Streaming-Dienste zählen neben Sat-Empfang und DVB-T2 voraussichtlich zu den Profiteuren, wenn schon bald das Nebenkostenprivileg im Kabelnetz endgültig fällt. Darüber sprechen wir mit Zattoo-CCO Jörg Meyer.
Zattoo-CCO Jörg Meyer
Foto: Zattoo/Nadine Stenzel
Mit Wegfall der Umlagefähigkeit des Kabelanschlusses auf die Mietnebenkosten kommt der TV-Markt wieder in Bewegung. Viele der Millionen Wohnungsmieter dürften sich deshalb bald nach für sie günstigeren oder attraktiveren Optionen umschauen.
Profitieren könnten davon mitunter auch Streaming-Dienste. Darüber sprechen wir im Interview mit Zattoo-CCO Jörg Meyer.
teltarif.de: Herr Meyer, das Ende des Nebenkostenprivilegs ist politisch beschlossene Sache. Doch warum ist ausgerechnet dies überhaupt ein wichtiges Thema für Zattoo als OTT-Plattform? Schließlich könnten betroffene Kunden auch zu kostenfreien Alternativen wie Satellitenfernsehen oder IPTV-Angeboten ihres DSL-Anbieters wechseln.
Jörg Meyer: Zum ersten Mal müssen mehr als 12 Millionen Haushalte in Deutschland die Entscheidung treffen, ob sie ihr Fernsehprogramm nach wie vor über ihren Kabelanschluss empfangen wollen oder auf alternative TV-Empfangswege umsteigen. Ab dem 1. Juli 2024 wird dies eine Entscheidung sein, die jeder dieser Haushalte aktiv fällen muss. Viele Haushalte werden sich über aktuelle TV-Angebote informieren und dabei feststellen, dass IPTV- und TV-Streaming-Dienste deutlich mehr Funktionalitäten und Komfort bieten, als ihr bisheriger einfacher Kabelanschluss oder Satellitenfernsehen. Die Vorteile von IPTV und TV-Streaming liegen dabei nicht nur in den Möglichkeiten des zeitversetzten Fernsehens und der Möglichkeit zu Hause auf mobilen Endgeräten oder Connected-TVs zu schauen, sondern auch im Umfang und der Bildqualität der angebotenen Sender und Inhalte. TV-Streaming-Anbieter wie Zattoo genauso wie IPTV-Anbieter standen schon immer vor der Herausforderung, potenzielle Nutzer von den Vorteilen gegenüber anderen Empfangsarten zu überzeugen. Mit dem Wegfall der Kabel-TV-Umlage bietet sich die Gelegenheit fast ein Drittel der deutschen TV-Haushalte über die Vorzüge von TV-Streaming und IPTV zu informieren. Wir sehen dies als Chance für die gesamte TV-Branche, nicht zuletzt auch für die Fernsehsender: Je mehr die Zuschauer den Komfort von TV-Streaming und IPTV verstehen und nutzen, umso stärker wird Fernsehen den veränderten Nutzungserwartungen durch On-Demand-Plattformen gerecht – und um so länger werden Zuschauer dem Fernsehen treu bleiben.
teltarif.de: Kommt die Abschaffung des Nebenkostenprivilegs aus Ihrer Sicht zu spät? Jörg Meyer: Nein. Darüber, ob die Umlagefähigkeit noch zeitgemäß ist, wurde in der Branche in den letzten Jahren viel diskutiert. Der Gesetzgeber hat mit der Gesetzesänderung jetzt eine Antwort auf diese Frage gegeben. Deshalb sprechen wir bei Zattoo auch nicht länger von einem "Nebenkostenprivileg", sondern von der "Umlagefähigkeit der Kosten für Kabel-TV". Uns ist bewusst, dass die Umlagefähigkeit Grundlage für viele langjährige geschäftliche Beziehungen ist, insbesondere zwischen Netzbetreibern und der Wohnungswirtschaft. Zudem ist sie ein wesentlicher Bestandteil der Wirtschaftlichkeitsanalyse vieler Netzbetreiber für in den letzten Jahren getroffene Investitionsentscheidungen. Daher haben wir Verständnis für die aus Verbrauchersicht relativ lange Übergangsfrist bis 2024. Aus unserem eigenen B2B-Geschäft wissen wir, vor welchen immensen Herausforderungen gerade kleinere Netzbetreiber und Anbieter von Kabel-TV aufgrund des Wegfalls der Umlagefähigkeit stehen. Bestehende Geschäftsmodelle brechen auf und es müssen neue Refinanzierungsmodelle gefunden werden. Mit dem großen strukturellen Unterschied, dass in vielen Fällen die Kundenbeziehung zum TV-Haushalt von der Wohnungswirtschaft auf den Netzbetreiber übergehen wird. Sich den daraus ergebenden Herausforderungen zu stellen, bedarf Zeit und einer entsprechenden Übergangsfrist.
