Die Bundesregierung schlägt Alarm: Millionen von Elektrogeräten dürfen ab Juni nicht mehr im Handel verkauft werden. Schuld ist eine auslaufende EU-Richtlinie. Nicht nur die Verbraucher würden unter den fatalen Folgen leiden.
Millionen von Elektrogeräten dürfen ab Juni nicht mehr im Handel verkauft werden. Schuld ist eine auslaufende EU-Richtlinie. Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries schlägt nun Alarm.
Die Auswahl an Mobiltelefonen, WLAN-Routern oder Navigationsgeräten könnte in der Europäischen Union (EU) möglicherweise bald schrumpfen. Ab diesem Sommer müssten Regale leer bleiben, weil eine bestehende EU-Richtlinie, die die technischen Standards festschreibt, ausläuft. Das trifft Produkte, die Funksignale senden und empfangen können. Denn die Kommission in Brüssel hat es schlicht versäumt, rechtzeitig neue Normen ausarbeiten zu lassen.
Die Bundesregierung schlägt nun Alarm und zeigt sich in einem Brief an die Kommission „besorgt über die fehlende Bereitstellung ... europäischer Normen“. In einem Schreiben an Industriekommissarin Elzbieta Bienkowska, das der „Welt“ vorliegt, warnt Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries: „Nach Ablauf der Übergangsfrist werden ab Juni 2017 zahllose neue, innovative Produkte aufgrund fehlender Zulassungsnormen nicht auf den Markt gebracht. Alte Produkte von Tausenden europäischer Hersteller können nicht mehr verkauft und müssten vom Markt genommen werden.“
Die Folgen wären weitreichend. Vor allem sind natürlich Verbraucher betroffen, aber auch die Industrie und der Handel – und das nicht nur in Deutschland. Ohne eine neue Norm für funktaugliche Geräte „drohen nicht nur volkswirtschaftliche Schäden in allen Mitgliedsstaaten und bei zahllosen Unternehmen, sondern auch Gefährdungen für die Arbeitsplätze in der Elektro- und Elektronikindustrie sowie im Handel“, schreibt Zypries.
Monate hinter dem Zeitplan
Das Problem ist entstanden, weil die Kommission nach Ansicht der Bundesregierung bei der Umsetzung einer neuen Richtlinie für Elektronikgeräte geschlampt hat. Die Richtlinie 2014/53/EU regelt genau, welche Eigenschaften Geräte haben müssen, die Funkwellen empfangen oder senden können. Die sogenannte Radio Equipment Directive (RED) wurde bereits 2014 verabschiedet, formell gilt sie seit dem Juni 2016.
Doch diese Richtlinie allein hilft den Herstellern nicht bei der Produktion ihrer Geräte – dazu ist sie viel zu allgemein formuliert. Wie genau beispielsweise ein Smartphone oder ein Navigationsgerät gebaut sein muss, damit es der Richtlinie entspricht, legen stattdessen sogenannte harmonisierte Europäische Normen (hEN) fest.
Diese Normen werden von der europäischen Normungsorganisation ETSI verabschiedet. Diese Normungsorganisation hängt aber mit der Formulierung der Normen um Monate hinter dem Zeitplan hinterher. Bislang sind nur eine Handvoll dieser neuen Normen veröffentlicht. Die Bundesregierung macht kein Hehl daraus, dass sie die Ursache dafür in der Fehlplanung der Kommission sieht.
So sei in diesem Fall das „Normungsmandat deutlich später als üblich – nämlich mehr als zwölf Monate nach Veröffentlichung der Richtlinie – an die ETSI ausgereicht worden“, beklagt Zypries. „Auch wurden Normen, die bereits von ETSI fertiggestellt und ... verabschiedet wurden, nicht von der Kommission veröffentlicht.“ Das liege an der „zunehmend detaillierten Prüfung, die die Kommission der Veröffentlichung vorschaltet“, kritisiert die Ministerin.
Jedes Gerät müsste einzeln vorgelegt werden
Das Ergebnis ist, dass inzwischen eine Reihe wirklich relevanter Baunormen fehlt. So soll zum Beispiel die Baunorm ETSI EN 301 893 für sämtliche Geräte, die nach aktuellen Fünf-GHz-WLAN-Standards funken, etwa frühestens im Herbst dieses Jahres finalisiert werden. Was so technisch trocken daherkommt, „bedeutet schlicht, dass die Hersteller von Funkprodukten ab Mitte Juni ihre Geräte nicht mehr vertreiben dürften“, sagt Urban Bastert vom Router-Hersteller AVM.
