AW: Umzugsaufforderung wegen 1,78 Euro zu hoher Miete
Jetzt mal richtig:
Olaf Harning | Die Umzugsaufforderungen des Segeberger Jobcenters sorgen seit Jahren für Kritik. Jetzt wurde eine alleinerziehende Mutter in Norderstedt aufgefordert, wegen einer 1,78 Euro zu teuren Wohnung umzuziehen. Doch die Hartz-IV-Behörde wehrt sich: Der Betrag bezieht sich nicht auf die umstrittene Miethöchstgrenze im Kreis.
Die betroffene Frau lebt mit ihren zwei Kindern in einer 68 Quadratmeter großen Wohnung in Norderstedt. Mit Schreiben vom 18. März 2014 ist sie vom Jobcenter aufgefordert worden, ihre "
Unterkunftskosten zu senken" - soll heißen: umzuziehen. Um nur 1,78 Euro, kritisiert der Kieler Sozialrechtler
Helge Hildebrandt, liege ihr Mietpreis "
über der vom Jobcenter als maßgeblich erachteten Mietobergrenze", außerdem werde in dem Schreiben fälschlicherweise behauptet, nicht angemessene Unterkunftskosten könnten "
in der Regel längstens für drei Monate anerkannt werden." Tatsächlich heißt es in
wörtlich: "(...)
in der Regel jedoch längstens für sechs Monate."
Die Tabelle der Mietobergrenzen für den Kreis Segeberg. Zumindest die für Norderstedt berechneten Werte sind fern jeder Realität. Wohl auch deshalb orientiert sich das Jobcenter inwischen eher an der Wohngeldtabelle. (Scan: Infoarchiv)
Doch
Jürgen Hoffmann, beim Jobcenter zuständig für den Bereich "Leistung", widerspricht - zumindest in Teilen: Die Überschreitung um 1,78 Euro beziehe sich nämlich nicht auf die zur Zeit in Überarbeitung befindliche Miethöchstgrenze des Kreises, sondern auf eine Tabelle im Wohngeldgesetz. Und die sieht für eine dreiköpfige "Bedarfsgemeinschaft" immerhin 594 Euro vor. Diesen Wert überschreite der Mietpreis der Betroffenen zwar nur um die erwähnten 1,78 Euro, liege damit aber eben schon gut 70 Euro höher, als es die vom Büro "Analyse & Konzepte"
vorsieht. Bei einer solchen Differenz, so Hoffmann, habe das Jobcenter "
kaum eine andere Wahl", als die Senkung der Unterkunftskosten anzumahnen.
Mag das rechtlich korrekt sein, heißt das im konkreten Fall jedoch weder, dass die Familie tatsächlich umziehen muss, noch dass sie die Differenz zur Wohngeldtabelle selber übernimmt. In Norderstedt nämlich herrscht zur Zeit eine allenthalben spürbare Wohnungsnot, außerdem fallen zwischen dem Jahr 2000 und 2018 gut zwei Drittel aller Sozialwohnungen aus der Mietpreisbindung, werden also deutlich im Preis steigen. Weil es damit so gut wie unmöglich ist, eine Wohnung zu finden, die der fragwürdigen Miethöchstgrenze des Kreises entspricht, muss das Jobcenter die zu hohen Mieten unbegrenzt weiterzahlen - vorausgesetzt, die Betroffenen dokumentieren der Behörde gegenüber, dass sie sich regelmäßig auf dem Wohnungsmarkt nach Alternativen umsehen.
Die Situation für Wohnungssuchende ist inzwischen derart prekär, dass die meisten sozialen Träger und Beratungsstellen in Norderstedt ihrem Klientel sogar davon abraten, einen Wohnberechtigungsschein zu beantragen. Da es entsprechend günstigen Wohnraum schlicht nicht gebe, lohne der Aufwand nicht, so heißt es.
Quelle:
bebe