Natürlich sind das viel zu viele Serien, um alle zu schaffen - niemand kann das alles schauen: 2022 sind 599 neue und fortgesetzte englischsprachige Serien in den USA veröffentlicht worden. Im Jahr davor waren es 559, wie die jährliche Zählung der Fernsehforscher von FX Research aus dem Hause Walt Disney ergab, die die Produktionen bei Streaming-, Kabel- und Rundfunkanstalten der Vereinigten Staaten erfasst.
FX-Chef John Landgraf sagte am Donnerstag laut Berichten von Branchenblättern wie „Variety“ und „Hollywood Reporter“ jedoch auch, die Produktion fiktiver Serien habe sich in der zweiten Jahreshälfte 2022 enorm verlangsamt. Dies könne ein Zeichen dafür sein, dass der Höhepunkt des Serien-Hypes erreicht sei, der Gipfel überschritten.
Kurz: Von nun an geht's bergab. „Das goldene Zeitalter des Streamings verblasst plötzlich“, meinte die „New York Times“ schon im Dezember.
In den USA ist seit Jahren von den fetten Jahren des Fernsehens die Rede, was auch „Peak TV“ genannt wird. Die Gesamtzahl der fiktiven Drehbuchserien („Original Scripted Series“) hat sich laut FX Research seit 2012 mehr als verdoppelt. Damals gab es 288 geskriptete Serien, davon nur 15 von Streamingdiensten, deren Boom dann ab 2013 mit dem Netflix-Hit „House of Cards“ begann.
Mit „Peak TV“ sind also die letzten zehn Jahre gemeint, die von einer großen Zahl sogenannter High-End-Serien geprägt waren, also hochwertigen, neuartig erzählten, weltweit erfolgreichen Produktionen, die die globale Unterhaltungskultur prägten.
Tonangebend war bei alledem Netflix (nach eigenen Angaben „mit 223 Millionen zahlenden Mitgliedern in über 190 Ländern der größte Streaming-Entertainment-Dienst weltweit“). Seit dem Aufkommen von Disney+, Apple TV+ und weiteren Anbietern reden US-Medienexperten gern martialisch von einem „Streaming-Krieg“, der derzeit tobe.
In dieser Schlacht sorgte dieser Tage zum Beispiel das unvermittelte Ende von „1899“ für Aufsehen. Die neue Netflix-Serie der „Dark“-Macher Baran bo Odar und Jantje Friese aus Deutschland war eigentlich auf Fortsetzung angelegt. Nun aber werden bei der Serie über ein rätselhaftes Immigrantenschiff viele Fragen offen bleiben - nach nur einer Staffel (statt geplanten drei Staffeln). Für Millionen Fans, die fast sieben Stunden Lebenszeit für die ersten acht Folgen investierten, ist das eine herbe Enttäuschung.
Doch Netflix präsentiert eine neue Härte: Was nicht erfolgreich genug ist, wird abgesetzt. Was genau Netflix aber als „Erfolg“ sieht, ist bei dem spärlich kommunizierenden Streamingdienst unklar. Klar ist nur, dass der Konzern wohl intern eine Menge Daten über die Nutzung seiner Inhalte erhebt - etwa, wie viele Menschen eine Serie komplett anschauen oder wo sie aussteigen.
Bis 2022 schien für Netflix vor allem das Wachstum der Abo-Zahlen wichtig zu sein. Jetzt wird mehr auf Rentabilität geachtet. Um Geld zu verdienen, wird auch gegen die Mehrfachnutzung von Kundenkonten durch das Teilen von Passwörtern vorgegangen oder ein Abo-Modell mit Werbung eingeführt, obwohl es jahrelang gerade der Unterschied zum klassischen Fernsehen war, werbefrei zu sein.
Beim unter anderem in Potsdam-Babelsberg gedrehten „1899“, der bisher teuersten deutschen Serienproduktion überhaupt, waren wohl auch die Abruf-Erwartungen bei Netflix enorm hoch wegen der hohen Kosten für Computertechnik und Sets - sie blieben offensichtlich unerfüllt.
