Die Europäische Union will die Digitalisierung nachhaltiger gestalten und für mehr Reparierbarkeit sorgen. Dem Runden Tisch Reparatur geht das nicht weit genug.
Während EU-Mitgliedstaaten über neue Bewertungskriterien für die Reparierbarkeit von Smartphones und Tablets beraten, weisen Experten daraufhin, dass der Preis von Ersatzteilen dabei keine Rolle spielen soll. Dabei würden hohe Ersatzteilkosten derzeit häufig eine Reparatur verhindern, betont der "Runde Tisch Reparatur". In der Organisation engagieren sich unter anderem Handwerksbetriebe und Verbraucherschützer für ein Recht auf Reparatur.
Die neuen Vorgaben für das Ökodesign von mobilen Endgeräten erfolgen im Rahmen des EU-Aktionsplans für die Kreislaufwirtschaft. Dazu hat die EU-Kommission im August einen Entwurf auf Grundlage der Ökodesign-Richtlinie vorgestellt. Vorbild ist ein Reparierbarkeitsindex, der bereits in Frankreich eingeführt wurde.
Vorbild Frankreich
Für den französischen Index wird auch der Preis für Ersatzteile berücksichtigt, in den EU-Beratungen spielt das bisher keine Rolle. "Es besteht die große Gefahr, dass Geräte fälschlicherweise als sehr gut reparierbar eingestuft werden, deren Reparatur sich aufgrund hoher Ersatzteilpreise nicht lohnt", erklärte die Koordinatorin des Runden Tisch Reparatur, Katrin Meyer.
Der Zugang zu erschwinglichen Ersatzteilen sowie zu Ersatzteilen aus Altgeräten ist für die Reparaturbetriebe ebenso wichtig wie technische Informationen und Diagnosesoftware. Außerdem sollten vom Hersteller unabhängige Reparaturwerkstätten nicht schlechter gestellt werden. Von den Herstellern fordert der Runde Tisch ein reparaturfreundliches Produktdesign.
Software spielt eine große Rolle
In einem in dieser Woche vorgestellten Papier weist der Runde Tisch Reparatur auch auf die Rolle funktionierender Software hin. Laut einer Umfrage des Eurobarometers von 2020 wird ein Neukauf wird zu 43 Prozent durch Hardware-, und zu 29 Prozent durch Software-Probleme ausgelöst. Aber auch die Erwartungen an Performanz und Funktion spielen eine wichtige Rolle. In der Folge werden mehr als 50 Prozent der digitalen Geräte ohne Defekt gegen ein neues Gerät ausgetauscht.
Vor dem Hintergrund der zunehmenden Vernetzung von Alltagsgeräten sehen die Experten des Runden Tischs einen Trend zur Obsoleszenz durch Software – von der Uhr, dem Thermostat, dem Preisetikett bis hin zum Toaster. Solche Geräte seien ohne Netz nur teilweise oder gar nicht mehr funktionsfähig. So wie der Fernseher, der ohne ein funktionierendes Netflix für manche Nutzer seine Hauptfunktion verlieren könnte, sagt Nachhaltigkeitsexperte Erik Poppe von der TU Berlin.
Die Ampelkoalition will Hersteller dazu verpflichten, Software-Updates für einen Mindestzeitraum zur Verfügung zu stellen. Der Runde Tisch Reparatur fordert, dass das jedoch nicht auf die bisher "übliche Nutzungszeit" beziehen dürfe. Die Bundesregierung solle sich im Rahmen der EU-Ökodesign- und der EU-Warenkaufrichtlinie dafür einsetzen, dass Hersteller die Verfügbarkeit von Sicherheitsupdates für mindestens zehn Jahre nach Inverkehrbringen des letzten Geräts eines Modells kostenlos gewährleisten müssen.
Außerdem sollten Nutzer Updates deinstallieren können. Sicherheits- und funktionale Updates sollten erkennbar voneinander getrennt sein. Nutzer sollen außerdem ein Recht auf die Installation des Betriebssystems ihrer Wahl haben. Nach Support-Ende müsse der Quellcode unter einer freien Softwarelizenz offengelegt werden.
Tücken der Serialisierung
Auch die Serialisierung von Ersatzteilen erschwere die Reparatur, kritisiert der Runde Tisch. Ein Ersatzteil mit Seriennummer, das bei einer Reparatur ausgetauscht wird, werde unter Umständen von der Software des Geräts nicht mehr akzeptiert und könne nur vom Hersteller freigeschaltet werden. 2020 hätten neun Teile des iPhones eine Seriennummer gehabt, sodass sie ohne Funktionsverlust nur vom Hersteller selbst getauscht werden konnten.
"Je neuer das Modell, desto größer die Probleme", sagte Reparaturprofi Steffen Vangerow. Er sieht darin ein Machtspiel von Apple "ohne Sinn und Verstand". Auch andere Hersteller würden sich zunehmend an diesen Praktiken orientieren. Beim neuesten Thermomix Modell TM6 etwa sei es ohne Zugriff auf die proprietäre Autorisierungssoftware nicht möglich, die Steuerelektronik, Leistungselektronik, Batterie, Display und das WLAN-Modul zu tauschen.