teltarif.de: Beobachten Sie vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklung bereits Kundenwachstum?
Jörg Meyer: Wir gehen davon aus, dass viele Haushalte in Deutschland von der neuen Gesetzesregelung noch nicht gehört haben. Das wird sicherlich auch erst einmal so bleiben. TV-Anbieter, Netzbetreiber und Wohnungswirtschaft müssen sich jetzt bis 2024 der Aufgabe stellen, betroffene Haushalte über diese Neuregelung zu informieren. Von daher, nein. Auf unser Nutzerwachstum hat das bisher keine Auswirkungen.
teltarif.de: Wie gestaltet sich die Situation für Kabelnetzbetreiber in Ihrem Heimatmarkt Schweiz und wie hoch ist dort die Nutzung von OTT-Diensten?
Jörg Meyer: Aktuelle Zahlen sowie eigene Studien zeigen, dass in der Schweiz die Akzeptanz und die Verbreitung von Internetfernsehen viel höher ist als in Deutschland. Laut unserer Studie, die wir jedes Jahr mit dem Marktforschungsunternehmen Kantar durchführen, nutzt bereits mehr als die Hälfte der Befragten IPTV- oder TV-Streaming-Angebote. Letztere werden von mehr als 25 Prozent genutzt – Tendenz steigend. Konkret schätzen wir, dass in der Schweiz rund 5 Prozent der TV-Haushalte einen kostenpflichtigen TV-Streaming-Dienst wie Zattoo nutzen. Das mag in Teilen auch daran liegen, dass in der Schweiz, im Gegensatz zu Deutschland, betroffene Haushalte schon seit einigen Jahren ihren Kabelanschluss jederzeit bei den Vermietenden kündigen können.
teltarif.de: Sicherlich wird insbesondere Vodafone nicht Millionen potenzielle TV-Kunden kommentarlos ziehen lassen. Vorstellbar wäre zum Beispiel, dass die Düsseldorfer selbst attraktivere TV-Pakete schnüren und damit sogar Kunden der OTT-Konkurrenz abwerben. Wären Sie auf eine solche Entwicklung vorbereitet und könnten mit entsprechenden Angeboten reagieren?
Jörg Meyer: Wir gehen fest davon aus, dass der Wegfall der Umlagefähigkeit zu einem starken Wachstum von IPTV- und TV-Streaming-Abonnenten führen wird. Ebenso fest rechnen wir damit, dass auch die großen IPTV-Anbieter ihre bereits bestehenden Aktivitäten im Bereich TV-Streaming weiter intensivieren werden. In einem so stark wachsenden Marktsegment stellen wir uns gerne diesem Wettbewerb. Zu der Frage, ob dies Anpassungen unserer Angebotsstruktur bedarf, werden wir uns in den nächsten Monaten ein Urteil bilden und dann gewohnt flexibel handeln.
teltarif.de: Kleinere Kabelnetzbetreiber setzten schon jetzt z.B. auf IPTV-Angebote mit Kooperationspartnern. Welche Auswirkungen könnte ein Wegfall des Nebenkostenprivilegs auch dort haben?
