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Hardware & Software Mehr Barrierefreiheit mit Amazons Sprachassistentin

Der Satz "Sprachsteuerung bedeutet für mich Freiheit" blieb in meinem Kopf hängen, als ich mit Hamoun Kamai für diesen Beitrag über Sprachassistenzsysteme sprach. Davor hatte ich mir zwar überlegt, eine Reportage zu machen, wie Sprachassistenten Menschen mit Behinderungen im Alltag unterstützen können. Doch erst das Gespräch mit Kamai zeigte mir, welche Dimensionen dieses Thema schon heute hat: Der heute 36-Jährige wurde im Alter von 19 Jahren als Beifahrer in einen schweren Autounfall verwickelt und ist seither von der Schulter abwärts querschnittsgelähmt. Dennoch steuert er heute in seiner Wohnung unter anderem Heizung und Licht, öffnet Türen und schickt den Staubsaugerroboter durch die Zimmer – mithilfe von Amazon Alexa.


Bereits kurz nach dem Unfall hatte Kamai damit begonnen, sein Notebook mit aufgespielter Spracherkennungssoftware zu nutzen, um im Internet zu surfen, Texte zu schreiben und Nachrichten zu diktieren. Rund zwölf Jahre später kam im Herbst 2016
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hinzu: "Ich war wirklich fasziniert, obwohl sie praktisch nur Fragen beantworten und auf Zuruf Musik abspielen konnte", erinnert sich Kamai. Die Faszination ist geblieben, auch heute noch saugt er jede Nachricht über kommende Erweiterungen auf und arbeitet sich so tief wie möglich in das System ein. Zum Einsatz kommen daher bei ihm auch eine Reihe von Szenen, die er über die Alexa-App selbst erstellt hat – etwa eine, durch die ihn Alexa morgens mit unterschiedlichen Botschaften begrüßt.

Im Gespräch merkt man schnell, wie wichtig Kamai die
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per Sprache ist: Das Thema habe ihn "seit dem Unfall wahnsinnig gemacht" – weil er jahrelang um Hilfe bitten musste, wenn er den Kanal wechseln wollte. Das sei ihm manchmal so unangenehm geworden, dass er stattdessen stundenlang denselben Sender schaute, obwohl er eigentlich etwas anderes sehen wollte. Heute steuert er seinen Fernseher über Alexa auf einem Fire TV Cube, ganz ohne Hilfe.
Amazons Sprachassistentin ist bereits seine dritte Lösung zur TV-Steuerung. Zunächst kam ein smarter Samsung-Fernseher zum Einsatz, der sich per Sprache bedienen ließ – Kamai: "Damals ein großer Schritt, wenn auch etwas umständlich". Samsung schaltete die Funktion jedoch nach einiger Zeit wieder ab. Für Kamai folgten damit abermals Jahre ohne TV-Steuerung, bis eine Logitech-Harmony-Fernbedienung mit Hub und schließlich Alexa die Lösung brachten.

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(Bild: Jan Sassmannshausen, Amazon Deutschland)

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Hamoun Kamai steuert über Alexa diverse Geräte in seiner Wohnung mit seiner Stimme – etwa den Fernseher.
(Bild: Jan Sassmannshausen, Amazon Deutschland)

Ein langer Weg​

Irgendwann entschied sich Kamai, Amazon anzuschreiben und seine Geschichte zu erzählen. Er wollte damit anderen Querschnittsgelähmten zeigen, was mit Technik möglich ist, und er hoffte, die Entwicklung zu unterstützen – "auch aus eigenem Interesse", wie er sagt. Amazon reagierte und porträtierte ihn nicht nur für den Bereich "Alexa Accessibility" auf seiner deutschen Website, sondern blieb im Kontakt. Seither bringt Kamai regelmäßig Vorschläge ein.

