewusst?) schwammig spezifiziert. Es ist eine Begrenzung ab 90 Minuten möglich und keine unbegrenzte Speicherung mehr erlaubt (maximal 61 Tage). Es ist auch nicht spezifiziert, ob die Zeitrechnung mit Beginn oder mit Ende der Sendung beginnt. Ein Spielfilm von üblicher Länge (90 Minuten) könnte folglich mit der Standardbegrenzung von 90 Minuten direkt nach der Aufnahme nicht mehr angeschaut werden.
Außerdem kann mit CI Plus nicht gleichzeitig ein verschlüsseltes Programm angesehen und ein zweites aufgezeichnet werden. Bei der Einführung einer neuen Technik erwarten Kunden gewöhnlich einen technischen Fortschritt, so die Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz in einer Presseerklärung. Die Einführung von
HD Plus beziehungsweise CI Plus berge aber eher die Gefahr einer technischen Entmündigung der Fernsehzuschauer. "Die aktuelle Entwicklung verunsichert Verbraucher unnötig und behindert damit eine schnelle Verbreitung von HDTV in Deutschland", kritisiert Michael Gundall, Fernsehexperte der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. Zumal derselbe Programminhalt weiterhin unverschlüsselt und kostenlos in Standardqualität empfangbar sei.
Konsequenz für HD-Interessierte mit Satellitenempfang
Derzeit ist noch ungeklärt, ob alle gegenwärtig angebotenen HD-Sat-Receiver zum Empfang der privaten HD-Programme über die HD-Plus-Plattform nachgerüstet werden können. Bisher haben Boxenhersteller erst vereinzelt angekündigt, dass sie für ihre aktuellen Receiver Nachrüstmodule vorbereiten und rechtzeitig auf den Markt bringen wollen. Ob durch diese Nachrüst-Module eine volle Kompatibilität aktueller Receiver beim geplanten HD-Plus-/CI-Plus-Standard gegenüber den später speziell neu entwickelten HD-Plus-Receivern gewährleistet ist, scheint zurzeit fraglich.
Wer also zu den Besitzern eines HD-Satelliten-Receivers mit der herkömmlichen CI-Schnittstelle gehört (die CI-Plus-Befürworter sprechen von "nur" rund 600.000, die Kritiker reklamieren dagegen zehn Millionen Betroffene) oder jetzt einen neuen damit ausgestatteten Empfänger kauft, hat unter Umständen ins Leere gegriffen. "Möglicherweise können mit diesen Geräten künftig nur öffentlich-rechtliche HD-Sender sowie der Privatsender AnixeHD empfangen werden", so Gundall. "Ein Empfang der für Herbst 2009 geplanten verschlüsselten HD-Programme von RTL, VOX, ProSieben, SAT1 und Kabel eins ist damit nicht unbedingt gewährleistet."
"Dies ist eine Falschaussage", hieß es in fetten Lettern dazu prompt in einem Technisat-Infofax an die Händler. Zum Start der HD-Plus-Plattform im Herbst würden sogenannte Legacy-Module dafür sorgen, dass in allen HD-tauglichen Technisat-Geräten ein Empfang über normale CI-Steckplätze möglich sein wird. Was die Meldung verschweigt, ist, dass die Sendungen zwar empfangen, aber wohl nicht mehr aufgezeichnet werden können.
Kartellrechtliche Bedenken
Inzwischen sind die Kartellbehörden hellhörig geworden. Das deutsche Kartellamt hat zwar erst mal abgewinkt: Noch könne es nichts unternehmen, das sei eher eine Aufgabe für einen "Regulierer", den es aber für diesen Bereich (noch) nicht gäbe. Dafür aber zeigte sich die Brüsseler Kartellbehörde interessiert und lud Experten Ende Juli zu einer Anhörung. Nach WISO-Informationen könnte die EU-Kommission der CI-Plus- und HD-Plus-Allianz noch die Rote Karte zeigen.
Das CI-Plus-Forum, mittlerweile übergeführt auf die Nachfolgeorganisation CI Plus LLP, hat wohl einiges unternommen, um andere Anbieter außen vor zu halten. Nicht an dem Forum oder der Nachfolgeorganisation beteiligte Unternehmen aus der Unterhaltungselektronik haben insoweit Nachteile, als sie angeblich die Informationen nur zeitlich verzögert erhalten und für die Integration der Spezifikation CI PLus in eigene Module erhebliche Lizenzzahlungen an die Mitglieder des CI-Plus-Forums zahlen müssten, also an ihre Konkurrenten.
