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IPTV Netflix-Chefs im Interview: "Eigentlich sind wir noch ziemlich klein"

Netflix-Chefs im Interview: "Eigentlich sind wir noch ziemlich klein"

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Netflix ist auf globalem Expansionskurs. Doch wie nachhaltig ist die Strategie des Internet-TV-Pioniers? CEO Reed Hastings und Programmchef Ted Sarandos über neue Talente und verfehlte Prognosen.

Zum Unternehmen
Seit Januar 2016 ist Netflix in 190 Ländern vertreten. Damit hat die Streamingplattform, die 1997 im kalifornischen Los Gatos gegründet wurde und mit dem Versand von DVDs begann, das größte Wachstum ihrer Geschichte vorgelegt. Die aktuellen Abonnentenzahlen liegen bei 81 Millionen weltweit, davon fallen 46 Millionen allein auf die USA ab. Aktuelle Prognosen, dass man im kommenden Quartal nur zwei Millionen neue Abonnenten außerhalb der USA gewinnen werde, haben jedoch zu einem Absturz der Netflix-Aktie geführt.

Programmchef haben Sie vor kurzem verkündet, dass Netflix in diesem Jahr 600 Stunden Exklusivinhalte produzieren wird - ein massiver Anstieg im Vergleich zu 2015, wo es noch 450 Stunden waren. Werden Sie das Produktionsvolumen 2017 halten?

Sarandos: Wir könnten unter keinen Umständen weniger produzieren. Mit unseren Exklusivinhalten erzielen wir die meiste Aufmerksamkeit. Außerdem ist es für uns die einfachste und nachhaltigste Weise, einen attraktiven Katalog aufzubauen. Da wir mittlerweile in 190 Ländern vertreten sind, ist das Managen der verschiedenen Lizenzen äußerst komplex. Bei Exklusivinhalten müssen wir uns darum keinen Kopf machen.

Hastings: Aber bedenken Sie: Wir haben sechs Milliarden Dollar in diesem Jahr für Inhalte ausgegeben - global. Das ZDF hat in derselben Zeit acht Milliarden Euro ausgegeben - national. Eigentlich sind wir also noch ziemlich klein.

SPIEGEL ONLINE: Bei der großen Programmpräsentation vergangene Woche in Paris haben Sie Ihre ersten deutschen, französischen und spanischen Serienprojekte vorgestellt. Welche Rolle werden US-Produktionen in Zukunft noch spielen?

Sarandos: Sie werden immer der Kern unserer Marke bleiben, schließlich haben wir die meisten Abonnenten in den USA. Aber diese Inhalte funktionieren international auch extrem gut. "Fuller House" ist zum Beispiel wahnsinnig beliebt in Japan. Die ursprüngliche Serie lief dort auf dem öffentlich-rechtlichen Kanal KTV und wurde von vielen Japanern dafür genutzt haben, um Englisch zu lernen. Wir betrachten Produktionen also nicht aus rein nationaler Perspektive.

SPIEGEL ONLINE: Mit wenigen Ausnahmen sind die meisten Ihrer kreativen Aushängeschilder zunächst woanders berühmt geworden, bevor sie angefangen haben, für Netflix zu arbeiten. Das zeigen nicht zuletzt Ihre Neuauflagen von Serien wie "Full House" oder "Gilmore Girls". Inwieweit ist Netflix davon abhängig, dass andere Sender neue Talente entdecken und aufbauen?

Sarandos: Ich habe vor Kurzem den Film "Der Marsianer" gesehen und gedacht: Da sind so viele Leute drin, die durch unsere Serien bekannt geworden sind - Kate Mara zum Beispiel, die ihren Durchbruch mit "House of Cards" hatte, oder Benedict Wong, der Kublai Khan in "Marco Polo" spielt. Es ist also nicht so, dass wir keine neuen Stars aufbauen. In Ländern wie Japan oder Brasilien haben wir etliche neue Serien mit neuen Talenten geschaffen. Und auch in den USA werden wir bald viele neue Serien mit Leuten machen, die zuvor noch gar keine Serien gedreht haben.