Der Runde Tisch Reparatur fordert daher, das softwareseitige Verhindern von Reparatur durch den Hersteller zu verbieten, um einen unabhängigen Reparaturmarkt zu ermöglichen. Außerdem sollen Nutzer ein Teil tauschen können, ohne über eine Software die Genehmigung des Herstellers einholen zu müssen. Hersteller sollen zudem einen kostenlosen Zugriff auf Software- und Hardware-Reparaturwerkzeuge gewährleisten. Aktuell sind dazu keine politischen Initiativen geplant.
Plattform-Ökonomie regulieren
Der Runde Tisch Reparatur stellt überdies einen unfairen Wettbewerb in der Plattform-Ökonomie fest. So werden kurzlebige, schadstoffbelastete Produkte auf Online-Marktplätzen zu sehr günstigen Preisen angeboten. Der Runde Tisch fordert, die digitalen Plattformen mit marktbeherrschender Stellung stärker zu regulieren. Das Bundeskartellamt müsse eine strengere Kontrolle und damit einen fairen Reparaturmarkt sicherstellen.
Aktuell gibt es im europäischen Digital Market Act noch keine Vorgabe, die die Aufnahme von Refurbishment-, Verleih- oder Reparaturangebote in den großen Online-Marktplätzen befördern würde. Der Ungleichverhältnis zwischen Herstellern und Gewerbetreibenden würde im Moment noch nicht aufgehoben.
Die Politik kann die Potenziale von Software- und Datenlösungen für Reparierende fördern. Sie kann etwa dafür sorgen, dass die für eine Reparatur notwendige Software und Daten zugänglich sind. Dazu gehört der Zugang zu proprietärer Diagnosesoftware und reparaturrelevanten Produktinformationen sowie zu Software-Tools, die den Austausch von Teilen unterstützen.
Die EU-Kommission plant außerdem die Einführung eines digitalen Produktpasses. Hier könnten zum einen reparaturrelevante Informationen wie Anleitungen, Konstruktionspläne, 3D-Modelle oder Infos über die Verfügbarkeit von Ersatzteilen vom Hersteller bereitgestellt werden. Der Runde Tisch Reparatur fordert hier, an der Umsetzung des digitalen Produktpasses beteiligt zu werden, damit die Herstelle möglichst umfangreiche Informationen in dem Pass bereitstellen müssen.
Quelle; heise
Du musst Regestriert sein, um das angehängte Bild zusehen.
Während EU-Mitgliedstaaten über neue Bewertungskriterien für die Reparierbarkeit von Smartphones und Tablets beraten, weisen Experten daraufhin, dass der Preis von Ersatzteilen dabei keine Rolle spielen soll. Dabei würden hohe Ersatzteilkosten derzeit häufig eine Reparatur verhindern, betont der "Runde Tisch Reparatur". In der Organisation engagieren sich unter anderem Handwerksbetriebe und Verbraucherschützer für ein Recht auf Reparatur.
Die neuen Vorgaben für das Ökodesign von mobilen Endgeräten erfolgen im Rahmen des EU-Aktionsplans für die Kreislaufwirtschaft. Dazu hat die EU-Kommission im August einen Entwurf auf Grundlage der Ökodesign-Richtlinie vorgestellt. Vorbild ist ein Reparierbarkeitsindex, der bereits in Frankreich eingeführt wurde.
Vorbild Frankreich
Für den französischen Index wird auch der Preis für Ersatzteile berücksichtigt, in den EU-Beratungen spielt das bisher keine Rolle. "Es besteht die große Gefahr, dass Geräte fälschlicherweise als sehr gut reparierbar eingestuft werden, deren Reparatur sich aufgrund hoher Ersatzteilpreise nicht lohnt", erklärte die Koordinatorin des Runden Tisch Reparatur, Katrin Meyer.
Der Zugang zu erschwinglichen Ersatzteilen sowie zu Ersatzteilen aus Altgeräten ist für die Reparaturbetriebe ebenso wichtig wie technische Informationen und Diagnosesoftware. Außerdem sollten vom Hersteller unabhängige Reparaturwerkstätten nicht schlechter gestellt werden. Von den Herstellern fordert der Runde Tisch ein reparaturfreundliches Produktdesign.
Software spielt eine große Rolle
In einem in dieser Woche vorgestellten Papier weist der Runde Tisch Reparatur auch auf die Rolle funktionierender Software hin. Laut einer Umfrage des Eurobarometers von 2020 wird ein Neukauf wird zu 43 Prozent durch Hardware-, und zu 29 Prozent durch Software-Probleme ausgelöst. Aber auch die Erwartungen an Performanz und Funktion spielen eine wichtige Rolle. In der Folge werden mehr als 50 Prozent der digitalen Geräte ohne Defekt gegen ein neues Gerät ausgetauscht.
