Private werten Spartenkanal ZDFneo als "Frontalangriff"
Private werten Spartenkanal ZDFneo als "Frontalangriff"
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Das Programm von ZDFneo erfreut nicht jeden. Bei der Mediengruppe RTL und ProSiebenSat.1 ist man ganz außer sich. In dem Sender sieht man den Versuch, den Kommerziellen das Wasser abzugraben und will die Politik einschalten.
Seit Mittwoch dieser Woche ist nun das Programmschema des neuen Digitalkanals ZDFneo bekannt, der am 1. November aus dem ZDFDokukanal hervorgehen wird. Die Resonanz ist geteilt. Während das Programm bei der Zielgruppe – Menschen unter 50 Jahre – ersten Reaktionen im Internet zu Folge auf ein positives Echo stößt, zeigen sich die beiden großen privaten Fernsehkonzerne ProSiebenSat.1 Media AG und die Mediengruppe RTL Deutschland entrüstet. Hier befürchtet man, das ZDF plane mit einem gebührenfinanzierten Angebot „einen Frontalangriff auf die Kernkompetenzen kommerzieller Anbieter sowohl im Free-TV als auch im Pay-TV-Bereich“, sagt Tobias Schmid (Bild), Bereichsleiter Medienpolitik der Mediengruppe RTL Deutschland auf Nachfrage des Medienmagazins DWDL.de. Schmid ist zugleich Vizepräsident des Verbands privater Rundfunk und Telemedien (VPRT).
„Hier ensteht ein öffentlich-rechtliches Privatprogramm, das mitnichten neu ist, wie sein Name Glauben machen will“, empört sich auch Annette Kümmel, Senior Vice President Media Policy bei ProSiebenSat.1. Stein des Anstoßes: In Programmelementen wie US-Serien und Doku-Soaps rund um Hausbau und Hochzeit, die für ZDFneo angekündigt wurden, sieht man eine Kopie erfolgreicher Programmstrecken der Privaten. „Das einzige, was das Programm von einem kommerziellen Veranstalter unterscheidet, ist, dass wir in unseren Sendern auch Nachrichten ausstrahlen", sagt Schmid.
Dokumentationsprogramme, die – vor allem am Vorabend – ebenfalls für ZDFneo angekündigt wurden, bezeichnet Schmid als „Feigenblätter“. „Wir hätten nicht gedacht, dass unsere ursprüngliche Befürchtung so dreist realisiert wird“, so der RTL-Mann. Bei ihrer Kritik berufen sich die Privaten auf das Programmkonzept für den als ZDF-Familienkanal geplanten Sender, der mit dem 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag genehmigt worden ist.
Im abgesegneten Konzept heißt es: „Der ZDF-Familienkanal bietet ein Programm mit vielfältigen Inhalten aus den Bereichen Bildung, Kultur, Wissenschaft, Beratung, Information und Unterhaltung. Er bedient sich aller wichtigen Genres wie Dokumentation, Reportage, Fernsehfilm, Serie, Spielfilm, Magazin sowie Show/Talk und beschäftigt sich insbesondere mit Inhalten aus den Bereichen Gesellschaft und Erziehung, Ratgeber und Service, Wissenschaft und Natur, Geschichte und Zeitgeschehen sowie Kultur“. Bei der Zuschaueransprache solle eine „realitätsnahe Orientierungs- und Ratgeberfunktion“ im Mittelpunkt stehen.
Mit Blick auf ZDFneo-Programme wie „Mamas Traumjob“, „Der Extremtester“ und „neoMusic: Die Chartshow“ sagt Kümmel für ProSiebenSat.1: „Das Positive daran ist, dass damit endlich einmal klar gemacht wird, dass auch unsere Programme 'Orientierungs- und Ratgeberfunktion haben und 'auf anspruchsvolle Weise Entspannung und intelligente Unterhaltung' bieten“. Große Unterschiede zu den Programmen der Sender ihres Konzerns sieht sie in den vom ZDF angekündigten Sendungen nicht.
Kümmel kündigt an, dass man das Programm von ZDFneo „sehr genau anschauen“ werde. Man wolle „überprüfen, ob ein neuer Wettbewerber mit me-too Angebot an den Start gegangen ist, oder ob die Vorgaben des Programmkonzepts eingehalten wurden“. Sollte dies nicht der Fall sein, „werden wir den Staatsvertragsgeber in die Pflicht nehmen und endlich einmal die Wettbewerbsverzerrung korrigieren“, so Kümmel.
In der Mediengruppe RTL will man zunächst „sehen, ob die Gremien und die Staatskanzleien realisieren, dass das Konzept – freundlich formuliert – soweit ausgedehnt wird, dass es unerträglich ist“, so Schmid. „Ich bin gespannt, ob sich die Gremien, die sich nach und nach emanzipieren, trauen, diese Fragen zu stellen“, sagt er. Man selbst werde diese Fragen ebenfalls an die Politik richten müssen.
Die konkreten Befürchtungen der Privaten richten sich – neben dem Kampf um das junge Publikum, das bislang eher keine Domäne der Öffentlich-Rechtlichen war – auch auf die ökonomische Situation. Vor allem in puncto Filme und Serien befürchtet man, dass das ZDF künftig das Feld, das zuletzt eher die Privaten bestellt haben, mit beackert. „Wie groß die Gefahr für uns konkret ist, wird sich noch zeigen. Wir wissen aber: Wenn ARD und ZDF auf Einkaufstour gehen, hat das für uns keine positiven Effekte auf den Rechteerwerb“, erklärt Tobias Schmid für RTL.
Doch bevor die Politik sich mit ZDFneo auseinandersetzen wird, muss der Sender zunächst einmal an den Start gehen. Es bleibt abzuwarten, in welche Richtung sich das Programm, von dem bisher nur die erste Sendewoche bekannt ist, entwickeln wird. So ist ein Teil der Produktionen, der bereits vor dem Start kritisiert wird, nicht neu, sondern war bereits im Hauptprogramm des ZDF zu sehen. Auch der Sender selbst steht nicht zur Diskussion: Er ist vorerst im Staatsvertrag festgeschrieben. Den Korrekturbedarf sehen die Privaten im konkreten Programm.
Klar ist allerdings bereits jetzt, dass es das ZDF ernst meint mit seinen Bestrebungen, ein jüngeres Publikum für sich zu gewinnen, das im Hauptprogramm - vor allem in der Unterhaltung - kaum noch eine Programmheimat findet. Unfassbar sei es aber laut Schmid, dass der Kanal für das junge Publikum „bis auf kaum nachweisbare Spurenelemente vollkommen frei von Bildung, Kultur und Information ist und nun gebührenfinanzierte Unterhaltung zum alleinigen öffentlich-rechtlichen Selbstzweck wird“.
Quelle: dwdl