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PC & Internet Ausgesprochen peinlich – Abmahnfalle Wikipedia: Interview mit Simplicius.

Von wegen freies Wissen. Abmahnungen wegen der Nutzung von Werken aus dem Onlinelexikon Wikipedia werden in Deutschland zunehmend zu einem Problem. Manche Juristen haben sich in Zusammenarbeit mit Fotografen auf die Verfolgung derartiger Fälle spezialisiert und verdienen entsprechend daran. Simplicius, ein Mitglied der Wikipedia-Community, klärt auf.

Freies Wissen für freie Menschen? Der Ruf der Wikipedia-Community nach weniger Zwängen und einem unbehinderten Zugang zu Informationen führte in den letzten Jahren zunehmend zu einer juristischen Problematik, die für Webseitenbetreiber sehr teuer werden kann. Vorsicht bei Fotos, die der „freien Online-Enzyklopädie“ entnommen wurden! Die fehlende, falsch plazierte, nicht korrekte oder gar unvollständige Angabe des Urhebers und/oder der Lizenzen kann schon wenige Wochen nach Einbau des Bildes zu einer Abmahnung führen. Sind die Fotografen und ihre Juristen noch bei der Wikipedia gnädig, so ist dies bei der Verwendung durch Dritte nicht mehr zwingend der Fall. Letztlich geht es auch darum, wie auch immer Geld zu verdienen. Wir haben uns mit einem aktiven Mitglied der Wikipedia-Coummity über dieses strittige Thema unterhalten.

LS: Hallo Simplicius, seit wann bist du Autor in der Wikipedia?

SIMPLICIUS: Ich bin seit Frühjahr 2004 in die Wikipedia gekommen. Mein Interesse wurde damals durch einen Artikel im Spiegel geweckt. Mittlerweile investiere ich weniger Zeit und Energie, und das auch nicht mehr unter diesem Konto.

LS: Du bist im Diderot-Club aktiv. Was ist das?

SIMPLICIUS: Der Diderot-Club entstand auf private Initiative aus dem Benutzerkreis, damit man sich darin über Themen und Probleme in der Wikipedia ohne Tabus austauschen können soll. Es gibt zwei Seiten in der Wikipedia, weil zumeist eine der beiden Seiten durch die Adminschaft vollgesperrt ist oder gegen anonyme Beiträge gesperrt ist. In meinem Benutzerbereich liegt die Seite II.

LS: Auf dem Diderot-Club I entstand gerade eine Dokumentation von öffentlich gewordenen Fällen von Abmahnungen. Diese Dokumentation wurde von Administratoren der Wikipedia gelöscht, ist das richtig?

SIMPLICIUS: Ja, das ist richtig. Die Dokumentation nannte beispielhaft abmahnende Fotografen von Bildern, die auf den Servern von Wikipedia oder auf den Servern des gemeinsamen Depositoriums Wikimedia Commons abgelegt sind, und die Preislevel. Das wurde von den Admins als „Prangerseite“ bewertet. Im Internet finden sich aber eine Reihe von Berichten über Abmahner aus der Wikipedia, etwa Marco Almbauer, Martina Nolte, Ralf Roletschek, Alexander Savin, Wladyslaw Sojka (1), Sven Teschke, Dirk Vorderstraße, Thomas Wolf – nur um einige zu nennen. In der Wikipedia und insbesondere auf Commons sieht man teilweise von entsprechenden Vorbereitungen, etwa besondere Hinweise auf den Bildbeschreibungsseiten und besondere Wünsche bei den zur Verfügung gestellten Bildern. Das können Abmahnfallen sein. Es sollen vereinzelt auch Kämpfe unter den Autoren zu beobachten sein, solche eigene Bilder in den Artikeln prominent zu platzieren.



Wikipedia-Abmahnungen: Die Kosten liegen im drei- bis vierstelligen Bereich.
LS: Wie teuer können solche Abmahnungen werden?

SIMPLICIUS: Die Kosten liegen im dreistelligen und vierstelligen Bereich und werden häufig von den abmahnenden Anwälten wissentlich zu hoch angesetzt.

LS: Wie viele Abmahnungen gibt es in der Wikipedia?