Jörg Meyer: Unabhängig vom Wegfall der Umlagefähigkeit kann man sagen, dass der Betrieb und die laufende Weiterentwicklung einer wettbewerbsfähigen IPTV-Plattform zunehmend komplexer werden. Die Komplexität wird dabei unter anderem getrieben durch die vermehrte Verknüpfung von live und zeitversetztem Fernsehen, von On-Demand-Formaten und der Verfügbarkeit auf mobilen Endgeräten und Connected-TVs. Aber auch von der Unterstützung der vielfältigen Anforderungen der Inhalte-Partner bis hin zur Ermöglichung neuer Geschäftsmodelle im Bereich werbefinanzierter Sender. Auch heute muss sich jeder Netzbetreiber kritisch mit der Frage beschäftigen, ob er ein eigenes TV-Produkt anbieten möchte, ob er die dafür notwendige Plattform selber bauen oder ob er Teile der Entwicklung oder gar den ganzen TV-Service outsourcen möchte. Zu den unterschiedlichen Handlungsoptionen tauschen wir uns quasi täglich mit unseren B2B-Kunden aus. Grundsätzlich sehen wir die Chance, dass IPTV in den nächsten Jahren noch einmal richtig an Fahrt gewinnt. Welche Handlungsoption für die einzelnen Netzbetreiber die zu präferierende ist, hängt nicht zuletzt von strategischen Überlegungen des Netzbetreibers aber auch seiner Größe ab. Wir gehen derzeit davon aus, dass sich sowohl die Anzahl neuer IPTV-Angebote als auch die Anzahl von Distributionspartnerschaften zwischen Netzbetreiber und TV-Anbietern in den nächsten Jahren erhöhen wird.
teltarif.de: Verfügen Sie über aktuelle Zahlen darüber, wie viele TV-Kabelkunden schon jetzt zusätzlich Zattoo nutzen?
Jörg Meyer: Der mit Abstand größte Teil der Zattoo-Abonnenten gibt an, Zattoo als einzigen Service für den TV-Empfang zu nutzen. Wie viele von diesen Abonnenten einen Basis Kabelanschluss über die Nebenkosten in ihrem Mietvertrag vergüten, de-facto aber nicht nutzen, ist uns nicht bekannt.
teltarif.de: Ein wichtiges Ziel für OTT-Dienste ist, dass der Bedienkomfort sich zum Beispiel mit Blick auf die Umschaltzeiten nicht von Sat oder Kabel-TV unterscheidet. Vor diesem Hintergrund hat Ihr Mitbewerber waipu.tv kürzlich einen eigenen Streaming-Stick auf den Markt gebracht, der die Usability für TV-Zuschauer verbessert. Arbeiten Sie an einem vergleichbaren Produkt?
Jörg Meyer: Für das Zattoo Endkundengeschäft arbeiten wir nicht an einer eigenen Hardware. Wir sind davon überzeugt, dass der Bedienkomfort auf bereits vorhandenen Geräten des Nutzers, insbesondere Connected-TVs und Streaming Sticks, dem Komfort auf einer eigenen Hardware in nichts nachstehen muss. Anders ist dies in der Zusammenarbeit mit unseren B2B-Kunden. Je nach strategischen Erwägungen und dem jeweiligen Marktumfeld gehört eine von unserem Kunden herausgegebene IPTV-Box zu unserem Serviceangebot.
teltarif.de: Welche weiteren Maßnahmen stehen bei Ihnen im Fokus, um ehemaligen Kabelkunden das OTT-Angebot schmackhaft zu machen?
Jörg Meyer: Mit Blick auf das Zattoo Endkundengeschäft ändert sich in dieser Hinsicht nicht viel an einem unserer Kern-Aufgabenschwerpunkte der letzten Jahre: Wir wollen, dass möglichst viele Endkunden TV-Streaming- und IPTV-Dienste wie Zattoo, als die bessere Alternative zu klassischem Satelliten- und einfachem Kabelfernsehen erkennen. Natürlich arbeiten wir laufend daran, das Angebot an Inhalten, relevante Funktionen und den Bedienkomfort zu verbessern. Im Kern geht es aber darum, dass die Endkunden die Vorteile für sich erkennen und in ihrer Nutzung erfahren können. Dazu gehören eine einfache Installation, keine langen Vertragslaufzeiten und zusätzliche Receiver sowie Fernsehen einfach schauen, wo und wann man will.
teltarif.de: Das Thema Latenz bei Live-Sportübertragungen hält sicherlich viele Kabelkunden nach wie vor davon ab, zu IPTV oder OTT zu wechseln. Wie ist diesbezüglich bei Zattoo der Stand der Dinge?
