Vor etwas mehr als einer Dekade waren Boxübertragungen mit die meistgesehenen TV-Events eines Jahres. Heute ist Boxen in der Nische verschwunden. Boxexperte Tobias Drews über Fehler der vergangenen Jahre und einen besonderen Boom in den USA.
Knapp elf Jahre ist es her, dass Wladimir Klitschko im Boxring David Haye bezwang und damit an einem späten Samstagabend über 15 Millionen Menschen vor die Bildschirme und zum damals übertragenden Sender RTL lockte. Kämpfe der Klitschko-Brüder waren – wie zuvor auch Fights von Henry Maske – Straßenfeger. Als Maske 2007 ein Comeback im Ring gab, stieg die Sehbeteiligung bei RTL auf über 17 Millionen, auf diesem Niveau lag auch sein eigentlicher Abschied aus dem Boxring, übertragen im November 1996.
© RTL Tobias Drews
Und heute? Ist die Sportart Boxen in Deutschland weites gehend aus dem deutschen Fernsehen verschwunden. Das Erste und das ZDF, die zeitweise ebenfalls von Kämpfen berichteten, sind längst nicht mehr dabei, Sat.1 hatte schon in der Endphase der Zusammenarbeit mit dem inzwischen umstrittenen Felix Sturm kein Glück mehr. Sportarten fahren gerne mal Achterbahn. "Eine Zeit lang ist man oben, dann geht es bergab. Der Boxsport ist in Deutschland sicherlich nicht weg vom Fenster. Und es gilt auch hier der Spruch, dass angeschlagene Boxer letztlich immer am Gefährlichsten sind", sagt mit Tobias Drews die wahrscheinlich bekannteste Boxstimme dieses Landes zu DWDL.de.
Inzwischen arbeitet Drews als Head of Communication für die WorldBoxingSuperSeries, so eine Art Champions League des Boxens. Sein Geld verdient er aber auch weiterhin mit dem Kommentar der noch verbliebenen Boxevents im Fernsehen, ist unter anderem teilweise zu hören, wenn der Fernsehsender von Bild Kämpfe überträgt. Drews musste in den zurückliegenden Jahren ansehen, in welch deutlichem Umfang dem Boxsport in Deutschland die großen Sendeplätze und Sender wegbrachen. "Die Zurückhaltung bei Fernsehsendern fußt sicherlich auch darauf, dass vieles schwer planbar ist. Wann boxt wer und gegen wen? Bindet man sich dann via Vertrag an einen Boxstall ist man diesem in gewisser Weise ausgeliefert. Große, international bedeutende Kämpfe gibt es in Deutschland nur noch bei DAZN, was schön ist für DAZN-Kunden", sagt Drews. Alle anderen aber würden, anders als früher, nicht eben beiläufig über eine Übertragung stolpern. Es ist das altbekannte Problem, wenn Sportarten hinter der Bezahlschranke verschwinden.
Was aber hat dazu geführt, dass eine Sport, die vor einer Dekade mit ihren herausragenden Events noch auf Augenhöhe mit Nationalmannschaft und Fußball-WM agierte, wie sauer Bier im Regal bleibt? "Es fehlen nicht nur die Weltmeister, es ist auch die Übersichtlichkeit verloren gegangen. Kaum jemand weiß noch, welche Titel es gibt und was sie bedeuten. Verständlich ist noch, dass es im Boxen verschiedene Weltverbände gibt und jeder Weltverband einen eigenen Weltmeister kürt", führt Drews strukturelle Probleme in der Organistaion der Sportart für den Verdruss der Zuschauenden an.
Es gibt keine andere Sportart, bei der man versucht, konstruierten Titeln mit schönen Namen wie „Mediterranean-Titel“ eine Bedeutung zu geben. Tobias Drews
Man mache sich eben lächerlich, wenn Verbände wie die traditionsreiche WBA plötzlich Super-Champions, Weltmeister und Interims-Weltmeister gleichzeitig haben, glaubt der Boxsport-Fachmann. Im Boxen gäbe es eben den Mythos, nur ein Weltmeistertitel zähle. "Das ist Unfug. Es gibt keine andere Sportart, bei der man versucht, konstruierten Titeln mit schönen Namen wie „Mediterranean-Titel“ eine Bedeutung zu geben," meint Drews. "Dabei haben wir viele Talente und auch starke Boxer, die Europameister werden könnten. Das muss man pushen. Stattdessen geht es um Titel, von dem aber niemand weiß was er bedeutet und im Ring steht ein Boxer, den kaum jemand kennt und tritt gegen einen Gegner an, der ebenfalls großteils unbekannt ist. Wo sollen da die Fans her kommen?"