Mehrkosten für andere HerstellerDie vom aktuellen Konsortium veröffentlichten Preise: Lizenz pro Gerätemodell (DVB-Fernseher) 15.000 Euro, bei der jährlichen Verlängerung der Lizenz fallen die gleichen Kosten nochmals pro Jahr an. Die generelle Registrierung eines Geräte-Typs kostet 5000 Euro. Dieser Betrag fällt auch nach Software-Updates jeweils wieder erneut an. Außerdem müssen Hersteller pro 10.000 Geräte ein Schlüsselzertifikat für jeweils 500 Euro plus 200 Euro Versand- und Aufwandskosten erwerben. Für die Hersteller von CI-Plus-Geräten entstehen somit signifikante Mehrkosten, die auf den Verkaufspreis umgelegt werden müssten.
Ein denkbarer Effekt könnte überdies eine Marktabschottung sein, weil Anbieter von preisgünstigen Geräten aufgrund der anfallenden Lizenz- und Zertifizierungskosten keine Entschlüsselungsmöglichkeit in ihren Geräten vorsehen und so aus dem Markt der Geräte für Bezahlfernsehen (Pay-TV) verdrängt werden.
Hinzu kommt, dass die sogenannten "Legacy Module" nach der Spezifikation nur in den Geräten bestimmter Hersteller funktionieren. 15 verschiedene Hersteller werden 15 verschiedene Module bauen. Wer ein neues Gerät eines anderen Herstellers kauft, muss auch das Legacy Modul erneuern, obwohl er dieselben Programme ansehen will.
EU-Kommission prüftDie EU-Kommission prüft, ob CI Plus bzw. die Organisation CI Plus LLP gegen Art. 81 EG-Vertrag verstößt:
Mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar und verboten sind alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, welche den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezwecken oder bewirken, […]
Fraglich ist also, ob CI Plus die Erzeugung und technische Entwicklung von Endgeräten und die Digitalisierung des Fernsehmarktes einschränkt - zum Schaden von Verbrauchern und kleineren wie mittleren Herstellern. Geprüft wird auch die Einführung einer EU-weiten rechtlich verbindlichen Kennzeichnungspflicht von Geräten mit einer CI-Plus-Schnittstelle. Bei einem ausdrücklichen Hinweis auf Inkompatibilität mit Modulen der früheren Norm CI Version 1.0. wäre für den Verbraucher erkennbar, dass er mit einem solchen Gerät kein Bezahlfernsehen empfangen kann.
Auffällig ist, dass die Nachfolgeorganisation CI Plus LLP durch einen mehrjährigen exklusiven Vertrag mit dem Hamburger TC TrustCenter nur ein einziges Unternehmen als Zertifizierungsinstanz für die Abnahme von Geräten nach der CI-Plus-Spezifikation vorgesehen hat. Eine weitere Zertifizierungsstelle ist nicht bekannt.
Vor allem Drittanbieter befürchten, dass damit eine Verschleppung oder ein Erschweren des Zertifizierungsprozesses zu erwarten ist. Und für jeden Typ von Verschlüsselungssystem ist ein eigenständiges CI-Plus-Modul vorgesehen. Beispiel: Ein mögliches CI-Plus-NDS-Modul von Kabel Baden-Württemberg wird nicht kompatibel sein zu einem NDS-Modul von Tele Columbus oder Kabel Deutschland.
Neues Bezahlmodell
SES ASTRA startet im Spätherbst mit seiner neuen HD-Plus-Plattform. Die ersten Programme, die im Angebot von
HD Plus enthalten sein werden, sind die Privatsender RTL und Vox. Im kommenden Jahr folgen ProSieben, Sat.1 und Kabel eins. Die benötigte Smartcard soll für die ersten zwölf Monate bereits freigeschaltet sein, anschließend kann sich der Kunde entscheiden, ob er die Programme der Privatsender weiterhin in HDTV empfangen (und dafür bezahlen) will. Mit
HD Plus will Astra-Tochter APS noch vor den öffentlich-rechtlichen Regelangeboten die Privatsender auf die HD-Geräte in deutschen Haushalten schicken.
Die hohen Kosten der neuen Technik sollen nicht die Sender, sondern der Zuschauer bezahlen. Gegenüber dem Magazin "Digital Living" sagte Astra-Vorstandschef Romain Bauch: "Wir planen eine sehr niedrige monatliche oder jährliche Gebühr, die den technischen Aufwand deckt und die Sender ermutigt, in HDTV zu investieren." Das Handelsblatt will von Brancheninsidern erfahren haben, dass die monatliche Gebühr für
HD Plus 4,50 Euro betragen soll. Kauft man mit dem Abonnement einen CI-Plus-Receiver, soll
HD Plus ein Jahr lang keine weiteren Kosten erzeugen, erst danach wird die Abogebühr fällig.
