Der Rechtsstatus von Telefax
Genaugenommen handelt es sich bei Telefax um eine Form der elektronischen Kommunikation, denn nur Bits und Bytes passieren die Leitung. Sowohl das sendende als auch das empfangende Gerät könnten auch Personal Computer via Faxmodem sein. Dies hat erhebliche Konsequenzen auf die Einstufung von Telefax als Dokument: Prinzipiell könnten alle Bestandteile des Fax' manipuliert sein - vom Briefkopf über den Inhalt bis hin zur Unterschrift und auch die Absender-Daten. Abs. 7
Elektronische Erklärungen sind zwar grundsätzlich rechtswirksam, ihr gerichtlicher Beweiswert aber ist von der Fälschungssicherheit des Mediums abhängig. Fehlt dem elektronischen Dokument die Urkundenqualität - wie im Fall Telefax - so wird es beweisrechtlich als Objekt des Augenscheinsfreien richterlichen Würdigung, in die neben der Fälschungssicherheit natürlich auch Kriterien wie das Vorhandensein von Sendeprotokollen oder aber Zeugenaussagen einfließen. bewertet. Es unterliegt damit der Abs. 8
EDV-nahe Juristen fordern regelmäßig eine Änderung des deutschen Beweisrechtes in bezug auf die Anerkennung bestimmter elektronischer Dokumente als Urkundenbeweise. Telefax aber bleibt aus den genannten Gründen davon ausgeklammert. Vor Gericht werden Telefaxe oft nicht als Dokumente anerkannt, ihr Inhalt allenfalls wie ein normaler Brief gewertet. Beispiele: Die Übermittlung einer schriftlichen Bürgschaftserklärung zur Übernahme einer Kreditbürgschaft bei einer Bank z.B. wird per Fax nicht anerkannt. (BGH, IX ZR 259/91). Auch eine Prozeßvollmacht, die per Telefax verschickt wurde, ist nicht ausreichend: Das Original muß vorgelegt werden (Bundesfinanzhof, Az VII R 63/95). Abs. 9
Auch das Vorliegen eines Sendeprotokolls ändert daran nichts: "Der Nachweis eines Zugangs per Telefax kann nicht durch den Beweis des Absendens geführt werden. Das Vorliegen eines Sendeprotokolls begründet keinen Anscheinsbeweis.""Ein Telefax-Sendeprotokoll stellt wegen der Manipulationsmöglichkeiten nur ein Indiz für den Zugang eines Schreibens dar. Bestreitet der Empfänger den Zugang und legt seinerseits ein Protokoll vor, welches das Fax als nicht eingegangen ausweist, so ist das Indiz des Sendeprotokolls entkräftet." (LG Darmstadt, Az. 9 O 170/92 v. 17.12.92) (OLG München, Az. 7 U 5553/92 v. 16.12.92), und: Abs. 10
Diese Sichtweise schließt sich auch der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs im Dezember 1994 an, sein Grundsatzurteil: Das Sendeprotokoll beweist nichts. Es belegt nur die "ordnungsgemäße Absendung der Fernkopie. Defekte im Empfangsgerät, z.B. Papierstau oder Leitungsstörungen können zum Scheitern der Übertragung führen, ohne daß dies im Sendebericht ausgewiesen wird." Ein Experte führt aus: Schließlich könnte am anderen Ende ja auch ein Mitarbeiter die Faxseite entfernt oder "der Hund sie gefressen" haben, ohne daß der gewünschte Empfänger sie je zu Gesicht bekommt. Die Bundesrichter zogen einen Vergleich zur Briefpost: Wer behauptet, einen Brief in einen Kasten gesteckt zu haben, hat damit noch keinen Nachweis über die ordnungsgemäße Zustellung geführt; dies leistet nur ein Einschreiben mit Rückschein. Abs. 11
Wer im Faxverkehr sicher gehen will, sollte sich den Erhalt vom Empfänger schriftlich bestätigen lassen. Liegt keine schriftliche Empfangsbestätigung vor, muß der Absender zusätzlich zum Sendeprotokoll eine eidesstattliche Versicherung der mit dem Versenden beauftragten Person über den ordnungsgemäßen und reibungslosen Ablauf des Versands vorlegen (BGH, X ZB 20/92 v. 17.11.'92). Diese Sichtweise hat sich auch bei z.B. Bürgschaftserklärungen (BGH, IX ZR 259/91 v. 28.01.93) oder fristwahrenden Schriftsätzen über Fax (OLG München, 12 UF 1182/92 v. 10.11.92) durchgesetzt. Schließlich muß auch der Nachweis erbracht werden, daß "organisatorische Maßnahmen" eingesetzt wurden, die nicht nur die "vollständige und fehlerfreie Übertragung des Textes""abschließende Kontrolle der richtigen Empfängernummer" gewährleisten. (BAG, 2 AZR 1020/94 v. 30.03.95, im Anschluß an BayObLG, 1 Z RR 39/94 v. 13.10.94). Der Rückzug auf den Eingabefehler einer Sekretärin beim Anwahlvorgang wird somit erschwert, ein Restrisiko hinsichtlich von Fehlschaltungen der Telekom, die immerhin im Promille-Bereich auftreten, bleibt. sondern auch die Abs. 12