Vor dem Hintergrund der zunehmenden Vernetzung von Alltagsgeräten sehen die Experten des Runden Tischs einen Trend zur Obsoleszenz durch Software – von der Uhr, dem Thermostat, dem Preisetikett bis hin zum Toaster. Solche Geräte seien ohne Netz nur teilweise oder gar nicht mehr funktionsfähig. So wie der Fernseher, der ohne ein funktionierendes Netflix für manche Nutzer seine Hauptfunktion verlieren könnte, sagt Nachhaltigkeitsexperte Erik Poppe von der TU Berlin.
Die Ampelkoalition will Hersteller dazu verpflichten, Software-Updates für einen Mindestzeitraum zur Verfügung zu stellen. Der Runde Tisch Reparatur fordert, dass das jedoch nicht auf die bisher "übliche Nutzungszeit" beziehen dürfe. Die Bundesregierung solle sich im Rahmen der EU-Ökodesign- und der EU-Warenkaufrichtlinie dafür einsetzen, dass Hersteller die Verfügbarkeit von Sicherheitsupdates für mindestens zehn Jahre nach Inverkehrbringen des letzten Geräts eines Modells kostenlos gewährleisten müssen.
Außerdem sollten Nutzer Updates deinstallieren können. Sicherheits- und funktionale Updates sollten erkennbar voneinander getrennt sein. Nutzer sollen außerdem ein Recht auf die Installation des Betriebssystems ihrer Wahl haben. Nach Support-Ende müsse der Quellcode unter einer freien Softwarelizenz offengelegt werden.
Tücken der Serialisierung
Auch die Serialisierung von Ersatzteilen erschwere die Reparatur, kritisiert der Runde Tisch. Ein Ersatzteil mit Seriennummer, das bei einer Reparatur ausgetauscht wird, werde unter Umständen von der Software des Geräts nicht mehr akzeptiert und könne nur vom Hersteller freigeschaltet werden. 2020 hätten neun Teile des iPhones eine Seriennummer gehabt, sodass sie ohne Funktionsverlust nur vom Hersteller selbst getauscht werden konnten.
"Je neuer das Modell, desto größer die Probleme", sagte Reparaturprofi Steffen Vangerow. Er sieht darin ein Machtspiel von Apple "ohne Sinn und Verstand". Auch andere Hersteller würden sich zunehmend an diesen Praktiken orientieren. Beim neuesten Thermomix Modell TM6 etwa sei es ohne Zugriff auf die proprietäre Autorisierungssoftware nicht möglich, die Steuerelektronik, Leistungselektronik, Batterie, Display und das WLAN-Modul zu tauschen.
Der Runde Tisch Reparatur fordert daher, das softwareseitige Verhindern von Reparatur durch den Hersteller zu verbieten, um einen unabhängigen Reparaturmarkt zu ermöglichen. Außerdem sollen Nutzer ein Teil tauschen können, ohne über eine Software die Genehmigung des Herstellers einholen zu müssen. Hersteller sollen zudem einen kostenlosen Zugriff auf Software- und Hardware-Reparaturwerkzeuge gewährleisten. Aktuell sind dazu keine politischen Initiativen geplant.
Plattform-Ökonomie regulieren
Der Runde Tisch Reparatur stellt überdies einen unfairen Wettbewerb in der Plattform-Ökonomie fest. So werden kurzlebige, schadstoffbelastete Produkte auf Online-Marktplätzen zu sehr günstigen Preisen angeboten. Der Runde Tisch fordert, die digitalen Plattformen mit marktbeherrschender Stellung stärker zu regulieren. Das Bundeskartellamt müsse eine strengere Kontrolle und damit einen fairen Reparaturmarkt sicherstellen.
Aktuell gibt es im europäischen Digital Market Act noch keine Vorgabe, die die Aufnahme von Refurbishment-, Verleih- oder Reparaturangebote in den großen Online-Marktplätzen befördern würde. Der Ungleichverhältnis zwischen Herstellern und Gewerbetreibenden würde im Moment noch nicht aufgehoben.
Die Politik kann die Potenziale von Software- und Datenlösungen für Reparierende fördern. Sie kann etwa dafür sorgen, dass die für eine Reparatur notwendige Software und Daten zugänglich sind. Dazu gehört der Zugang zu proprietärer Diagnosesoftware und reparaturrelevanten Produktinformationen sowie zu Software-Tools, die den Austausch von Teilen unterstützen.
Die EU-Kommission plant außerdem die Einführung eines digitalen Produktpasses. Hier könnten zum einen reparaturrelevante Informationen wie Anleitungen, Konstruktionspläne, 3D-Modelle oder Infos über die Verfügbarkeit von Ersatzteilen vom Hersteller bereitgestellt werden. Der Runde Tisch Reparatur fordert hier, an der Umsetzung des digitalen Produktpasses beteiligt zu werden, damit die Herstelle möglichst umfangreiche Informationen in dem Pass bereitstellen müssen.
Quelle; heise