Jörg Meyer: Live-Sport-Events sind nach wie vor ein großer Wachstumstreiber für uns. Wir werden allerdings schon lange nicht mehr nur ausschließlich zu diesem Zweck genutzt. Für immer mehr Nutzer sind wir bereits eine vollumfängliche TV-Alternative zu Kabel oder Satellit. TV-Streaming bringt im Gegensatz zum Empfang via einfachem Kabel- oder Satellitenfernsehen viele Vorteile mit sich, die besonders Kunden zu schätzen wissen, die viel Wert auf ein flexibles und individuelles Nutzererlebnis legen. Und die Latenz bei Zattoo wird immer geringer. So haben wir zur EM in diesem Jahr die Zeitverzögerung auf den meisten Geräten auf gerade einmal 10 Sekunden reduziert. Damit liegen wir laut Tests nur wenige Sekunden hinter dem Kabel-Signal. Mit den uns zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten arbeiten wir daran, diese Latenz noch weiter zu reduzieren.
teltarif.de: Herr Meyer, vielen Dank für das Gespräch.
Zur Person: Jörg Meyer
Jörg Meyer ist Chief Officer Content and Consumer bei Zattoo. Vorher war er als Projektleiter bei einem Managementberatungsunternehmen tätig, wo er insbesondere auf Projekten im Telekommunikationsbereich eingesetzt war (Telkos, Kabelbetreiber, Satellitenbetreiber, Internet Service Provider, IT Service Provider). Meyer hat Internationale Betriebswirtschaftslehre an der Friedrich-Alexander Universität Nürnberg-Erlangen und der Universidad de Buenos Aires studiert.
Quelle; teltarif
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Zattoo-CCO Jörg Meyer
Foto: Zattoo/Nadine Stenzel
Mit Wegfall der Umlagefähigkeit des Kabelanschlusses auf die Mietnebenkosten kommt der TV-Markt wieder in Bewegung. Viele der Millionen Wohnungsmieter dürften sich deshalb bald nach für sie günstigeren oder attraktiveren Optionen umschauen.
Profitieren könnten davon mitunter auch Streaming-Dienste. Darüber sprechen wir im Interview mit Zattoo-CCO Jörg Meyer.
teltarif.de: Herr Meyer, das Ende des Nebenkostenprivilegs ist politisch beschlossene Sache. Doch warum ist ausgerechnet dies überhaupt ein wichtiges Thema für Zattoo als OTT-Plattform? Schließlich könnten betroffene Kunden auch zu kostenfreien Alternativen wie Satellitenfernsehen oder IPTV-Angeboten ihres DSL-Anbieters wechseln.