Pläne schon einmal durchkreuzt
Kenner erinnern sich, dass es einen ähnlichen Vorstoß schon einmal gegeben hat: Nach massivem Druck vonseiten des Bundeskartellamts verzichtete 2006 ProSiebenSat.1 aber dann darauf, das Satellitenprogramm zu verschlüsseln. Die Wettbewerbshüter hatten Absprachen mit Konkurrent RTL vermutet, der sein Angebot ebenfalls codieren wollte, und darin eine illegale Kartellabsprache gesehen.
Die damaligen Pläne der beiden Privatsender sahen vor, zusammen mit dem Satellitenbetreiber SES ASTRA eine monatliche Zuschauergebühr von rund 3,50 Euro für das digitale Satellitenfernsehen einzuführen. Ein Großteil des Geldes wäre an die beiden Sender geflossen. Angeblich aber nicht zu erwartende Einnahmen hätten den Ausschlag für die Verschlüsselungspläne gegeben. RTL etwa verlautete dazu, man wolle sich auf diese Weise gegen Piraterie schützen, wie sie aus der Musikbranche bekannt ist.
Das Kartellamt leitete ein Verfahren ein und drohte eine Abmahnung des Geschäftsmodells an. Eine abgestimmte Strategie von RTL und ProSiebenSat.1 hätte dazu geführt, dass sich beide Sendergruppen relativ risikolos am Wettbewerb vorbei eine zusätzliche Erlösquelle erschlossen hätten, erklärte Kartellamts-Chef Ulf Böge damals.
Jugendschutz-Vorgaben schon mit CI-Modul 1.0
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Jugendschutz als Vorwand?
Ähnliche Argumentationen tauchen auch jetzt wieder auf. Das Wesentliche an CI Plus sei der Jugend- und Signalschutz, wird heute von den Befürwortern ins Feld geführt. Bei näherem Hinsehen wird aber deutlich, dass der Jugendschutz offenbar nur als Vorwand benutzt wird.
Der wichtigste Unterschied zwischen CI Version 1.0 und CI Plus: Das bisherige CI entschlüsselt das Fernsehsignal und gibt es zur weiteren Verarbeitung in unverschlüsselter Form an das TV-Gerät weiter. Ist eine Festplatte für zeitversetztes Fernsehen oder zur Aufzeichnung eingebaut, so werden die Signale auch dort unverschlüsselt abgelegt. Der Zuschauer muss etwa bei jugendgefährdenden Inhalten nur ein einziges Mal, etwa bei Sendestart, seine PIN eingeben. Danach kann die aufgezeichnete Sendung beispielsweise offen, also unverschlüsselt, auf DVD oder eine zweite Festplatte kopiert und von dort ohne nochmalige PIN-Eingabe vorgeführt werden. Damit sei der gesetzlich vorgeschriebene Jugendschutz zu unterlaufen, argumentiert die CI-Plus-Fraktion.
Schaut man sich die technische Spezifikation von CI Plus genauer an, führt sie das Jugendschutzargument aber selbst ad absurdum: Es ist in CI Plus eine - optionale - Möglichkeit vorgesehen, Aufzeichnungen in Abwesenheit zu machen, obwohl eine PIN-Eingabe nötig ist. Die PIN wird dazu bei der Aufnahmeprogrammierung gespeichert (was aber nach deutschen Jugendschutzvorgaben nicht zulässig ist, auch wenn die PIN bei der Wiedergabe nochmals abgefragt würde).
Andere Hinweise oder Vorgaben zum Jugendschutz sind in den CI-Plus-Spezifikationen nicht enthalten. Praktisch existiert also gar kein Unterschied zum bisherigen CI Version 1.0. Auch ist in CI Plus nicht vorgegeben, dass die Alterseinschränkung nicht abschaltbar sein darf. So wie in jetzigen Premiere-Geräten könnte die PIN-Abfrage generell ausgeschaltet werden.