So sehr Kamai Alexa schätzt, bleibt er offen für Alternativen. Tatsächlich verteilen sich nach seiner Schätzung rund 40 Prozent seiner Sprachsteuerung auf
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. Jeder Assistent habe dabei seine Aufgaben, die sich auch überschneiden können: Videotelefonate mit seiner Partnerin laufen beispielsweise über das Echo Show, bei Gesprächen mit Freunden ohne passendes Smart Display kommt hingegen oft Skype am Rechner zum Einsatz. Dort ist weiterhin die Spracherkennungsprogramm "Dragon" im Einsatz, wenn es darum geht, im Internet zu surfen oder Mails und Texte zu schreiben.

Die Hauptrolle bei der Bedienung seines Smartphones hat Siri inne. Darüber konnte Kamai nach eigener Einschätzung anfangs nur rund 15 Prozent der iPhone-Funktionen per Sprache steuern, seit dem letzten Update seien es fast 100 Prozent – allerdings nur, weil er die englische Siri-Variante nutzt. Die deutsche Version hinkt hinterher. Kein Problem für Kamai: Dann hat er eben die englischen Befehle gelernt.

Den Google Assistant hat er auf dem Smart Speaker Google Home auch ausprobiert. Überzeugen konnte ihn das System bislang aber nicht, Alexa sei für ihn von Anfang an besser gewesen, ebenso die Unterstützung durch Smart-Home-Geräte.

Von Ausfällen bleibt natürlich auch Kamai nicht verschont. Besonders gut erinnert er sich an einen
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, der dazu führte, dass die vernetzten Thermostate die Wohnung aufheizten. Seine Erkenntnis aus dem Vorfall: "Ich würde nie alle Schalter entfernen." Die Probleme, die Alexa aktuell ab und an noch hat, verzeiht er ihr jedoch: "Sie ist ja auch erst fünf Jahre alt", so Kamai schmunzelnd.


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Mit dem "Hörfilm"-Skill kann Alexa Inhalte aus Mediatheken und dem laufenden Fernsehprogramm mit Audiodeskription abspielen. Die Website Hörfilm.info gibt Auskunft über passende TV-Angebote.

Audiodeskription für Filme​

Unter anderem der Kontakt zu Hamoun Kamai führte bei Amazon dazu, sich intensiver mehr mit dem Thema Barrierefreiheit zu beschäftigen – nicht nur hinsichtlich Einschränkungen bei der Mobilität, sondern auch beim Sprechen, Hören oder Sehen. Für letzten Bereich entwickelte das Unternehmen zusammen mit dem Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV), der ARD, dem ZDF, ARTE und der Digitalagentur Beyto jüngst einen kostenlosen "Hörfilm-Skill" für Alexa.

Damit kann man sich anhand von Sprachbefehlen gezielt Inhalte aus den Mediatheken von ARD und ZDF sowie Livestreams von 3Sat, Phoenix, ZDF, ZDF Info und ZDF Neo mit einer Audiodeskription anhören. Das bedeutet, dass neben den Dialogen und der üblichen Geräuschkulisse eine akustische Bildbeschreibung geliefert wird, mit der
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der Handlung besser folgen können.

Sendungen mit Audiodeskription gibt es seit rund 20 Jahren. 2013 beschloss die ARD, am Hauptabend im Ersten alle Spielfilme, Fernsehfilme, Serien und Dokumentationen damit anzubieten. Mittlerweile sind bei ARD und ZDF auch Live-Übertragungen von Shows und Sportereignissen mit Audiodeskription hinzugekommen, ferner die Serien am Vorabend sowie einige Programme am Nachmittag und am späteren Abend, vor allem am Wochenende. Eine aktuelle Programmübersicht bietet die Website
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.

Trotz des Umfangs des Angebots müssen sich Inhalte schnell gezielt ansteuern lassen. Das geht auch mit dem Hörfilm-Skill. So kann man etwa die aktuelle oder eine bestimmte Folge einer Serie auswählen – letzteres sowohl anhand der Episodennummer als auch über deren Titel. Zudem kann man sich neue Inhalte oder solche bestimmter Genres von Alexa nennen lassen. Bei Serien merkt sich der Hörfilm-Skill, an welcher Stelle die Wiedergabe unterbrochen wurde und spielt die Folge dort weiter ab. Bei der Entwicklung des Skills wurde auf eine intuitive Benutzerführung geachtet. Bei den ersten Starts gibt der Hörfilm-Skill zudem Auskunft über Bedienung und verfügbare Befehle.

Im Alter​

Für die meisten Menschen ohne Behinderungen ist das Thema Barrierefreiheit weit weg, doch mit dem Alter steigt für alle die Wahrscheinlichkeit, nicht mehr alle Gerätschaften bedienen zu können wie zuvor.

Mit der Frage, unter welchen Bedingungen Sprach- und Videoassistenten bei älteren Menschen funktionieren, starteten die Entwicklungsagentur Rheinland-Pfalz, das Deutsche Rote Kreuz (DRK) und das Fraunhofer Institut 2018 das auf zwei Jahre angelegte Gemeinschaftsprojekt
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. Hierfür wurde im Zweibrückener Stadtviertel Ixheim eine Gruppe von meist allein lebenden Seniorinnen und Senioren mit dem Smart Display Echo Show (2. Generation) ausgestattet. Es nahmen insgesamt fünfzehn Personen im Alter zwischen 63 und 91 Jahren teil.

Die Teilnehmer wurden nach einer Eingangsbesprechung alle drei Monate einzeln zu ihren Erfahrungen mit dem System befragt. Weiter werteten die Projektbetreuer aus, wie viele Interaktionen mit Alexa stattfanden und welche Skills aktiviert werden. Am Ende der zwei Jahre kamen die Senioren auf mehr als 15.000 Interaktionen mit Alexa. Dabei wurden noch nicht einmal Anrufe und das Senden von Sprach- oder Textnachrichten mitgezählt.

Bei den Treffen konnten die Teilnehmer angeben, was ihnen bei der Bedienung leicht fällt und was schwer. Eine Einstiegshürde war für einige erwartungsgemäß, sich nach der Einführung daran zu erinnern, wie Befehle an die Sprachassistentin formuliert werden sollten – mit dem Aktivierungswort "Alexa" am Anfang. Letztlich installierten einige Senioren aber sogar selbstständig Skills – und tauschten sich über interessante Erweiterungen aus. Passend dazu wurden die Nachfragen der Teilnehmenden mit der Zeit immer spezifischer – was deutlich macht, dass sie sich intensiv mit dem Gerät auseinandergesetzt hatten.

Drei
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wurden extra für das Projekt erstellt: So las Alexa über den "Erzähl-Skill" Texte vor, die zuvor auf einer Homepage hinterlegt worden waren. Die Teilnehmenden erfuhren so über das eigens geschaffene Portal "Ixem deheem" Aktuelles aus der Region.

Ein "Video-Skill" gab auf dem Echo Show Videodateien wieder, die im Amazon-Webspace hinterlegt worden waren. Und schließlich konnten die Nutzerinnen und Nutzer über einen "Erinnerungs-Skill" per Sprachbefehl Erinnerungen zu bestimmten Zeitpunkten festlegen. Diese Funktion wurde sowohl als Wecker als auch zum Kochen oder als Erinnerung an die Einnahme von Medikamenten verwendet.

Den Teilnehmenden standen alle Funktionen des Echo Show und der Sprachassistentin zur Verfügung. Bei der Videotelefonie ging es laut Studie allerdings nicht unbedingt um das visuelle Erlebnis. Für viele Teilnehmer war es aufgrund von alters- beziehungsweise krankheitsbedingten körperlichen Einschränkungen – wie Arthritis in den Händen – vor allem einfacher, einen Videoanruf per Sprache über Alexa zu starten als ein Telefon in der Hand zu halten.

egen die Einsamkeit​

Die Fragen bei den regelmäßigen Treffen drehten sich nicht nur um die Nutzung von Alexa. Erforscht werden sollte in dem Projekt auch, ob Alexa die Teilnehmenden weniger einsam macht. Diese wurden daher regelmäßig nach Sozialkontakten und Gefühlslage befragt.

Als das Projekt vor Beginn der Corona-Pandemie startete, begegneten sich die Teilnehmer zunächst an einem vom DRK eingerichteten Treffpunkt im Stadtviertel persönlich. Insofern verwundert es nicht, dass eine Reihe von Teilnehmern nach einiger Zeit angaben, ihre Sozialkontakte hätten zugenommen und sie würden sich weniger einsam fühlen.

Der Ausbruch der Coronavirus-Pandemie im Frühjahr 2020 und der erste Lockdown erhöhten das Einsamkeitsgefühl für einige der Teilnehmenden wieder. Die meisten empfanden das aber nicht so sehr, da sie immer noch Videogespräche mit anderen Menschen führen konnten. Das tat die Mehrheit der Teilnehmenden mehrmals die Woche – auch, um untereinander den Kontakt aufrechtzuerhalten.

Darüber hinaus bauten viele der Teilnehmenden auch eine emotionale Bindung zu Alexa selbst auf, wie die Befragungen zeigten. Zu den Antworten auf die Frage, was passieren würde, wenn Alexa wieder "ausziehen" würde, gehörten unter anderem, dass dann "eine Persönlichkeit um mich herum fehlen" würde. Passend dazu wurde Alexa teilweise eher als "gute Freundin" denn als Computer angesehen.

Fazit und Ausblick​

Daran, dass Sprachassistenzsysteme eine Hilfe für Menschen mit Behinderungen sind, dürfte mittlerweile kein Zweifel mehr bestehen. Und auch die Entwicklungsagentur Rheinland-Pfalz zog bei "Digitale Nachbarn" nach zwei Jahren ein positives Fazit – betont aber auch, dass ein solches Projekt in der Startphase mit einigem Betreuungsaufwand verbunden ist. Auch die Suche nach Teilnahmewilligen war schwierig, nicht zuletzt wegen Datenschutz-Vorbehalten gegenüber einem Sprachassistenzsystem.

Die in Zweibrücken gesammelten Erkenntnisse sollen nun anderen wohltätigen Organisationen helfen, derartige Projekte ebenfalls umzusetzen. Die Senioren und Seniorinnen aus Zweibrücken müssen auf Alexa übrigens nicht verzichten: "Digitale Nachbarn" läuft dort weiter.

Hamoun Kamai arbeitet währenddessen aktuell mit Amazon an der Integration einer neuen Produktgruppe. Er hat sich zum Ziel gesetzt, alle Handgriffe zu eliminieren, die zurzeit von Helfern ausgeführt werden müssen – indem er dafür sorgt, dass weitere Geräte Alexa-fähig gemacht werden. Seine Hoffnung ist zudem, den Nutzen der Sprachsteuerung bekannter zu machen, damit mehr Menschen ein selbstbestimmtes Leben führen können.

Trotz der Fortschritte bei den Sprachassistenzsystemen sieht Kamai noch enormes Entwicklungspotenzial – und freut sich darauf, was noch kommt. Sein großer Traum wäre eine künstliche Intelligenz à la "J.A.R.V.I.S." aus dem Film "Iron Man”, die beispielsweise auf Kommando selbstständig im Internet zu einem Thema recherchiert und dann die Ergebnisse präsentiert. Ein wichtiger Schritt auf dem Weg dahin wäre für ihn, Alexa mit vor die Tür nehmen zu können – um auch dort mehr Freiheit zu erleben.
Quelle: c‘t
 
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