Kurz vor dem KO würde Drews die Sportart Boxen aber nur sehen, wenn die Probleme rund um die Olympischen Spiele 2028 anhalten. Boxen ist eine der Sportarten, die vorerst nicht Teil des Olympiaprogramms sind. Das könnte großen Schaden anrichten. Aber – es ist noch Zeit bis 2028.
"Es gibt deutsche Boxer, die weiterhin zur erweiterten Weltspitze gehören. Felix Sturm etwa hat beim jüngsten Kampf nicht alles gezeigt, was er kann. Jürgen Brähmer könnte da noch mitmischen, aber auch Jack Culcay, Agit Kabayel oder Abass Baraou. Aber es stellt sich die Frage der Nachhaltigkeit", sagt Drews, der genau deshalb die Arbeit von Promoter Ulf Steinforth sehr schätze. Steinforth ist einer der wenigen, der auf einem reichweitenstarken Sender mit Boxabenden vertreten ist. Seine Events aus der Region Magdeburg laufen im MDR - mit stabilen Quoten, wie Drews findet. "Er ist in der Lage, Boxer nachhaltig aufzubauen. Außer bei seinen Veranstaltungen habe ich zuletzt kaum eine Boxhalle ausverkauft gesehen. Es gibt einige Promoter mit guten Ideen, andere sind in ihrem Denken noch in den 90er Jahren."
Im Kern profitiert der Boxsport in Amerika davon, dass sehr viele Kämpfe zur besten Sendezeit empfangbar sind, etwa auch bei ESPN+. Gar von einem derzeitigen Boxboom könne die Rede in den USA sein, findet Drews – was am weiblichen Geschlecht liegt. Frauenboxen sei in den Staaten extrem im Kommen. "Zuletzt hat Katie Taylor gegen Amanda Serrano im ausverkauften Madison Square Garden gekämpft. Ein Mega-Kampf." In Deutschland ist ein solcher Mega-Fight beileibe nicht in Sicht. Erstmal nicht.
Quelle; dwdl
Knapp elf Jahre ist es her, dass Wladimir Klitschko im Boxring David Haye bezwang und damit an einem späten Samstagabend über 15 Millionen Menschen vor die Bildschirme und zum damals übertragenden Sender RTL lockte. Kämpfe der Klitschko-Brüder waren – wie zuvor auch Fights von Henry Maske – Straßenfeger. Als Maske 2007 ein Comeback im Ring gab, stieg die Sehbeteiligung bei RTL auf über 17 Millionen, auf diesem Niveau lag auch sein eigentlicher Abschied aus dem Boxring, übertragen im November 1996.
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© RTL Tobias Drews
Und heute? Ist die Sportart Boxen in Deutschland weites gehend aus dem deutschen Fernsehen verschwunden. Das Erste und das ZDF, die zeitweise ebenfalls von Kämpfen berichteten, sind längst nicht mehr dabei, Sat.1 hatte schon in der Endphase der Zusammenarbeit mit dem inzwischen umstrittenen Felix Sturm kein Glück mehr. Sportarten fahren gerne mal Achterbahn. "Eine Zeit lang ist man oben, dann geht es bergab. Der Boxsport ist in Deutschland sicherlich nicht weg vom Fenster. Und es gilt auch hier der Spruch, dass angeschlagene Boxer letztlich immer am Gefährlichsten sind", sagt mit Tobias Drews die wahrscheinlich bekannteste Boxstimme dieses Landes zu DWDL.de.
Inzwischen arbeitet Drews als Head of Communication für die WorldBoxingSuperSeries, so eine Art Champions League des Boxens. Sein Geld verdient er aber auch weiterhin mit dem Kommentar der noch verbliebenen Boxevents im Fernsehen, ist unter anderem teilweise zu hören, wenn der Fernsehsender von Bild Kämpfe überträgt. Drews musste in den zurückliegenden Jahren ansehen, in welch deutlichem Umfang dem Boxsport in Deutschland die großen Sendeplätze und Sender wegbrachen. "Die Zurückhaltung bei Fernsehsendern fußt sicherlich auch darauf, dass vieles schwer planbar ist. Wann boxt wer und gegen wen? Bindet man sich dann via Vertrag an einen Boxstall ist man diesem in gewisser Weise ausgeliefert. Große, international bedeutende Kämpfe gibt es in Deutschland nur noch bei DAZN, was schön ist für DAZN-Kunden", sagt Drews. Alle anderen aber würden, anders als früher, nicht eben beiläufig über eine Übertragung stolpern. Es ist das altbekannte Problem, wenn Sportarten hinter der Bezahlschranke verschwinden.
