Hunderte Millionen von Päckchen gehen jährlich an den Internethandel zurück. Fast ein Drittel davon kann nur noch als Billigware verramscht werden. Die Kosten dafür werden ungerecht verteilt.
Retouren müssen oft aufwendig wieder aufgearbeitet werden
Quelle: picture alliance / dpa
Im Onlinehandel schwillt in der Zeit um die Jahreswende die Retourenflut an. Für Millionen unpassende, ungeliebte oder überflüssige Weihnachtsgeschenke heißt es dann: „Return to Sender“. Bis Mitte Januar liegt das Niveau um rund 40 Prozent über dem Normalstand, berichtet der Digitalverband Bitkom. Wie groß die damit einhergehende Verschwendung an Geld, Ressourcen und Material ist, zeigt eine neue Studie der Kölner EHI-Handelsforschung, die der „Welt am Sonntag“ vorliegt.
„Im Durchschnitt können rund 70 Prozent der retournierten Artikel als A-Ware für den Kundenversand wiederverwendet werden“, so die Analyse über „Versand- und Retourenmanagement im E-Commerce 2016“. Im Umkehrschluss heißt das: Fast ein Drittel der neuwertigen, aber verschmähten Ware muss aufgearbeitet, als Billigartikel verramscht oder gleich entsorgt werden. Bei einem E-Commerce-Umsatz von rund 44 Milliarden Euro in 2016 und einer hohen Rücksendequote (Bitkom-Schätzung: zehn Prozent) ergibt sich daraus mindestens ein dreistelliger Millionenverlust für die Branche. Dazu kommen noch Kosten für Sichtung, Aufarbeitung und Sortierung der zurückgesandten Artikel.
Hauptsächlich betroffen sind Modehändler. „Insbesondere bei Produkten aus dem Bereich Fashion bestellen die Onlinekunden häufig mehrere Varianten, um erst bei der Anprobe zu beurteilen, welches Kleidungsstück am besten gefällt beziehungsweise am besten passt“, so die EHI-Studie. Nach Schätzung der Bamberger „Forschungsgruppe Retourenmanagement“ wird jeder zweite versandte Modeartikel zurückgeschickt. Bei hochmodischen Textilien und Schuhen seien teils Quoten von 70 bis 80 Prozent zu beobachten, schreibt der Bamberger Retouren-Forscher Björn Asdecker.
Manche Artikel können nur noch entsorgt werden
Während das Anprobieren zu Hause schlicht zum Geschäftsmodell der Modeversender zähle, neigen laut Asdecker viele Kunden zum Missbrauch: „Anschauliche Beispiele sind Konsumenten, die Lederhose und Dirndl vor dem Oktoberfest bestellen, diese dort tragen und anschließend zurücksenden.“ In einer Befragung gaben 18 Prozent der Verbraucher zu, bereits mindestens einmal ohne tatsächliche Kaufabsicht bestellt oder Artikel in einem verschlechterten Zustand zurückgeschickt zu haben. Rechtlich dürfen Onlinebestellungen innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen zurückgesandt werden.
Kommen die Stücke wieder beim Händler an, werden sie von Hunderten Beschäftigten gesichtet, identifiziert und geprüft, auf Gebrauchsspuren, Flecken oder Ziehfäden kontrolliert, aussortiert, gefaltet, gebügelt und verpackt. Das kostet. Die EHI-Forscher nennen im Schnitt zehn Euro je Artikel. Es können aber auch 50 Euro oder mehr sein, etwa bei Möbeln oder Hausgeräten. Onlinehändler mit Lebensmitteln, Gesundheitsprodukten, Fotoartikeln oder Pflanzen können sich die Mühe gleich sparen. Diese Artikel könnten grundsätzlich „nicht nochmals in den Verkauf gegeben werden“, schreibt EHI-Expertin Hilka Bergmann. Wegwerfen ist hier die Norm.
Auch die Klimabilanz wird durch die Hin- und Her-Fahrerei erheblich belastet. Asdecker hat durchgerechnet, dass der Transport von jährlich an die 300 Millionen Rücksendungen in Deutschland mit 143.000 Tonnen Zusatz-Emissionen des Treibhausgases Kohlendioxid verbunden ist.
Die hohen Retourenkosten müssen andere bezahlen
Obwohl die Rücksendungswelle die E-Commerce-Unternehmen teuer zu stehen kommt, reagieren sie äußerst vorsichtig. Der Grund liegt auf der Hand. „Retouren nehmen bei der Kundenbindung eine zentrale Rolle ein“, heißt es in der Kölner Studie. Für 87 Prozent der Käufer stelle eine problemlose Abwicklung einen maßgeblichen Beitrag zur Kundenzufriedenheit dar.
Also versuchen die Händler, die Retouren einerseits durch möglichst aussagekräftige Infos auf ihren Websites vor dem Kauf gering zu halten und andererseits die Abwicklungskosten durch mehr Effizienz zu drücken, wenn die Ware zurückkommt. Viele sehen sogar eine zusätzliche Chance zum umsatzfördernden Kundenkontakt durch den Besuch ihrer Website oder ihres Ladens, wenn Artikel zurückgegeben werden.
Nach wie vor verzichtet eine große Händler-Mehrheit von 68 Prozent laut EHI zudem grundsätzlich darauf, Versandkosten für Retouren zu verlangen. Das ist laut Asdecker aber nur die halbe Wahrheit.
Er ordnet die gängige Praxis so ein: „Bei der von vielen Versandhändlern propagierten ,kostenlosen Rücksendung‘ handelt es sich um einen Marketingschwindel, da der Händler die erwarteten Kosten bereits vorab in den Verkaufspreis einkalkuliert.“ So gesehen subventionieren Kunden, die wenig zurückschicken, über höhere Verkaufspreise die Vielretournierer.