Denn bislang können die Hersteller dieser Geräte anhand der Normen der ETSI selbst darauf achten, dass ihre Neuentwicklungen den EU-Vorgaben entsprechen. Sobald diese Normen jedoch fehlen, müssen die Hersteller jedes neue Gerät einzeln bei Prüforganisationen – sogenannte notifizierte Stellen – vorlegen. Das jedoch dürfte für die Mehrzahl asiatischer Elektronikhersteller kaum möglich sein.
Solche Einzelprüfungen sind zeitlich aufwendig und teuer, erklärt Bastert. „Die Alternativ- beziehungsweise Notlösung der Konformitätsprüfung durch eine externe Stelle ist wegen Überlastung wohl auch so gut wie nicht mehr möglich und brächte zudem unabschätzbare administrative und finanzielle Belastungen mit sich“, prognostiziert er.
Gegenseitig schiebt man sich die Verantwortung zu
De facto bedeutet das Versäumnis der EU, dass ab Juni nur noch solche Geräte auf den Markt kommen werden, deren Hersteller sich aufgrund hoher Margen oder hoher Stückzahlen die teure Einzelprüfung leisten können. „Die EU-Kommission hat bislang noch keinen substanziellen Lösungsvorschlag unterbreitet. Tut sie dies weiterhin nicht, käme dies einer nahezu vollständigen Blockade des Marktzugangs für die Hersteller von Funkprodukten gleich“, glaubt Bastert.
Wer die Schuld an der Verzögerung trägt, ist nicht ganz klar: EU und ETSI schieben sich aktuell gegenseitig die Verantwortung dafür zu. Ministerin Zypries sagt, die Bundesregierung habe das Problem mehrfach und von verschiedenen Stellen an die Kommission herangetragen. „Leider haben wir bislang keine Antwort auf unsere Lösungsvorschläge erhalten.“
Es sei auch nicht klar, welche Schritte die Kommission unternehmen will, um die „drohende Regulierungslücke“ zu schließen und damit „das Vertrauen von Unternehmen und Verbrauchern in das Funktionieren des Binnenmarktes zu erhalten“, so die Ministerin.
Zypries schlägt nun vor, die Übergangsfrist für die alten Normen noch einmal zu verlängern oder neue, bereits fertiggestellte Normen befristet in Kraft zu setzen, um so ein heilloses Chaos auf dem Markt für Elektronikprodukte in der EU abzuwenden. Die Alternative wäre, die besagte Richtlinie 2014/53/EU, also die Radio Equipment Directive, zu ändern und darin neue Übergangsfristen zu formulieren. Egal wie: Zypries bittet die Industriekommissarin „herzlich und dringend, vor Fristablauf im Sommer einen lösungsorientierten Weg zu beschreiten“.
Quelle; welt
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Millionen von Elektrogeräten dürfen ab Juni nicht mehr im Handel verkauft werden. Schuld ist eine auslaufende EU-Richtlinie. Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries schlägt nun Alarm.
Die Auswahl an Mobiltelefonen, WLAN-Routern oder Navigationsgeräten könnte in der Europäischen Union (EU) möglicherweise bald schrumpfen. Ab diesem Sommer müssten Regale leer bleiben, weil eine bestehende EU-Richtlinie, die die technischen Standards festschreibt, ausläuft. Das trifft Produkte, die Funksignale senden und empfangen können. Denn die Kommission in Brüssel hat es schlicht versäumt, rechtzeitig neue Normen ausarbeiten zu lassen.
Die Bundesregierung schlägt nun Alarm und zeigt sich in einem Brief an die Kommission „besorgt über die fehlende Bereitstellung ... europäischer Normen“. In einem Schreiben an Industriekommissarin Elzbieta Bienkowska, das der „Welt“ vorliegt, warnt Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries: „Nach Ablauf der Übergangsfrist werden ab Juni 2017 zahllose neue, innovative Produkte aufgrund fehlender Zulassungsnormen nicht auf den Markt gebracht. Alte Produkte von Tausenden europäischer Hersteller können nicht mehr verkauft und müssten vom Markt genommen werden.“
Die Folgen wären weitreichend. Vor allem sind natürlich Verbraucher betroffen, aber auch die Industrie und der Handel – und das nicht nur in Deutschland. Ohne eine neue Norm für funktaugliche Geräte „drohen nicht nur volkswirtschaftliche Schäden in allen Mitgliedsstaaten und bei zahllosen Unternehmen, sondern auch Gefährdungen für die Arbeitsplätze in der Elektro- und Elektronikindustrie sowie im Handel“, schreibt Zypries.
Monate hinter dem Zeitplan
Das Problem ist entstanden, weil die Kommission nach Ansicht der Bundesregierung bei der Umsetzung einer neuen Richtlinie für Elektronikgeräte geschlampt hat. Die Richtlinie 2014/53/EU regelt genau, welche Eigenschaften Geräte haben müssen, die Funkwellen empfangen oder senden können. Die sogenannte Radio Equipment Directive (RED) wurde bereits 2014 verabschiedet, formell gilt sie seit dem Juni 2016.