Jörg Meyer: Zum ersten Mal müssen mehr als 12 Millionen Haushalte in Deutschland die Entscheidung treffen, ob sie ihr Fernsehprogramm nach wie vor über ihren Kabelanschluss empfangen wollen oder auf alternative TV-Empfangswege umsteigen. Ab dem 1. Juli 2024 wird dies eine Entscheidung sein, die jeder dieser Haushalte aktiv fällen muss. Viele Haushalte werden sich über aktuelle TV-Angebote informieren und dabei feststellen, dass IPTV- und TV-Streaming-Dienste deutlich mehr Funktionalitäten und Komfort bieten, als ihr bisheriger einfacher Kabelanschluss oder Satellitenfernsehen. Die Vorteile von IPTV und TV-Streaming liegen dabei nicht nur in den Möglichkeiten des zeitversetzten Fernsehens und der Möglichkeit zu Hause auf mobilen Endgeräten oder Connected-TVs zu schauen, sondern auch im Umfang und der Bildqualität der angebotenen Sender und Inhalte. TV-Streaming-Anbieter wie Zattoo genauso wie IPTV-Anbieter standen schon immer vor der Herausforderung, potenzielle Nutzer von den Vorteilen gegenüber anderen Empfangsarten zu überzeugen. Mit dem Wegfall der Kabel-TV-Umlage bietet sich die Gelegenheit fast ein Drittel der deutschen TV-Haushalte über die Vorzüge von TV-Streaming und IPTV zu informieren. Wir sehen dies als Chance für die gesamte TV-Branche, nicht zuletzt auch für die Fernsehsender: Je mehr die Zuschauer den Komfort von TV-Streaming und IPTV verstehen und nutzen, umso stärker wird Fernsehen den veränderten Nutzungserwartungen durch On-Demand-Plattformen gerecht – und um so länger werden Zuschauer dem Fernsehen treu bleiben.
teltarif.de: Kommt die Abschaffung des Nebenkostenprivilegs aus Ihrer Sicht zu spät? Jörg Meyer: Nein. Darüber, ob die Umlagefähigkeit noch zeitgemäß ist, wurde in der Branche in den letzten Jahren viel diskutiert. Der Gesetzgeber hat mit der Gesetzesänderung jetzt eine Antwort auf diese Frage gegeben. Deshalb sprechen wir bei Zattoo auch nicht länger von einem "Nebenkostenprivileg", sondern von der "Umlagefähigkeit der Kosten für Kabel-TV". Uns ist bewusst, dass die Umlagefähigkeit Grundlage für viele langjährige geschäftliche Beziehungen ist, insbesondere zwischen Netzbetreibern und der Wohnungswirtschaft. Zudem ist sie ein wesentlicher Bestandteil der Wirtschaftlichkeitsanalyse vieler Netzbetreiber für in den letzten Jahren getroffene Investitionsentscheidungen. Daher haben wir Verständnis für die aus Verbrauchersicht relativ lange Übergangsfrist bis 2024. Aus unserem eigenen B2B-Geschäft wissen wir, vor welchen immensen Herausforderungen gerade kleinere Netzbetreiber und Anbieter von Kabel-TV aufgrund des Wegfalls der Umlagefähigkeit stehen. Bestehende Geschäftsmodelle brechen auf und es müssen neue Refinanzierungsmodelle gefunden werden. Mit dem großen strukturellen Unterschied, dass in vielen Fällen die Kundenbeziehung zum TV-Haushalt von der Wohnungswirtschaft auf den Netzbetreiber übergehen wird. Sich den daraus ergebenden Herausforderungen zu stellen, bedarf Zeit und einer entsprechenden Übergangsfrist.
teltarif.de: Beobachten Sie vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklung bereits Kundenwachstum?
Jörg Meyer: Wir gehen davon aus, dass viele Haushalte in Deutschland von der neuen Gesetzesregelung noch nicht gehört haben. Das wird sicherlich auch erst einmal so bleiben. TV-Anbieter, Netzbetreiber und Wohnungswirtschaft müssen sich jetzt bis 2024 der Aufgabe stellen, betroffene Haushalte über diese Neuregelung zu informieren. Von daher, nein. Auf unser Nutzerwachstum hat das bisher keine Auswirkungen.
teltarif.de: Wie gestaltet sich die Situation für Kabelnetzbetreiber in Ihrem Heimatmarkt Schweiz und wie hoch ist dort die Nutzung von OTT-Diensten?
