rooperde
Elite Lord
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Er musste zittern bis zum Schluss. Doch Nico Rosberg hielt allen Attacken stand und ist Formel-1-Weltmeister. Hinterher wirkte der sonst so eloquente Deutsche berührt wie selten.
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Es ist 18.41 Uhr in Abu Dhabi, als sich in der Mercedes-Box Rosbergs Ehefrau Vivian, sein Pressesprecher Georg Nolte und sein Physio Daniel Schlösser in die Arme fallen. Nico Rosberg ist soeben als Zweiter hinter Lewis Hamilton über die Ziellinie gefahren und hat damit den ersten Weltmeistertitel seiner Karriere gewonnen. "Yeah, World Champion" - schreit er in den Funk, dann darf Vivian ihrem Mann auf dem gleichen Weg gratulieren: "Ich bin so stolz auf dich."
Und während Abu Dhabi den neuen Weltmeister danach mit einem Riesenfeuerwerk feierte, drehte Rosberg einsam Kreise mit dem Auto, küsste den Boliden nach dem Aussteigen, später hob er den gratulierenden Bernie Ecclestone in die Luft. Überraschend war auch Mutter Sina da, die normalerweise nie zu Rennen kommt. Für eine Umarmung war Zeit, dann musste Rosberg auch schon weiter, es warteten Siegerehrung, Pressekonferenz und etliche TV-Interviews.
Auf dem Podium flossen dann Freudentränen, Rosberg umarmte seinen Renningenieur Tony Ross während Sieger Hamilton mit leicht verlorenem Lächeln in den Abendhimmel blickte. Er hatte soeben das zehnte Saisonrennen gewonnen, zur Titelverteidigung reichte es trotzdem nicht.
Bei der anschließenden Pressekonferenz war der sonst so eloquente Rosberg noch sichtlich durcheinander. "Es war so ein fürchterlich schwieriges Rennen, der Druck bis zum Schluss, so viele Emotionen, so unglaublich - ich weiß überhaupt nicht, was ich sagen soll." Erst im Laufe der Zeit gelang es Rosberg, klare Sätze zu formulieren. "Es war ein sehr schwieriges Wochenende, sehr intensiv", sagte er. Er habe sich "ein bisschen abschotten" müssen. Immerhin, ein paar Stunden habe er in der Nacht schon geschlafen, mehr ging nicht, denn er "wusste nicht so recht, was ich erwarten sollte."
Tatsächlich hatte Rosberg bis zu den letzten Metern der letzten Runde zittern müssen. Vor allem, weil Hamilton versuchte, während des gesamten Rennens alle möglichen, zeitweise auch nicht ganz fairen Tricks auszupacken, um seinen Rivalen doch noch in Bedrängnis zu bringen. Durch gezieltes Langsamfahren wollte Hamilton dafür sorgen, dass Rosberg unter Druck der Red-Bull- und Ferrari-Piloten geriet.
Selbst als die Mercedes-Führung zehn Runden vor Schluss energisch eingriff, als von hinten Sebastian Vettel mit neuen, weicheren Reifen im Ferrari heranraste, stellte Hamilton sich stur. Dabei war es Technik-Chef Paddy Lowe, laut Teamchef Toto Wolff die absolut höchste Instanz im Stall, der die Anweisung zum Schnellerfahren gab. Doch Hamilton schimpfte nur: "Lass uns fahren, das ist schließlich eine WM-Entscheidung", und motzte auch nachher noch über die Einmischung durch das Team.
Für Hamilton kann das Folgen haben. "Einerseits kann ich Lewis verstehen - aber es geht eigentlich nicht, dass jemand Eigeninteressen derart über das Teaminteresse stellt", sagte Wolff. "Wenn wir so weitermachen, würde das totale Anarchie bedeuten, dann macht jeder, was er will. Da werden wir dazwischenhauen."
Genutzt hatten die Aktionen dem Briten am Ende nichts. Denn erstens spielte Vettel nicht so mit, wie Hamilton sich das erhofft hatte. "Ich wusste doch ganz genau, was der will - aber nicht mit mir", so Vettel. Dabei sind er und Rosberg nicht unbedingt die allerbesten Freunde. Und zweitens machte Rosberg in Abu Dhabi alles richtig: vorsichtig-zurückhaltend einerseits, mit geballter Aggressivität überholend andererseits. Beim Saisonfinale bewies er noch einmal, dass er ein absolut verdienter Weltmeister ist.
Altmeister Jackie Stewart gönnte Rosberg den Titel: "Er hat dieses Jahr eine sehr starke und konstante Leistung gebracht. Und außerdem ist das doch eine schöne Geschichte, dass er jetzt das Gleiche geschafft hat wie sein Vater Keke vor 34 Jahren." Die Rosbergs sind das zweite Vater-Sohn-Paar in der Formel-1-Geschichte, dem dies gelang, nach Graham und Damon Hill.
Auch der viermalige Champion Alain Prost war voll des Lobes. "Nico hat im Laufe seiner Karriere nie die Anerkennung bekommen, die er verdient hat. Ich hoffe sehr, dass sich das durch diesen Titelgewinn ändert."
Quelle: Spiegel