Der Drehbuch-Professor Timo Gößler von der Filmuniversität Babelsberg sagt, nach den Boom-Jahren sei jetzt eine deutliche Zurückhaltung zu spüren, vor allem bei finanziell aufwendigen Projekten oder sehr gewagten Ideen. „Wirklich überraschend kommt das nicht - es war allen klar, dass das nicht ewig so weitergeht.“
Die spannende Frage sei jetzt, was die innerhalb weniger Jahre enorm gewandelte TV-Industrie daraus mache. „Die Branche muss jetzt alles dafür tun, den Weg der Vielfalt an Serien, Genres, Figuren, ambitionierten Ansätzen und spannenden neuen Stimmen und Perspektiven weiter zu beschreiten, der erst durch den Boom entstand.“
Es gehe um ein neues Bewusstsein für Qualität im Erzählen, sagt Spezialist Gößler („Der German Room - Der US-Writers'-Room in der deutschen Serienentwicklung“). „Es mag naiv sein, aber meine Hoffnung ist, dass sich bei dem Weniger, was jetzt hergestellt werden wird, Qualität durchsetzt.“ Er sehe da auch eine Chance gerade für öffentlich-rechtliche Anbieter, sagt Gößler. Deren finanzielle Situation sei - noch - deutlich unabhängiger von der wirtschaftlichen Lage des globalen Marktes als bei den privatwirtschaftlichen Playern.
Das Trend- und Mode-Magazin „WWD“ orakelte schon übers Jahr 2023: „Dieses Jahr könnte das Ende der Netflix-isierung dessen markieren, was wir früher Fernsehen nannten.“ Die Wall Street stehe nicht mehr im Bann eines potenziellen Streaming-Goldrauschs, Inflation und Rezession zögen auf, die Medienindustrie werde damit leben müssen.
Schlimm ist das laut „WWD“ nicht wirklich, denn es habe einen irrationalen Überschwang bei den Inhalte-Anbietern gegeben, da sie mit Abonnentengeldern überflutet gewesen seien. Der digitale Schlund sei mit viel Zeug gefüttert worden. „Aufwendige Entwicklungsverträge regneten auf zuverlässige Erfolgsmacher (Shonda Rhimes, Ryan Murphy) nieder, aber auch auf Menschen, die noch nie ein Entwicklungstreffen von innen gesehen hatten (die Obamas, Harry und Meghan).“
Die „Los Angeles Times“ erinnert zudem daran, dass die Überproduktion der letzten Jahre auch eine gewisse „Unauffindbarkeit“ habe entstehen lassen: „Viel von dem, was produziert wird, geht im grenzenlosen Raum der sich ständig drehenden Karussells der Streamingdienste verloren.“
Quelle; INFOSAT
Du musst Regestriert sein, um das angehängte Bild zusehen.
FX-Chef John Landgraf sagte am Donnerstag laut Berichten von Branchenblättern wie „Variety“ und „Hollywood Reporter“ jedoch auch, die Produktion fiktiver Serien habe sich in der zweiten Jahreshälfte 2022 enorm verlangsamt. Dies könne ein Zeichen dafür sein, dass der Höhepunkt des Serien-Hypes erreicht sei, der Gipfel überschritten.
Kurz: Von nun an geht's bergab. „Das goldene Zeitalter des Streamings verblasst plötzlich“, meinte die „New York Times“ schon im Dezember.
In den USA ist seit Jahren von den fetten Jahren des Fernsehens die Rede, was auch „Peak TV“ genannt wird. Die Gesamtzahl der fiktiven Drehbuchserien („Original Scripted Series“) hat sich laut FX Research seit 2012 mehr als verdoppelt. Damals gab es 288 geskriptete Serien, davon nur 15 von Streamingdiensten, deren Boom dann ab 2013 mit dem Netflix-Hit „House of Cards“ begann.
Mit „Peak TV“ sind also die letzten zehn Jahre gemeint, die von einer großen Zahl sogenannter High-End-Serien geprägt waren, also hochwertigen, neuartig erzählten, weltweit erfolgreichen Produktionen, die die globale Unterhaltungskultur prägten.
Tonangebend war bei alledem Netflix (nach eigenen Angaben „mit 223 Millionen zahlenden Mitgliedern in über 190 Ländern der größte Streaming-Entertainment-Dienst weltweit“). Seit dem Aufkommen von Disney+, Apple TV+ und weiteren Anbietern reden US-Medienexperten gern martialisch von einem „Streaming-Krieg“, der derzeit tobe.