Doch diese Richtlinie allein hilft den Herstellern nicht bei der Produktion ihrer Geräte – dazu ist sie viel zu allgemein formuliert. Wie genau beispielsweise ein Smartphone oder ein Navigationsgerät gebaut sein muss, damit es der Richtlinie entspricht, legen stattdessen sogenannte harmonisierte Europäische Normen (hEN) fest.
Diese Normen werden von der europäischen Normungsorganisation ETSI verabschiedet. Diese Normungsorganisation hängt aber mit der Formulierung der Normen um Monate hinter dem Zeitplan hinterher. Bislang sind nur eine Handvoll dieser neuen Normen veröffentlicht. Die Bundesregierung macht kein Hehl daraus, dass sie die Ursache dafür in der Fehlplanung der Kommission sieht.
So sei in diesem Fall das „Normungsmandat deutlich später als üblich – nämlich mehr als zwölf Monate nach Veröffentlichung der Richtlinie – an die ETSI ausgereicht worden“, beklagt Zypries. „Auch wurden Normen, die bereits von ETSI fertiggestellt und ... verabschiedet wurden, nicht von der Kommission veröffentlicht.“ Das liege an der „zunehmend detaillierten Prüfung, die die Kommission der Veröffentlichung vorschaltet“, kritisiert die Ministerin.
Jedes Gerät müsste einzeln vorgelegt werden
Das Ergebnis ist, dass inzwischen eine Reihe wirklich relevanter Baunormen fehlt. So soll zum Beispiel die Baunorm ETSI EN 301 893 für sämtliche Geräte, die nach aktuellen Fünf-GHz-WLAN-Standards funken, etwa frühestens im Herbst dieses Jahres finalisiert werden. Was so technisch trocken daherkommt, „bedeutet schlicht, dass die Hersteller von Funkprodukten ab Mitte Juni ihre Geräte nicht mehr vertreiben dürften“, sagt Urban Bastert vom Router-Hersteller AVM.
Denn bislang können die Hersteller dieser Geräte anhand der Normen der ETSI selbst darauf achten, dass ihre Neuentwicklungen den EU-Vorgaben entsprechen. Sobald diese Normen jedoch fehlen, müssen die Hersteller jedes neue Gerät einzeln bei Prüforganisationen – sogenannte notifizierte Stellen – vorlegen. Das jedoch dürfte für die Mehrzahl asiatischer Elektronikhersteller kaum möglich sein.
Solche Einzelprüfungen sind zeitlich aufwendig und teuer, erklärt Bastert. „Die Alternativ- beziehungsweise Notlösung der Konformitätsprüfung durch eine externe Stelle ist wegen Überlastung wohl auch so gut wie nicht mehr möglich und brächte zudem unabschätzbare administrative und finanzielle Belastungen mit sich“, prognostiziert er.
Gegenseitig schiebt man sich die Verantwortung zu
De facto bedeutet das Versäumnis der EU, dass ab Juni nur noch solche Geräte auf den Markt kommen werden, deren Hersteller sich aufgrund hoher Margen oder hoher Stückzahlen die teure Einzelprüfung leisten können. „Die EU-Kommission hat bislang noch keinen substanziellen Lösungsvorschlag unterbreitet. Tut sie dies weiterhin nicht, käme dies einer nahezu vollständigen Blockade des Marktzugangs für die Hersteller von Funkprodukten gleich“, glaubt Bastert.
Wer die Schuld an der Verzögerung trägt, ist nicht ganz klar: EU und ETSI schieben sich aktuell gegenseitig die Verantwortung dafür zu. Ministerin Zypries sagt, die Bundesregierung habe das Problem mehrfach und von verschiedenen Stellen an die Kommission herangetragen. „Leider haben wir bislang keine Antwort auf unsere Lösungsvorschläge erhalten.“
Es sei auch nicht klar, welche Schritte die Kommission unternehmen will, um die „drohende Regulierungslücke“ zu schließen und damit „das Vertrauen von Unternehmen und Verbrauchern in das Funktionieren des Binnenmarktes zu erhalten“, so die Ministerin.
Zypries schlägt nun vor, die Übergangsfrist für die alten Normen noch einmal zu verlängern oder neue, bereits fertiggestellte Normen befristet in Kraft zu setzen, um so ein heilloses Chaos auf dem Markt für Elektronikprodukte in der EU abzuwenden. Die Alternative wäre, die besagte Richtlinie 2014/53/EU, also die Radio Equipment Directive, zu ändern und darin neue Übergangsfristen zu formulieren. Egal wie: Zypries bittet die Industriekommissarin „herzlich und dringend, vor Fristablauf im Sommer einen lösungsorientierten Weg zu beschreiten“.
Quelle; welt
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