Fristen sollten generell nicht bis zum letztem ausgereizt werden. Das Arbeitsgericht Frankfurt stellte beispielsweise fest, daß von niemandem erwartet werden kann, daß er bis Mitternacht vor seinem Faxgerät sitze, um möglicherweise eingehende Schreiben entgegenzunehmen. Im vorliegenden Fall wollte der Kläger Mängelansprüche an einen Lieferanten am letzten Tag der Ausschlußfrist um 23.29 Uhr per Telefax geltend machen, das Gericht entschied gegen ihn: "Zugegangen ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die außerhalb der normalen Geschäftszeit eingegangen ist, rst mit Beginn der Geschäftszeit am nächsten Tag." (AG Frankfurt a.M., Az. 30 C 3203/92-20 v. 11.03.93). Ergänzend dazu beschließt der Bundesgerichtshof: "Soll mit einem vierseitigen Telefax eine Frist bei Gericht gewahrt werden, so ist diese Frist versäumt, wenn zwar die ersten drei Seiten des Faxes vor 24:00 Uhr eingehen, die letzte Seite aber erst nach Mitternacht auf dem Empfangsgerät ausgedruckt wird." (BGH, XII ZB 21/94) Abs. 13
(Es muß die Frage erlaubt sein, wie solche Fälle behandelt werden, in denen auf Empfängerseite abends im Faxmodem empfangen und im PC gespeichert und evtl. erst am nächsten Tag oder gar nicht ausgedruckt wird ...?) Abs. 14
Andererseits können Telefaxe durchaus beweiskräftig sein, wie folgender Fall belegt: Das Bayerische Oberste Landgericht verurteilte am 23. Februar 1995 einen Angeklagten wegen Meineid und versuchtem Betrug zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten, nachdem dieser eine falsche eidesstattliche Versicherung per Telefax an das Gericht übermittelt hatte - obwohl das Original nicht per Post nachgesandt wurde. (BOLG, 5St RR 79/94) Abs. 15
Ebenso kann eine Kündigung rechtskräftig per Fax erfolgen. Der gekündigte Arbeitnehmer kann sich nicht darauf berufen, er habe die Kündigung nicht ordnungsgemäß empfangen, wenn er z.B. bewußt den Papierspeicher des Geräts nicht nachfüllt und deshalb der Ausdruck der Kündigungserklärung unterbleibt (LAG Hamm, 18Sa145/92, in ZIP 1993, Seite 1109). Abs. 16
Interessant auch die Variante, in der man selber zum Absender einer Fax-Nachricht wird, ohne davon zu wissen. Opfer wurden in der Vergangenheit vor allem die Kunden von Katalog- und Bestellservices. Unbekannte Gönner sorgten für umfangreiche Bestellungen im Namen des Betroffenen oder antworteten auf diverse Anzeigen und Inserate - per Fax, so daß der ahnungslose Faxbesitzer sich einem ganzen Wust von Lieferungen und Offerten gegenüber sah. Nach § 433 des BGB kann ein Kaufvertrag sowohl schriftlich als auch mündlich zustande kommen, also auch über Fax. Sieht sich ein "Käufer" plötzlich mit einer Ware konfrontiert, die er nicht selber bestellt hat, liegt die Beweislast trotzdem bei ihm. Vor allem, wenn der Auftragseingang der Lieferfirma per Fax vorliegt. Im Falle einer handschriftlichen Bestellung kann vor Gericht evtl. ein Graphologe Entlastung bringen, beim Form-Fax ist die Situation schwieriger: Der unfreiwillige Käufer ist schließlich auf die Kulanz der Firma angewiesen, die Bestellung zu stornieren und die Ware zurückzunehmen, wenn es nicht zu langwierigen Gerichtsverhandlungen kommen soll. Wirklich problematisch wird die Sache, wenn die Ware gar nicht zurückgeschickt werden kann, weil ein unbekannter Dritter diese an Empfängers statt entgegengenommen hatte ... Abs. 17
Fazit: Grundsätzlich wird ein Fax vor Gericht wie ein normaler Brief bewertet. Das Sendeprotokoll allein hat nicht die rechtliche Wirkung, wie z.B. der Rückschein eines Einschreibens. In jedem Fall werfen die technischen Schwachstellen des Faxverkehrs und seine Manipulierbarkeit weitere klärungsbedürftige rechtliche Fragen auf, besonders in solchen Fällen, in denen Dritte zu Schaden kommen.