In dieser Schlacht sorgte dieser Tage zum Beispiel das unvermittelte Ende von „1899“ für Aufsehen. Die neue Netflix-Serie der „Dark“-Macher Baran bo Odar und Jantje Friese aus Deutschland war eigentlich auf Fortsetzung angelegt. Nun aber werden bei der Serie über ein rätselhaftes Immigrantenschiff viele Fragen offen bleiben - nach nur einer Staffel (statt geplanten drei Staffeln). Für Millionen Fans, die fast sieben Stunden Lebenszeit für die ersten acht Folgen investierten, ist das eine herbe Enttäuschung.
Doch Netflix präsentiert eine neue Härte: Was nicht erfolgreich genug ist, wird abgesetzt. Was genau Netflix aber als „Erfolg“ sieht, ist bei dem spärlich kommunizierenden Streamingdienst unklar. Klar ist nur, dass der Konzern wohl intern eine Menge Daten über die Nutzung seiner Inhalte erhebt - etwa, wie viele Menschen eine Serie komplett anschauen oder wo sie aussteigen.
Bis 2022 schien für Netflix vor allem das Wachstum der Abo-Zahlen wichtig zu sein. Jetzt wird mehr auf Rentabilität geachtet. Um Geld zu verdienen, wird auch gegen die Mehrfachnutzung von Kundenkonten durch das Teilen von Passwörtern vorgegangen oder ein Abo-Modell mit Werbung eingeführt, obwohl es jahrelang gerade der Unterschied zum klassischen Fernsehen war, werbefrei zu sein.
Beim unter anderem in Potsdam-Babelsberg gedrehten „1899“, der bisher teuersten deutschen Serienproduktion überhaupt, waren wohl auch die Abruf-Erwartungen bei Netflix enorm hoch wegen der hohen Kosten für Computertechnik und Sets - sie blieben offensichtlich unerfüllt.
Der Drehbuch-Professor Timo Gößler von der Filmuniversität Babelsberg sagt, nach den Boom-Jahren sei jetzt eine deutliche Zurückhaltung zu spüren, vor allem bei finanziell aufwendigen Projekten oder sehr gewagten Ideen. „Wirklich überraschend kommt das nicht - es war allen klar, dass das nicht ewig so weitergeht.“
Die spannende Frage sei jetzt, was die innerhalb weniger Jahre enorm gewandelte TV-Industrie daraus mache. „Die Branche muss jetzt alles dafür tun, den Weg der Vielfalt an Serien, Genres, Figuren, ambitionierten Ansätzen und spannenden neuen Stimmen und Perspektiven weiter zu beschreiten, der erst durch den Boom entstand.“
Es gehe um ein neues Bewusstsein für Qualität im Erzählen, sagt Spezialist Gößler („Der German Room - Der US-Writers'-Room in der deutschen Serienentwicklung“). „Es mag naiv sein, aber meine Hoffnung ist, dass sich bei dem Weniger, was jetzt hergestellt werden wird, Qualität durchsetzt.“ Er sehe da auch eine Chance gerade für öffentlich-rechtliche Anbieter, sagt Gößler. Deren finanzielle Situation sei - noch - deutlich unabhängiger von der wirtschaftlichen Lage des globalen Marktes als bei den privatwirtschaftlichen Playern.
Das Trend- und Mode-Magazin „WWD“ orakelte schon übers Jahr 2023: „Dieses Jahr könnte das Ende der Netflix-isierung dessen markieren, was wir früher Fernsehen nannten.“ Die Wall Street stehe nicht mehr im Bann eines potenziellen Streaming-Goldrauschs, Inflation und Rezession zögen auf, die Medienindustrie werde damit leben müssen.
Schlimm ist das laut „WWD“ nicht wirklich, denn es habe einen irrationalen Überschwang bei den Inhalte-Anbietern gegeben, da sie mit Abonnentengeldern überflutet gewesen seien. Der digitale Schlund sei mit viel Zeug gefüttert worden. „Aufwendige Entwicklungsverträge regneten auf zuverlässige Erfolgsmacher (Shonda Rhimes, Ryan Murphy) nieder, aber auch auf Menschen, die noch nie ein Entwicklungstreffen von innen gesehen hatten (die Obamas, Harry und Meghan).“
Die „Los Angeles Times“ erinnert zudem daran, dass die Überproduktion der letzten Jahre auch eine gewisse „Unauffindbarkeit“ habe entstehen lassen: „Viel von dem, was produziert wird, geht im grenzenlosen Raum der sich ständig drehenden Karussells der Streamingdienste verloren.“
Quelle; INFOSAT