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Kultserie "Gilmore Girls": Neuauflage 2016 bei Netflix

Hastings: Talente aufzubauen heißt für uns auch, mit den Kreativen weiterzuarbeiten, die wir bereits für uns gewinnen konnten. David Fincher würde zum Beispiel nicht eine neue Serie mit uns machen, wenn er nicht das Gefühl hätte, dass wir die beste Plattform für das Projekt wären.

SPIEGEL ONLINE: Ist Fincher nicht eher zu Ihnen zurückgekehrt, weil Sie - wie so häufig - einfach am meisten Geld geboten haben? Zunächst hatte er ja zusammen mit Gillian Flynn seine neueste Serie für HBO entwickelt. Diese haben sie ihm dem Vernehmen nach wegen Uneinigkeit übers Budget wieder abgesagt.

Hastings: Unser Arbeitsverhältnis mit Fincher beruht auf mehr als nur Geld.

SPIEGEL ONLINE: Lassen Sie uns auf wirtschaftliche Nachhaltigkeit zu sprechen kommen. Bei der Programmpräsentation in Paris haben Sie ein Bild von der Zukunft des Fernsehens als Internetfernsehen gezeichnet - mit Netflix als einem der Pioniere im Mittelpunkt. Was glauben Sie: Welche Akteure werden in zehn Jahren im Geschäft sein?

Hastings: Wir und Hulu und Amazon haben sicherlich einen sehr guten Stand, aber die Dinge verändern sich so schnell, dass ich keine Vorhersagen machen möchte. Jeder will zurzeit Inhalteanbieter werden, eine App entwickeln. Und da die Technik so einfach verfügbar und günstig ist, braucht man nur ein paar hundert Dollar, um seine Inhalte im Netz anzubieten. Mit dem sich stets weiterentwickelten "long tail" der Plattformen haben wir in zehn Jahren womöglich Hunderte von Anbietern.

SPIEGEL ONLINE: Viele Kritiker würden sagen, dass wir keinen Anstieg bei den Anbietern erleben, sondern vielmehr einen Konzentrationsprozess, in dessen Zuge Monopolisten entstehen wie Facebook, Google - oder eben Netflix.

Hastings: Ich bin mir nicht so sicher, was Monopole betrifft: Ich sitze im Vorstand von Facebook. Das Wachstum, das wir innerhalb des Unternehmens bei Snapchat erleben, ist einfach nur verblüffend. Eine neue, überzeugende Idee setzt sich immer durch.

SPIEGEL ONLINE: Aber der "long tail" ist doch mittlerweile zum Internet-Mythos geworden, oder?

Sarandos: Es stimmt schon, Plattformen mit nur ein oder zwei Serien werden es schwer haben. Wenn du 50 Cent für dein Angebot veranschlagst, musst du schon jede Menge Abonnenten haben, um dich über Wasser halten zu können.

SPIEGEL ONLINE: Herr Hastings, die Abonnentenzahlen im letzten Quartal 2015 geben ein komplexes Bild ab. Während die Zahl der Abos in den USA stagnieren, boomt das internationale Geschäft...

Hastings: ...Wir stagnieren in den USA nicht. Wir haben im letzten Quartal 2015 1,59 Millionen neue Abonnenten hinzugewonnen und im ersten Quartal 2016 2,23 Millionen.

SPIEGEL ONLINE: Ihre Vorhersagen für das letzte Quartal 2015 haben Sie aber nicht einhalten können.

Hastings: Weil unsere Vorhersagen immer sehr ehrgeizig sind. Das passiert nun mal ab und zu. Das Wichtigste ist doch: In jedem der vergangenen fünf Jahre haben wir in den USA fünf Millionen neue Abonnenten gewonnen.

SPIEGEL ONLINE: Dann lassen Sie uns rein hypothetisch sprechen: Was würden passieren, wenn Netflix bei der aktuellen Abonnentenzahl stehen bleiben würde? Könnten Sie die aktuellen Abo-Preise aufrechterhalten?

