In einem aktuellen Eilverfahren vor dem Sozialgericht Kiel (Beschluss vom 21.03.2013, S 35 AS 85/13 ER – rechtskräftig) hat das Jobcenter Plön erstmals explizit eingeräumt, dass der Kreis Plön über kein schlüssiges Konzept im Sinne der Rechtsprechung des BSG (etwa Urteil vom 22.09.2009, B 4 AS 18/09 R) verfügt und die vom Jobcenter Plön zugrunde gelegten Mietobergrenzen damit rechtswidrig sind. Obwohl dem Jobcenter Plön die Rechtswidrigkeit seiner Mietobergrenzen bekannt ist, wendet es diese weiterhin an und fordert Leistungsberechtigte auf, ihre Unterkunftskosten auf diese rechtswidrigen Obergrenzen abzusenken. Das Jobcenter Plön wendet damit zum Nachteil der Hilfebedürftigen das Recht bewusst falsch an.
Streitig: 10 % Sicherheitszuschlag auf die Werte der Wohngeldtabelle?
In dem Eilverfahren streitig war zwischen den Beteiligten allein, ob die Antragstellerin die Regelhöchstfrist ausschöpfen muss, damit auch ein Anordnungsgrund (Eildürftigkeit) bejaht werden kann (verneinend zu Recht das SG Kiel a.a.O., Seite 3), sowie, ob der Sicherheitszuschlag von 10 % (dazu BSG, Urt. v. 22.03.2012, B 4 AS 16/11 R, Rn. 22) auch auf die seit dem 01.01.2009 geltenden Werte der Tabelle zu § 12 WoGG anzuwenden ist.
Jobcenter Plön
Das Jobcenter Plön hatte sich auf den Standpunkt gestellt, die seit dem 01.01.2009 geltenden Tabellenwerte zu § 12 WoGG seien im Vergleich zu den zuvor geltenden Werten nach § 8 WoGG a.F. bereits um 10 % erhöht worden. Eine (weitere) Erhöhung der Tabellenwerte nach § 12 WoGG um einen “Sicherheitszuschlag” sei insbesondere vor dem Hintergrund des Fehlens von Hinweisen, dass die Werte zu niedrig seien und damit das Existenzminimum gefährdet sei, nicht vertretbar.
Absenkung der Mietstufen zu beachten
Dieser Argumentation ist grundsätzlich entgegen zu halten, dass zwar die entsprechenden Werte für die Wohngeldberechnung zum 01.01.2009 um 10% angehoben worden sind. Gleichzeitig wurden aber die Mietstufen von 421 Gemeinden mit jeweils mehr als 10.000 Einwohnern und 59 Landkreisen teilweise drastisch abgesenkt. Damit fiel die allseits erhoffte Steigerung der Wohngeldleistungen wesentlich geringer aus (mehr hier). Dies gilt auch für den Kreis Plön. Nach der Tabelle zu § 8 WoGG galt für den Kreis Plön die Mietstufe IV, mithin eine Bruttokaltobergrenze von 325,00 € (Mietstufen aus Wohngeldbroschüre 2001, Seite 103). Seit dem 01.01.2009 gilt für das Amt Schrevenborn (Kreis Plön) die Mietstufe III und damit nach § 12 WoGG ein Höchstbetrag von 330,00 € bruttokalt. Das ist eine Differenz von 5,00 € und nicht 10 %, wie vom Jobcenter Plön behauptet. Bedenkt man ferner, dass seit 2009 die Mieten und Betriebskosten erheblich – und zwar weit über 5,00 € – gestiegen sind, so wird schnell erkennbar, dass der Sicherheitszuschlag aus den zutreffenden Erwägungen des BSG auch hinsichtlich der Wohngeldtabelle zu § 12 WoGG berechtigt und auch erforderlich ist, zumal dieser – worauf das SG Kiel im Ergebnis zutreffend hinweist – einer ganz anderen Zwecksetzung folgt.
BSG: Sicherheitszuschlag gewährleistet tatsächliche Anmietbarkeit
Das SG Kiel ist in seinem Beschluss vom 21.03.2013 im Ergebnis der Rechtsauffassung der Antragsteller gefolgt und hat sich zur Begründung (wörtlich) auf BSG, Urt. v. 22.03.2012, B 4 AS 16/11 R, Rn. 22, bezogen. Dabei hat das SG allerdings das entscheidende Argument des BSG für den Sicherheitszuschlag übersehen (Rz. 21 a.E.): Übersteigt die tatsächliche Miete den in § 8 WoGG bzw. jetzt § 12 WoGG festgesetzten Betrag, bleibt der übersteigende Teil lediglich bei der Wohngeldberechnung außer Betracht, die Wohnung kann aber trotzdem angemietet werden. Die im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II angemessene Miete muss hingegen gewährleisten, dass zu dem als angemessen erachteten Wert tatsächlich Wohnraum vorhanden und damit anmietbar ist. Leider hat das SG Kiel auch übersehen, dass die Tabelle zu § 12 WoGG zwar noch eine rechte Spalte hat, die Rede von dem Rückgriff auch die “rechte Spalte” der Wohngeldtabelle nach § 12 WoGG allerdings keinen Sinn mehr macht, denn es gibt – nachdem die Baualtersdifferenzierung in der alten Tabelle zu § 8 WoGG entfallen ist – nur noch eine Spalte mit Höchstbeträgen. Damit kann aber auch nur noch auf die eine (verbliebene) Spalte zurückgegriffen werden.
Fazit: Der Sicherheitszuschlag von 10 % ist nach der Rechtsprechung der 35. Kammer am SG Kiel auch den Höchstbeträgen der Tabelle zu § 12 WoGG zuzuschlagen. Für den Kreis Plön ergeben sich damit höhere Mietobergrenzen als jene, die vom Jobcenter Plön in ständiger Verwaltungspraxis bis heute zugrunde gelegt werden. Eine Tabelle mit den rechtmäßigen Obergrenzen findet sich hier:
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Nachtrag 27.04.2013: Diese Rechtsfrage ist nun beim BSG anhängig:
B 4 AS 87/12 R
Vorinstanz: LSG Stuttgart, L 3 AS 5600/11
Zur Höhe des Sicherheitszuschlags bei Rückgriff auf die Tabellenwerte der Wohngeldtabelle zu § 12 Abs 1 WoGG im Rahmen der Ermittlung der angemessenen Unterkunftskosten iS des § 22 Abs 1 S 1 SGB 2.
Nachtrag 12.12.2013: Das BSG hat im Verfahren B 14 AS 87/12 R heute entscheiden, dass die Einbeziehung des Sicherheitszuschlages von 10 % auch im Fall der Heranziehung von § 12 WoGG zu erfolgen hat.
Quelle: sozialberatung-kiel.de