Kanzlerin hält höhere Lebensarbeitszeit für nötig
Kanzlerin hält höhere Lebensarbeitszeit für nötig
Die Menschen werden nicht kürzer, sondern länger arbeiten müssen, sagt Kanzlerin Merkel auf dem Deutschen Seniorentag. Bundespräsident Gauck hatte dort zuvor für eine Flexibilisierung des Renteneintrittsalters plädiert.
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Hamburg. Die Lebensarbeitszeit der Deutschen muss nach Ansicht von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf Dauer steigen. Sie sei sehr dafür, Flexibilität in die verschiedenen Arbeits- und Altersgrenzen hineinzubringen, sagte die Kanzlerin am Freitag auf dem 10. Deutschen Seniorentag in Hamburg.
„Aber wir kommen um einen Punkt nicht umhin - davon bin ich zumindest zutiefst überzeugt -: dass die Lebensarbeitszeit nicht kürzer werden kann, sondern ganz graduell auch länger werden muss.“ Bundespräsident Joachim Gauck hatte sich am Vortag am selben Ort für eine Flexibilisierung des Renteneintrittsalters ausgesprochen. Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) kritisierte die Rente mit 67 erneut als einen überflüssigen Schnellschuss.
Merkel betonte, ohne eine auf Dauer längere Arbeitszeit könnten die Jüngeren nicht „im Umlageverfahren weiter für die Solidarität mit den Älteren sorgen“. Gleichzeitig nahm sie aber auch die Unternehmen in die Pflicht, mahnte sie, weiter ältere Menschen einzustellen. „Denn wenn das nicht passieren würde, dann wäre die Rente mit 67 natürlich nur eine Rentenkappung, und das darf es nicht sein.“ Nicht hinnehmen werde die Bundesregierung, „dass die Unternehmen nach Fachkräften suchen und über 55-Jährigen zum Teil überhaupt keine Beschäftigungsperspektive mehr geben“, sagte Merkel.
Gauck: „Niemand soll Unzumutbares zugemutet werden“
Bundespräsident Gauck hatte am Donnerstag gesagt: „Ich wünsche mir, dass jene, die es wollen, länger im Beruf bleiben können.“ Der 72-Jährige schränkte jedoch ein: „Gewiss ist es nicht jedem vergönnt, bis ins hohe Alter tätig zu bleiben. (...) Niemandem sollte Unzumutbares zugemutet werden.“ An Politik und Wirtschaft gewandt betonte der Bundespräsident, dass „Konsequenzen einer Gesellschaft des langen Lebens nur dann bedrohlich sind, wenn zu starr an den bisherigen Systemen, Vorgaben und Eckpunkten festgehalten wird.“
IG BAU-Chef Klaus Wiesehügel kritisierte die Rente mit 67 auf dem Seniorentag als eine riesige Umverteilung zugunsten der Arbeitgeber. „Infolge dieser Entsolidarisierung steigt die Zahl der Menschen, denen Altersarmut droht“, warnte der Gewerkschaftschef. Das Demografie-Argument der Befürworter ließ Wiesehügel nicht gelten. „Erstens wächst die Gesellschaft in Deutschland wieder - im letzten Jahr um mehr als 50.000. Zweitens geht es in Wahrheit um die Frage, wie unser Wachstum verteilt wird“, sagte Wiesehügel.
Der alle drei Jahre organisierte Seniorentag wendet sich diesmal unter dem Motto „Ja zum Alter!“ gezielt gegen den Jugendwahn. Noch bis zum Samstag sind im Messezentrum CCH zahlreiche Veranstaltungen geplant. Insgesamt erwarten die Veranstalter rund 20 000 Besucher.
Quelle: handelsblatt.com