Hastings: Ich muss mich wiederholen: Es gibt kein Szenario, in dem wir nicht weiter in den USA wachsen werden.

SPIEGEL ONLINE: In den USA steht aber eine Erhöhung der Abo-Preise an. Deshalb kam ich überhaupt erst darauf, mit Ihnen über Nachhaltigkeit zu sprechen.

Hastings: Es steht keine Preiserhöhung an. Sie können immer noch das Basispaket für 7,99 Dollar im Monat bekommen, das ist derselbe Preis seit Mai 2014. Was wir gemacht haben, ist Folgendes: Wir lassen die Rabatte bei bestehenden HD-Abos auslaufen und gleichen die Preise an.

SPIEGEL ONLINE: Was bedeutet, dass der Preis für ein HD-Abo ab Mai von 7,99 auf 9,99 Dollar steigt. Für mich klingt das nach einer Preiserhöhung. Aber vielleicht sollten wir uns nicht auf das US-Geschäft konzentrieren - schließlich sind Sie im Januar in 130 Ländern zusätzlich gestartet. Wie wird die internationale Expansion Netflix als Unternehmen verändern?

Sarandos: Tatsächlich machen traditionelle Unternehmen in den USA in der Regel 70 Prozent ihrer Geschäfte im heimischen Markt und 30 Prozent im internationalen Markt. Bei Internet-Unternehmen ist das Verhältnis eher 20 Prozent heimisch zu 80 Prozent international. Dahin tendieren auch wir, nicht zuletzt dank unserer europäischen Zentrale in Amsterdam, die weiterhin wächst. Diese Art von Wachstum werden wir sicherlich noch mehr erleben. Noch ist es aber zu früh, um zu sagen, wie sie das Unternehmen verändern wird.

Hastings: Unsere globale Expansion ist vergleichsweise neu, da befinden wir uns noch mitten in einem intensiven Lernprozess. Es gibt so viele Erfahrungen, die wir gerade sammeln - was funktioniert und wo wir nachjustieren müssen.

SPIEGEL ONLINE: Was wäre ein Beispiel dafür, was Sie als Erfahrung aus der Expansion gewonnen haben?

Hastings: In Deutschland mussten wir zum Beispiel feststellen, dass es uns nicht so viel wie erwartet bringt, wenn wir im linearen TV für unser Angebot werben. Nun haben wir unsere Werbung ins Internet verlagert, was deutlich besser funktioniert.

Sarandos: Dieser Prozess der Re-Evaluierung ist bei uns schon seit Langem fester Bestandteil. Wir haben ja schon 2005 das erste Mal eigene Inhalte angeboten. Damals hatten wir aber nur fünf Millionen Abos - für per Post verschickte DVDs. Wir waren einfach nicht groß genug, deshalb haben wir wieder aufgehört, eigene Inhalte zu produzieren. Erst als wir 25 Millionen Abonnenten hatten, ergab es endlich wirtschaftlich Sinn. Mein Gott, ich wünschte, wir wären damals etwas geduldiger gewesen und hätten mit der Veröffentlichung unserer Eigenproduktionen gewartet, bis wir die 25-Millionen-Marke erreicht hatten. Dann hätten wir wirklich viel Geld gespart.

SPIEGEL ONLINE: 2009 hat Netflix einen sogenannten Culture Code, eine Art Unternehmensphilosophie, veröffentlicht. Darin heißt es: "Wir sind eine Mannschaft und nicht eine Familie. Wir sind wie eine Profisportmannschaft und nicht wie eine Kinderfreizeitmannschaft. Netflix' Führungskräfte stellen ein, bauen auf und kürzen auf intelligente Weise, sodass wir auf jeder Position Stars haben." Ist das noch das Motto von Netflix 2016?

Sarandos: Wir wollen auf keinen Fall Familien abwerten, aber als globale Marke und als global agierendes Unternehmen können wir unsere Ziele gar nicht anders erreichen, als mit den besten Leuten zu arbeiten, die vollen Einsatz bringen.

Quelle: spiegel.de
 
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