Jörg Meyer: Aktuelle Zahlen sowie eigene Studien zeigen, dass in der Schweiz die Akzeptanz und die Verbreitung von Internetfernsehen viel höher ist als in Deutschland. Laut unserer Studie, die wir jedes Jahr mit dem Marktforschungsunternehmen Kantar durchführen, nutzt bereits mehr als die Hälfte der Befragten IPTV- oder TV-Streaming-Angebote. Letztere werden von mehr als 25 Prozent genutzt – Tendenz steigend. Konkret schätzen wir, dass in der Schweiz rund 5 Prozent der TV-Haushalte einen kostenpflichtigen TV-Streaming-Dienst wie Zattoo nutzen. Das mag in Teilen auch daran liegen, dass in der Schweiz, im Gegensatz zu Deutschland, betroffene Haushalte schon seit einigen Jahren ihren Kabelanschluss jederzeit bei den Vermietenden kündigen können.
teltarif.de: Sicherlich wird insbesondere Vodafone nicht Millionen potenzielle TV-Kunden kommentarlos ziehen lassen. Vorstellbar wäre zum Beispiel, dass die Düsseldorfer selbst attraktivere TV-Pakete schnüren und damit sogar Kunden der OTT-Konkurrenz abwerben. Wären Sie auf eine solche Entwicklung vorbereitet und könnten mit entsprechenden Angeboten reagieren?
Jörg Meyer: Wir gehen fest davon aus, dass der Wegfall der Umlagefähigkeit zu einem starken Wachstum von IPTV- und TV-Streaming-Abonnenten führen wird. Ebenso fest rechnen wir damit, dass auch die großen IPTV-Anbieter ihre bereits bestehenden Aktivitäten im Bereich TV-Streaming weiter intensivieren werden. In einem so stark wachsenden Marktsegment stellen wir uns gerne diesem Wettbewerb. Zu der Frage, ob dies Anpassungen unserer Angebotsstruktur bedarf, werden wir uns in den nächsten Monaten ein Urteil bilden und dann gewohnt flexibel handeln.
teltarif.de: Kleinere Kabelnetzbetreiber setzten schon jetzt z.B. auf IPTV-Angebote mit Kooperationspartnern. Welche Auswirkungen könnte ein Wegfall des Nebenkostenprivilegs auch dort haben?
Jörg Meyer: Unabhängig vom Wegfall der Umlagefähigkeit kann man sagen, dass der Betrieb und die laufende Weiterentwicklung einer wettbewerbsfähigen IPTV-Plattform zunehmend komplexer werden. Die Komplexität wird dabei unter anderem getrieben durch die vermehrte Verknüpfung von live und zeitversetztem Fernsehen, von On-Demand-Formaten und der Verfügbarkeit auf mobilen Endgeräten und Connected-TVs. Aber auch von der Unterstützung der vielfältigen Anforderungen der Inhalte-Partner bis hin zur Ermöglichung neuer Geschäftsmodelle im Bereich werbefinanzierter Sender. Auch heute muss sich jeder Netzbetreiber kritisch mit der Frage beschäftigen, ob er ein eigenes TV-Produkt anbieten möchte, ob er die dafür notwendige Plattform selber bauen oder ob er Teile der Entwicklung oder gar den ganzen TV-Service outsourcen möchte. Zu den unterschiedlichen Handlungsoptionen tauschen wir uns quasi täglich mit unseren B2B-Kunden aus. Grundsätzlich sehen wir die Chance, dass IPTV in den nächsten Jahren noch einmal richtig an Fahrt gewinnt. Welche Handlungsoption für die einzelnen Netzbetreiber die zu präferierende ist, hängt nicht zuletzt von strategischen Überlegungen des Netzbetreibers aber auch seiner Größe ab. Wir gehen derzeit davon aus, dass sich sowohl die Anzahl neuer IPTV-Angebote als auch die Anzahl von Distributionspartnerschaften zwischen Netzbetreiber und TV-Anbietern in den nächsten Jahren erhöhen wird.
teltarif.de: Verfügen Sie über aktuelle Zahlen darüber, wie viele TV-Kabelkunden schon jetzt zusätzlich Zattoo nutzen?