Quelle; welt
Du musst angemeldet sein, um Bilder zu sehen.
Retouren müssen oft aufwendig wieder aufgearbeitet werden
Quelle: picture alliance / dpa
Im Onlinehandel schwillt in der Zeit um die Jahreswende die Retourenflut an. Für Millionen unpassende, ungeliebte oder überflüssige Weihnachtsgeschenke heißt es dann: „Return to Sender“. Bis Mitte Januar liegt das Niveau um rund 40 Prozent über dem Normalstand, berichtet der Digitalverband Bitkom. Wie groß die damit einhergehende Verschwendung an Geld, Ressourcen und Material ist, zeigt eine neue Studie der Kölner EHI-Handelsforschung, die der „Welt am Sonntag“ vorliegt.
„Im Durchschnitt können rund 70 Prozent der retournierten Artikel als A-Ware für den Kundenversand wiederverwendet werden“, so die Analyse über „Versand- und Retourenmanagement im E-Commerce 2016“. Im Umkehrschluss heißt das: Fast ein Drittel der neuwertigen, aber verschmähten Ware muss aufgearbeitet, als Billigartikel verramscht oder gleich entsorgt werden. Bei einem E-Commerce-Umsatz von rund 44 Milliarden Euro in 2016 und einer hohen Rücksendequote (Bitkom-Schätzung: zehn Prozent) ergibt sich daraus mindestens ein dreistelliger Millionenverlust für die Branche. Dazu kommen noch Kosten für Sichtung, Aufarbeitung und Sortierung der zurückgesandten Artikel.
Hauptsächlich betroffen sind Modehändler. „Insbesondere bei Produkten aus dem Bereich Fashion bestellen die Onlinekunden häufig mehrere Varianten, um erst bei der Anprobe zu beurteilen, welches Kleidungsstück am besten gefällt beziehungsweise am besten passt“, so die EHI-Studie. Nach Schätzung der Bamberger „Forschungsgruppe Retourenmanagement“ wird jeder zweite versandte Modeartikel zurückgeschickt. Bei hochmodischen Textilien und Schuhen seien teils Quoten von 70 bis 80 Prozent zu beobachten, schreibt der Bamberger Retouren-Forscher Björn Asdecker.
Manche Artikel können nur noch entsorgt werden
Während das Anprobieren zu Hause schlicht zum Geschäftsmodell der Modeversender zähle, neigen laut Asdecker viele Kunden zum Missbrauch: „Anschauliche Beispiele sind Konsumenten, die Lederhose und Dirndl vor dem Oktoberfest bestellen, diese dort tragen und anschließend zurücksenden.“ In einer Befragung gaben 18 Prozent der Verbraucher zu, bereits mindestens einmal ohne tatsächliche Kaufabsicht bestellt oder Artikel in einem verschlechterten Zustand zurückgeschickt zu haben. Rechtlich dürfen Onlinebestellungen innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen zurückgesandt werden.
Kommen die Stücke wieder beim Händler an, werden sie von Hunderten Beschäftigten gesichtet, identifiziert und geprüft, auf Gebrauchsspuren, Flecken oder Ziehfäden kontrolliert, aussortiert, gefaltet, gebügelt und verpackt. Das kostet. Die EHI-Forscher nennen im Schnitt zehn Euro je Artikel. Es können aber auch 50 Euro oder mehr sein, etwa bei Möbeln oder Hausgeräten. Onlinehändler mit Lebensmitteln, Gesundheitsprodukten, Fotoartikeln oder Pflanzen können sich die Mühe gleich sparen. Diese Artikel könnten grundsätzlich „nicht nochmals in den Verkauf gegeben werden“, schreibt EHI-Expertin Hilka Bergmann. Wegwerfen ist hier die Norm.
Auch die Klimabilanz wird durch die Hin- und Her-Fahrerei erheblich belastet. Asdecker hat durchgerechnet, dass der Transport von jährlich an die 300 Millionen Rücksendungen in Deutschland mit 143.000 Tonnen Zusatz-Emissionen des Treibhausgases Kohlendioxid verbunden ist.
Die hohen Retourenkosten müssen andere bezahlen
Obwohl die Rücksendungswelle die E-Commerce-Unternehmen teuer zu stehen kommt, reagieren sie äußerst vorsichtig. Der Grund liegt auf der Hand. „Retouren nehmen bei der Kundenbindung eine zentrale Rolle ein“, heißt es in der Kölner Studie. Für 87 Prozent der Käufer stelle eine problemlose Abwicklung einen maßgeblichen Beitrag zur Kundenzufriedenheit dar.
Also versuchen die Händler, die Retouren einerseits durch möglichst aussagekräftige Infos auf ihren Websites vor dem Kauf gering zu halten und andererseits die Abwicklungskosten durch mehr Effizienz zu drücken, wenn die Ware zurückkommt. Viele sehen sogar eine zusätzliche Chance zum umsatzfördernden Kundenkontakt durch den Besuch ihrer Website oder ihres Ladens, wenn Artikel zurückgegeben werden.
Nach wie vor verzichtet eine große Händler-Mehrheit von 68 Prozent laut EHI zudem grundsätzlich darauf, Versandkosten für Retouren zu verlangen. Das ist laut Asdecker aber nur die halbe Wahrheit.
Er ordnet die gängige Praxis so ein: „Bei der von vielen Versandhändlern propagierten ,kostenlosen Rücksendung‘ handelt es sich um einen Marketingschwindel, da der Händler die erwarteten Kosten bereits vorab in den Verkaufspreis einkalkuliert.“ So gesehen subventionieren Kunden, die wenig zurückschicken, über höhere Verkaufspreise die Vielretournierer.
Quelle; welt
Zuletzt bearbeitet: