Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung für unverhältnismäßig erklärt und eine weitreichende Reform zum Schutz der Privatsphäre der Bürger gefordert. Die verdachtlose Speicherung der Verbindungsdaten von Telefon, Internet und E-Mail müsse "auf das absolut Notwendige" beschränkt werden, heißt es in dem am Dienstag in Luxemburg veröffentlichten Urteil.
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Politiker der in Berlin regierenden Koalition aus Union und SPD kündigten an, die Folgen der Entscheidung für die geplante Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung in Deutschland genau prüfen. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) und Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) zogen allerdings unterschiedliche Schlüsse aus dem Urteil.
Mass erklärte, mit der Entscheidung sei die Grundlage für die in der Koalitionsvereinbarung vereinbarte Neuregelung der Datenspeicherung in Deutschland entfallen. "Es besteht jetzt kein Grund mehr, schnell einen Gesetzentwurf vorzulegen."
De Maizière dagegen betonte, das Urteil lege "nach erster Durchsicht" in der Sache "in etwa" die gleichen Maßstäbe an wie das Bundesverfassungsgericht und der darauf fußende Koalitionsvertrag. Er dränge "rasch" auf eine "kluge, verfassungsgemäße und mehrheitsfähige Neuregelung". Das Instrument werde dringend benötigt, um schwere Straftaten aufzuklären und Gefahren abzuwehren.
Die Entscheidung des EuGH-Richter erging auf Vorlage der Verfassungsgerichte von Österreich und Irland. Dabei geht ihr Urteil in Fragen der Sicherheit von gespeicherten Daten sogar teilweise noch über eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung von 2010 hinaus. Seit diesem Urteil ist Deutschland als derzeit europaweit einziger Staat ohne Vorratsspeicherung, da sich die damaligen Koalitionspartner Union und FDP nicht auf eine Neuregelung hatten verständigen können.
Die Luxemburger Richter billigten zwar grundsätzlich die Speicherung von Telekommunikationsdaten, da sie zur Bekämpfung schwerer Kriminalität dienen könnten. Weil diese Daten zugleich aber "sehr genaue Schlüsse auf das Privatleben" der Bürger ermöglichten, müsse der Eingriff in die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und Schutzes personenbezogener Daten auf das "tatsächlich absolut Notwendige beschränkt werden", entschieden sie.
Anders als das Bundesverfassungsgericht machte der EuGH für die Reform der entsprechenden EU-Richtlinie allerdings keine detaillierten Vorgaben. Das Luxemburger Gericht forderte lediglich "klare und präzise Regeln" etwa für den Katalog von Straftaten, für deren Aufklärung Vorratsdaten genutzt werden dürften. Zudem müssten Speicherfristen anhand "objektiver Kriterien" festgelegt werden.
Die für das Thema Vorratsdatenspeicherung zuständige EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström begrüßte "die Klarheit", die das Urteil gebracht habe. Malmström hatte eine Überarbeitung der Richtlinie angekündigt, wollte zuvor allerdings das Luxemburger Urteil abwarten.
In Deutschland gab es auch außerhalb der Koalition unterschiedliche Reaktionen. Der Fraktionschef der Grünen im Bundestag, Anton Hofreiter, forderte Union und SPD auf, die Vorratsdatenspeicherungspläne "zu beerdigen". Der Linken-Vizefraktionsvorsitzende Jan Korte appellierte an Union und SPD, von der Datenspeicherung "ihre Finger" zu lassen. Einen anderen Schluss lasse das Urteil nicht zu.
Die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff erklärte, sie halte es für geboten, dass die deutsche Politik zunächst abwarte, ob und wie der europäische Gesetzgeber eine Neuregelung der Richtlinie anstrebe. Dagegen drängten die Polizeigewerkschaften GdP und DPolG zur Eile.
Quelle: Freenet