Eine Lösung wäre, die PIN-Eingabe an das CA-System zu koppeln. Die Smartkarte verweigert die Entschlüsselung dann, solange nicht die richtige PIN eingegeben wird. Das wird beispielsweise bei Arena mit dem Cryptoworks-System praktiziert und zeigt, dass die Jugendschutz-Vorgaben schon immer - auch mit jedem CI-Modul der Version 1.0 - eingehalten wurden. Es gibt für herkömmliche CI-Module inzwischen sogar patentierte Lösungen, die weit über bisherige Sicherheitsanforderungen hinausgehen.
Einschränkungen für den Zuschauer
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Geht es eher um Signalschutz?
CI Plus dagegen arbeitet mit einer "Rückverschlüsselung". Das heißt: Der Datenstrom bleibt bis unmittelbar vor dem Bildschirm verschlüsselt, auch wenn er auf der Festplatte liegt. Beim Abspielen wird erneut die PIN abgefragt. Nur CI Plus setze damit die Anforderungen der Rechteinhaber an die Datensicherheit vollständig um, behauptet die CI-Plus-Liga.
CI Plus gibt vor, zu verhindern, dass der (unverschlüsselte) Content an der Schnittstelle zwischen CI-Modul und Receiver von "Piraten" abgegriffen wird. Ein solcher Fall ist jedoch in den letzten 15 Jahren der existierenden DVB-Norm CI Version 1.0 nicht ein einziges Mal bekanntgeworden. Damit scheint die Spezifikation auch mit Blick auf das angestrebte Ziel unverhältnismäßig. Zumal Techniker darauf verweisen, dass es direkt am Bildschirm einen kleinen Stecker gibt, an dem alle Daten "clear", also unverschlüsselt, verfügbar sind. Mit ein wenig Bastelaufwand (und genügend krimineller Energie) könnte auch die CI-Plus-Technik unterlaufen werden. Fernöstliche Zubehör-Bastler könnten schnell einen kleinen Adapter anbieten, der das jedem Laien ermöglicht.
Außerdem wird das identische Programm bei den Privatsendern weiterhin auch analog und in digitaler SDTV-Qualität unverschlüsselt ausgestrahlt und muss damit die Jugendschutz-Auflagen von Free-TV erfüllen.
Nicht wirklich der Jugendschutz, vielmehr der sogenannte "Signalschutz" also dürfte treibende Feder für die Anbieter sein: CI Plus erlaubt den Anbietern die Kontrolle über den Zuschauer. Sender wie RTL, VOX, ProSieben, Sat.1 und Kabel eins können damit bestimmen, wer welche Sendungen überhaupt empfangen darf oder wie lange eine Aufzeichnung "halten" soll, bevor sie "verfällt". Sogar ein sogenanntes "Branding" wäre möglich: Der Sender könnte bestimmen, dass seine Sendungen nur von Geräten ganz bestimmter Hersteller angenommen werden. Für den Zuschauer ergeben sich dadurch ganz klar Einschränkungen, für die TV-Anbieter eventuell neue Geschäftsfelder.
Ausgang offen
Ob die neuen Geschäftsmodelle von
HD Plus mit zusätzlichen TV-Gebühren von den Konsumenten angenommen werden, ist ebenso offen, wie die Frage, ob die Kartellwächter das neue Verfahren noch stoppen. Möglich ist beides.
Auffällig ist, dass die CI-Plus-Befürworter viel dafür tun, das Thema möglichst aus der Öffentlichkeit herauszuhalten. Da werden angeblich schon mal Briefe an andere Unternehmen geschrieben, vorerst lieber "stillzuhalten". Und interne Argumentationshilfen der Gruppe CI Plus LLP werden, so Branchengerüchte, einzeln mit versteckten Codes versehen, um schwarze Schafe ausfindig zu machen, die solche Geheimpapiere weitergeben (etwa an Journalisten). Das alles spricht nicht gerade für eine angemessene Offenheit. Schon gar nicht ist es kundenfreundlich.
Pläne Details zu den HD-Plus-/CI-Plus-Planungen bei ASTRA
Verbraucherschützer lehnen
HD Plus vor allem wegen der zuschauerunfreundlichen Eigenschaften der CI-Plus-Technik ab. Bei der Einführung einer neuen Technik erwarteten Kunden gewöhnlich einen technischen Fortschritt. Die Einführung von
HD Plus beziehungsweise CI Plus berge aber eher die Gefahr einer technischen Entmündigung der Fernsehzuschauer. Deshalb rät Technikexperte Rolf Dahlmann von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, unbedingt die Entwicklung auf dem schnelllebigen Markt abzuwarten und derzeit keinen HD-Sat-Receiver zu kaufen.
Quelle:Monatscd (WISO-Thema)