Crimenetwork.co: Was müssen Beschuldigte nach der Razzia beachten?
Im Rahmen des Action Day kam es bei einer bundesweiten Razzia am 23. Juni 2020 zu koordinierten Hausdurchsuchungen gegen die Nutzer des illegalen Marketplaces Crimenetwork.co. Dabei waren rund 1.400 Polizisten aus 14 Bundesländern im Einsatz. Wir versuchen zu erläutern, was man während bzw. nach einer Hausdurchsuchung beachten sollte.
Action Day – Polizei-Einsatz gegen Kunden von Crimenetwork.co
Die Durchsuchungen fanden auf Basis von ausgewerteten Logdateien des Untergrund-Forums Crimenetwork.co statt. Im Fokus standen unzählige Kunden dieses Fraud-Forums, die sich dort mit illegalen Waren eingedeckt haben.
Hinsichtlich der 328 Ermittlungsverfahren gab es 232 Durchsuchungsbeschlüsse. 11 Haftbefehle wurden vollstreckt. Insgesamt hat man 32 Personen vorläufig festgenommen. Die angebotene Warenpalette des Portals umfasst sowohl Waffen, als auch Drogen, Hackertools, geklaute Datensätze, Arzneimittel, Falschgeld, gefälschte Urkunden, Schadsoftware für jeden Bedarf und vieles mehr…
Im Ergebnis der Durchsuchungen von Wohn- und Nebengebäuden erfolgte die Sicherstellung von Betäubungsmitteln, Datenträgern mit einem Datenvolumen von mehr als 300 Terabyte, über 700 elektronische Geräte, wie Laptops und Mobilfunktelefone. Dazu kam Bargeld im mittleren fünfstelligen Bereich, diverse Waffen, digitale Währungen sowie Unterlagen von mutmaßlichen Cyberkriminellen.
Rechts-Tipps für Razzia-Betroffene
Bei den Hausdurchsuchungen kann es auch zu so genannten Zufallsfunden kommen. Das heißt, die Polizisten finden bei der Suche nach anderen Gegenständen zufällig etwas, dessen Besitz oder Erwerb ebenfalls verboten ist. Zufallsfunde sind stets strafrechtlich relevant. Es spielt keine Rolle, ob die beschlagnahmten Güter im Zusammenhang mit dem Durchsuchungsbeschluss stehen.
Bei dessen Auswertung decken Beamte zudem oftmals noch weiterere angebliche Straftaten auf. Teilweise wären unbeteiligte Dritte in die Polizeimaßnahmen involviert. Dazu kann es kommen, wenn die Beschuldigten in Wohngemeinschaften leben oder wenn die beschlagnahmten Computer gar nicht im Eigentum der Beschuldigten standen. Das gilt natürlich nicht nur für Straftaten, die mit Crimenetwork.co in Verbindung stehen.
Was kann man vor, während und nach einer Durchsuchung tun:
Auch wenn man gar nichts Illegales tun will: alle Geräte (egal ob PCs, Smartphones oder Tablet-PCs) sollte man sicherheitshalber verschlüsseln! Dabei sollte man ein Passwort verwenden, was lang genug aber nicht leicht zu erraten ist.
Geben Sie keine Passwörter heraus! Man wird Sie natürlich danach fragen.
Lassen Sie sich vor Eintritt der Polizei den Durchsuchungsbeschluss aushändigen. Wichtig: Ohne den Beschluss muss man niemanden in die Wohnung lassen.
Wer nicht öffnet, muss damit rechnen, dass die Polizei die Tür von einem Schlüsseldienst öffnen lässt.
Verlangen Sie nach neutralen Zeugen, das kann kein Familienmitglied sein – wohl aber z.B. ein Nachbar aus dem gleichen Haus oder ein Passant auf der Straße.
Lassen Sie sich erlauben, sofort Ihren Anwalt zu kontaktieren. Umso früher der für Sie aktiv wird, umso besser.
Die Praxis zeigt: Ob die Hausdurchsuchung gerechtfertig ist, stellt sich häufiger erst bei der Auswertung der beschlagnahmten Beweismittel heraus. Manchmal reichen schon recht dünne Indizien aus, damit der Richter trotzdem den Beschluss unterzeichnet.
Suchen Sie sich am besten schon vor der Durchsuchung einen guten Fachanwalt für Strafrecht aus, der im Idealfall auch Ahnung von Technik bzw. Cybercrime hat. Speichern Sie seine Nummer in ihrem Smartphone ab und hinterlegen Sie in Ihrer Wohnung einen Zettel mit seinen Kontaktdaten.
Viele Fachanwälte haben eine Handynummer für Notfälle, wo man auch früh morgens oder am Wochenende anrufen kann.
Reden ist gefährlich, Schweigen ist Gold!
Klären Sie, ob der Beschluss auch Räume (von WG-Nachbarn oder Ihrer Familienmitglieder) mit einschließt, die nicht gemeinsam genutzt werden. Ansonsten suchen die möglicherweise in allen Räumen nach Beweisen.
Von jeglichen Beleidigungen der Polizisten muss man unbedingt absehen. Bleiben Sie distanziert und handeln Sie ruhig und sachlich.
Auch sollte man auf keinen Fall Widerstand leisten! Wer Gewalt ausübt, hat schon verloren!!
Sie haben das Recht zu schweigen! Machen Sie unbedingt davon Gebrauch! Niemand durchsucht Sie, um Ihre Unschuld festzustellen. Die kommen, um nach Beweisen Ihrer Schuld zu suchen bzw. die bestehenden Vorwürfe zu überprüfen!
Wer Fragen beantwortet, erleichtert die Ermittlungen. Von daher: egal ob unschuldig oder schuldig: bitte nie auf Fragen eingehen!
Achten Sie auf jedes Wort, was Sie sagen. Nicht zufällig erscheinen die Polizisten mit mehreren Personen, um sich Ihre Aussagen vor Gericht im Zweifelsfall gegenseitig zu bestätigen.
Nur der Staatsanwalt darf Deals machen!
Mitarbeiter der Polizei dürfen keine „Deals“ mit Ihnen machen. Das darf nur der Staatsanwalt und der ist bei der Razzia gar nicht anwesend. Lassen Sie sich nichts wegen einer möglichen Strafmilderung erzählen, sofern Sie vollumfänglich aussagen. Vereinbarungen sollte stets Ihr Anwalt für Sie aushandeln. Im Umkehrschluss heißt das auch: Wer nicht kooperiert, muss mit keinen Nachteilen rechnen, im Gegenteil. Schweigen ist Gold bei einer Razzia.
Geräte ohne Speichermedien wie Bildschirme werden auch schon mal gerne mitgenommen, obwohl man dabei gar nichts auswerten könnte. Lassen Sie die Polizisten den Monitor auf mögliche Speichermedien (angelötete Chips, USB-Sticks etc.) untersuchen. Wenn es keine gibt, soll das Gerät bei Ihnen bleiben.
Manchmal ist es besser, wenn der Anwalt nach der Razzia nicht zu viel juristischen „Krawall“ veranstaltet. Manche Anwälte denken an ihre Brieftasche und klagen gegen alles und jeden, um diese zu füllen. Nicht jeder Schritt eines Anwalts ist auch sinnvoll. Suchen Sie sich jemanden aus, dem Sie vertrauen können.
Quelle; tarnkappe