Was aber hat dazu geführt, dass eine Sport, die vor einer Dekade mit ihren herausragenden Events noch auf Augenhöhe mit Nationalmannschaft und Fußball-WM agierte, wie sauer Bier im Regal bleibt? "Es fehlen nicht nur die Weltmeister, es ist auch die Übersichtlichkeit verloren gegangen. Kaum jemand weiß noch, welche Titel es gibt und was sie bedeuten. Verständlich ist noch, dass es im Boxen verschiedene Weltverbände gibt und jeder Weltverband einen eigenen Weltmeister kürt", führt Drews strukturelle Probleme in der Organistaion der Sportart für den Verdruss der Zuschauenden an.
Es gibt keine andere Sportart, bei der man versucht, konstruierten Titeln mit schönen Namen wie „Mediterranean-Titel“ eine Bedeutung zu geben. Tobias Drews
Man mache sich eben lächerlich, wenn Verbände wie die traditionsreiche WBA plötzlich Super-Champions, Weltmeister und Interims-Weltmeister gleichzeitig haben, glaubt der Boxsport-Fachmann. Im Boxen gäbe es eben den Mythos, nur ein Weltmeistertitel zähle. "Das ist Unfug. Es gibt keine andere Sportart, bei der man versucht, konstruierten Titeln mit schönen Namen wie „Mediterranean-Titel“ eine Bedeutung zu geben," meint Drews. "Dabei haben wir viele Talente und auch starke Boxer, die Europameister werden könnten. Das muss man pushen. Stattdessen geht es um Titel, von dem aber niemand weiß was er bedeutet und im Ring steht ein Boxer, den kaum jemand kennt und tritt gegen einen Gegner an, der ebenfalls großteils unbekannt ist. Wo sollen da die Fans her kommen?"
Kurz vor dem KO würde Drews die Sportart Boxen aber nur sehen, wenn die Probleme rund um die Olympischen Spiele 2028 anhalten. Boxen ist eine der Sportarten, die vorerst nicht Teil des Olympiaprogramms sind. Das könnte großen Schaden anrichten. Aber – es ist noch Zeit bis 2028.
"Es gibt deutsche Boxer, die weiterhin zur erweiterten Weltspitze gehören. Felix Sturm etwa hat beim jüngsten Kampf nicht alles gezeigt, was er kann. Jürgen Brähmer könnte da noch mitmischen, aber auch Jack Culcay, Agit Kabayel oder Abass Baraou. Aber es stellt sich die Frage der Nachhaltigkeit", sagt Drews, der genau deshalb die Arbeit von Promoter Ulf Steinforth sehr schätze. Steinforth ist einer der wenigen, der auf einem reichweitenstarken Sender mit Boxabenden vertreten ist. Seine Events aus der Region Magdeburg laufen im MDR - mit stabilen Quoten, wie Drews findet. "Er ist in der Lage, Boxer nachhaltig aufzubauen. Außer bei seinen Veranstaltungen habe ich zuletzt kaum eine Boxhalle ausverkauft gesehen. Es gibt einige Promoter mit guten Ideen, andere sind in ihrem Denken noch in den 90er Jahren."
Wandel auch in den USA
Der Niedergang des Boxens, er ist ein deutsches Phänomen, wenngleich die Sportart auch in den USA etwa im Wandel ist. Den Wandel beschleunigt hat in erster Linie Sportstreamer DAZN, der satte Summen in die Sportart gepumpt hat – und somit dafür sorgte, dass die jahrelange Ära von HBO-Boxing zu Ende ging. "DAZN hat hier vor einiger Zeit HBO abgelöst und damit auch das alte Pay-Per-View-Modell", erinnert sich Drews. Der Sportstreamer wollte Kunden damit anlocken, dass sie keine deutlich zweistelligen Dollar-Preise mehr für einen einzelnen Kampfabend zahlen müssen, sondern diese im monatlichen Abo-Preis enthalten sind. Das Geschäftsmodell wird derzeit aber offenbar wieder überprüft. Drews: "Jetzt führt DAZN selbst Pay-Per-View ein, was womöglich HBO zu einem Comeback verhilft."Im Kern profitiert der Boxsport in Amerika davon, dass sehr viele Kämpfe zur besten Sendezeit empfangbar sind, etwa auch bei ESPN+. Gar von einem derzeitigen Boxboom könne die Rede in den USA sein, findet Drews – was am weiblichen Geschlecht liegt. Frauenboxen sei in den Staaten extrem im Kommen. "Zuletzt hat Katie Taylor gegen Amanda Serrano im ausverkauften Madison Square Garden gekämpft. Ein Mega-Kampf." In Deutschland ist ein solcher Mega-Fight beileibe nicht in Sicht. Erstmal nicht.
Du musst Regestriert sein, um das angehängte Bild zusehen.
Quelle; dwdl