SIMPLICIUS: Es dürfte sich um einige hundert Abmahnungen in den letzten Jahren handeln, eventuell sogar auch mehrere hundert Abmahnungen pro einzelnem Fotograf. Es gibt Anwälte, die sich regelrecht darauf spezialisiert zu haben scheinen, wie etwa der Anwalt Dr. jur. Hans G. Müsse, Hechingen, der eine Gruppe von Benutzern aus der Wikipedia vertritt. Oder auch der Anwalt Mag. Kurt Kulac in Österreich.

LS: Was ist der Grund für diese Problematik?

SIMPLICIUS: Es gibt Menschen, die Bildmaterial so übernehmen, wie sie es in der Wikipedia vorfinden. Sie finden es als Vorschaubild oder Bild eingebettet, ohne jede Hinweise auf den Fotografen, und ganz unten im Impressum der Seite steht irgendwas mit „freie Enzyklopädie“. Diese Menschen, sogar Journalisten, fallen da natürlich darauf rein, sie geben zumeist dann nur noch „Quelle: Wikipedia“ an. Selbstverständlich sind das keine dummen Menschen.

LS: Du hältst das also für Absicht?

SIMPLICIUS: Das kann man natürlich auch niemandem verständlich machen, dass für dieselben Bilder plötzlich andere Bedingungen außerhalb des Projekts gelten. Folgt man dem Prinzip der Wikipedia, würde eine Verlinkung des Bildes auf seine Beschreibungsseite im entsprechenden Depositorium Wikipedia oder Commons reichen. Für die Mediawiki-Software gibt es genau dafür auch ein Erweiterung, wenn jemand ein eigenes Wiki aufsetzen will.

LS: Nun gibt es auch Verwender, die versucht haben, auf ihren Seiten unter den Bildern alle notwendigen Angaben zu machen. Trotzdem hatten sie juristischen Ärger.

SIMPLICIUS: Juristischer Ärger kann folgen, wenn etwa keine Verlinkung der Lizenz auf die entsprechende Creative-Commons-Seite gesetzt wurde, oder keine Verlinkung auf die Fundstelle der Datei, oder etwa eine bestimmte, zu bewerbende Homepage nicht verlinkt wurde. Das alles läuft natürlich der Idee einer freien und werbefreien Enzyklopädie entgegen.



Zur Sicherheit lieber kein Wikipedia-Bildmaterial verwenden!
LS: Was würdest du den Lesern empfehlen, die Bildmaterial aus der Wikipedia verwenden wollen?

SIMPLICIUS: Ich würde Laien aus Sicherheitsgründen ganz davon abraten. Solange es nicht genau geklärt ist, sollte man kein Risiko eingehen. Was die ganz alten Lizenzen angeht, verstehe ich GNU/FDL auch immer noch so, dass das Gesamtwerk, in dem ein damit lizensiertes Bild verwendet wird, kostenlos zur Verfügung gestellt werden muss. Ich weiß nicht genau, ob sich das mit den jüngeren Versionen der Lizenzen abgeschwächt hat. Ich denke mal: nicht.

LS: Was würdest du Verwendern raten, die von einer Abmahnung durch die Bildrechteinhaber betroffen sind?

SIMPLICIUS: Auf jeden Fall sind zwei Dinge voneinander zu unterscheiden: Die Zusicherung, keine weiteren Bilder des abmahnenden Fotografen in irgendeiner angeblich falsch deklarierten Art zu verwenden, und das Einverständnis zur Höhe der Rechnung. Wegen beider Punkte kann es ab der Fristversäumnis zu Gerichtsprozessen kommen, etwa wegen des Bildes und Schadensersatz, oder sukzessive wegen der Anwaltskosten. Daran verdienen die abmahnenden Anwälte dann ja noch mehr. Als Laie ist man hier auf einen Anwalt angewiesen, der sich damit häufiger auseinandersetzt. Namentlich etwa Markus Kompa, Münster, oder andere. Unüberlegt und eingeschüchtert etwas spontan unterschreiben sollte man nicht.

LS: Wie oft kommt es zu gerichtlichen Verfahren?

SIMPLICIUS: Die Öffentlichkeit erfährt davon ja leider nicht immer. In einer Angelegenheit, wo der Rechteinhaber durch Müsse vertreten wurde, urteilte das Amtsgericht Kempten, Allgäu, zum Beispiel, dass die Abmahnung und die Schadensersatzforderung irgendwie nicht zulässig gewesen seien (Amtsgericht Kempten im Allgäu, Urteil vom 12.11.2015, Az. 6 C 111/15). Der Beklagte wurde von Rechtsanwältin Frauke Andresen, Landshut, vertreten. Die kann das sicher genauer erklären als ich.