Jörg Meyer: Der mit Abstand größte Teil der Zattoo-Abonnenten gibt an, Zattoo als einzigen Service für den TV-Empfang zu nutzen. Wie viele von diesen Abonnenten einen Basis Kabelanschluss über die Nebenkosten in ihrem Mietvertrag vergüten, de-facto aber nicht nutzen, ist uns nicht bekannt.
teltarif.de: Ein wichtiges Ziel für OTT-Dienste ist, dass der Bedienkomfort sich zum Beispiel mit Blick auf die Umschaltzeiten nicht von Sat oder Kabel-TV unterscheidet. Vor diesem Hintergrund hat Ihr Mitbewerber waipu.tv kürzlich einen eigenen Streaming-Stick auf den Markt gebracht, der die Usability für TV-Zuschauer verbessert. Arbeiten Sie an einem vergleichbaren Produkt?
Jörg Meyer: Für das Zattoo Endkundengeschäft arbeiten wir nicht an einer eigenen Hardware. Wir sind davon überzeugt, dass der Bedienkomfort auf bereits vorhandenen Geräten des Nutzers, insbesondere Connected-TVs und Streaming Sticks, dem Komfort auf einer eigenen Hardware in nichts nachstehen muss. Anders ist dies in der Zusammenarbeit mit unseren B2B-Kunden. Je nach strategischen Erwägungen und dem jeweiligen Marktumfeld gehört eine von unserem Kunden herausgegebene IPTV-Box zu unserem Serviceangebot.
teltarif.de: Welche weiteren Maßnahmen stehen bei Ihnen im Fokus, um ehemaligen Kabelkunden das OTT-Angebot schmackhaft zu machen?
Jörg Meyer: Mit Blick auf das Zattoo Endkundengeschäft ändert sich in dieser Hinsicht nicht viel an einem unserer Kern-Aufgabenschwerpunkte der letzten Jahre: Wir wollen, dass möglichst viele Endkunden TV-Streaming- und IPTV-Dienste wie Zattoo, als die bessere Alternative zu klassischem Satelliten- und einfachem Kabelfernsehen erkennen. Natürlich arbeiten wir laufend daran, das Angebot an Inhalten, relevante Funktionen und den Bedienkomfort zu verbessern. Im Kern geht es aber darum, dass die Endkunden die Vorteile für sich erkennen und in ihrer Nutzung erfahren können. Dazu gehören eine einfache Installation, keine langen Vertragslaufzeiten und zusätzliche Receiver sowie Fernsehen einfach schauen, wo und wann man will.
teltarif.de: Das Thema Latenz bei Live-Sportübertragungen hält sicherlich viele Kabelkunden nach wie vor davon ab, zu IPTV oder OTT zu wechseln. Wie ist diesbezüglich bei Zattoo der Stand der Dinge?
Jörg Meyer: Live-Sport-Events sind nach wie vor ein großer Wachstumstreiber für uns. Wir werden allerdings schon lange nicht mehr nur ausschließlich zu diesem Zweck genutzt. Für immer mehr Nutzer sind wir bereits eine vollumfängliche TV-Alternative zu Kabel oder Satellit. TV-Streaming bringt im Gegensatz zum Empfang via einfachem Kabel- oder Satellitenfernsehen viele Vorteile mit sich, die besonders Kunden zu schätzen wissen, die viel Wert auf ein flexibles und individuelles Nutzererlebnis legen. Und die Latenz bei Zattoo wird immer geringer. So haben wir zur EM in diesem Jahr die Zeitverzögerung auf den meisten Geräten auf gerade einmal 10 Sekunden reduziert. Damit liegen wir laut Tests nur wenige Sekunden hinter dem Kabel-Signal. Mit den uns zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten arbeiten wir daran, diese Latenz noch weiter zu reduzieren.
teltarif.de: Herr Meyer, vielen Dank für das Gespräch.
Zur Person: Jörg Meyer
Jörg Meyer ist Chief Officer Content and Consumer bei Zattoo. Vorher war er als Projektleiter bei einem Managementberatungsunternehmen tätig, wo er insbesondere auf Projekten im Telekommunikationsbereich eingesetzt war (Telkos, Kabelbetreiber, Satellitenbetreiber, Internet Service Provider, IT Service Provider). Meyer hat Internationale Betriebswirtschaftslehre an der Friedrich-Alexander Universität Nürnberg-Erlangen und der Universidad de Buenos Aires studiert.
Quelle; teltarif