Es gab da auch mal die Entscheidung des OLG Köln, wie der wirtschaftliche Wert eines gemeinfreien Bilds einzuschätzen ist, nämlich null Euro (OLG Köln, Urteil vom 31.10.2014, Az. 6 U 60/14). Demzufolge geht es vor allem, seriös betrachtet, um die Persönlichkeitsrechte laut Urheberrechtsgesetz, hier insbesondere Namensnennung. Der Wunsch nach Namensnennung ist zu schützen. Der Weg ist aber nicht klar – die Wikipedia selbst macht es nicht vor.

LS: Wie denkst du, sollte ein Fotograf reagieren, wenn er sein Bild irgendwo wiederfindet, ohne dass sein Name genannt wird? Hast du so einen Fall auch schon mal selbst erlebt?

SIMPLICIUS: Ja, natürlich habe ich auch die Nichtnennung schon mal erlebt. Das wird wohl jedem mal passieren. Im Allgemeinen aber sind meine Erfahrungen sehr positiv. Ich würde bei Nichtnennung des Namens ein, zwei Briefe für angesagt halten, um auf das Nachtragen des Namens hinzuarbeiten. Ich glaube, dass das immer funktionieren sollte. Im übrigen aber: Wie oft wird in der Wikipedia irgendwo was zum Beispiel aus der Zeitung abgeschrieben, ohne das der Journalist namentlich genannt wird?

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Bei der Wikipedia wird nicht an einer Lösung gearbeitet.
LS: Welche Hilfestellungen bietet der Verein Wikimedia in Deutschland für betroffene Rechteinhaber und für abgemahnte Weiternutzer?

SIMPLICIUS (lacht): An einer wirklichen Problemlösung generell oder im Einzelfall arbeitet man dort meines Wissens nach nicht. Der Verein scheint auf das Spendensammeln spezialisiert zu sein. Mir scheint, Abmahnfallen werden innerhalb des Vereins oder der Adminschaft sogar protegiert. Ein Wikipedia-Fotograf rühmt sich sogar damit, dass er aus solchen Einnahmen auch etwas an den Verein in Berlin weiterspendet.

LS: Was unternimmt die Community der Wikipedia?

SIMPLICIUS: Gerade läuft sogar ein Meinungsbild mit dem Vorschlag, gegen diesen Personenkreis und ihr Bildmaterial vorzugehen – aber es scheitert.

LS: Warum scheitert es?

SIMPLICIUS: Unter anderem kann man immer einwenden, ein Meinungsbild sei nicht ausreichend vorbereitet. Aber wie will man Sachverhalte gründlich vorbereiten, wenn Diskussionen in der Community stets aggressiv zerredet werden?

LS: Das weiß ich auch nicht. Was ist deine persönliche Meinung über Abmahnfallen?

SIMPLICIUS: Ich empfinde Autoren, die sich in eine freie Enzyklopädie vor allem deshalb einbringen, um mit Abmahnungen Sondereinnahmen zu erzielen, als Trittbrettfahrer. Für die anderen Autoren ist das ausgesprochen peinlich.

LS: Hab‘ vielen Dank für das Gespräch!

Hinweis: Wir bei tarnkappe.info bleiben an dem Thema dran. Habt ihr eine Abmahnung erhalten? Wir würden uns freuen, wenn wir Scans von solchen Abmahnungen, Schriftwechsel und gerichtlichliche Entscheidungen von unseren Lesern zur Verfügung gestellt bekommen.

Anmerkungen:

1.) Rechteinhaber: Wladyslaw Sojka, Kanzlei: Rechtsanwalt Dr. jur. Hans G. Müsse.

Wladyslaw Sojka liess wegen unerlaubter Verwertung von geschützten Lichtbildwerken durch Rechtsanwalt Dr. jur. Hans G. Müsse, Hechingen, abmahnen. Hintergrund der Abmahnung war die Behauptung, dass die Lichtbildwerke rechtswidrig und ohne die Einhaltung einer Lizenzbedingung unberechtigt und unlizenziert öffentlich zugänglich gemacht worden sind, ohne Herrn Wladyslaw Sojka als Inhaber zu benennen.

Quelle; tarnkappe
 
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