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Off Topic Mitten durchs Sonnenfeuer

So nah, dass sie die Sonne berührt: Die Parker Solar Probe wird dieser Tage erneut durch die Randbereiche der Sonne fliegen. Sie könnte einzigartige Daten liefern.
Quelle: spektrum.de

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Hoffentlich ist nach dem nächsten Mal das Wetter über Madrid besser. Wenn die Parker Solar Probe zum nunmehr vierten Mal die Sonne berührt, ist niemand dabei, kann niemand zuschauen und auch niemand mit der Sonnensonde kommunizieren. Mit Karacho wird sie durch die Korona unserer Sonne fliegen, rund zwölf Tage dauert ein derartiger »Encounter«, wie die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler das Treffen nennen. Erst in den Wochen und Monaten danach kann die Sonde die dabei gesammelten Daten zur Erde funken, wo sie von den Stationen des Deep Space Network empfangen werden. Eine davon liegt in Madrid. Nur war nach dem letzten Treffen im November 2021 das Wetter schlecht. Stuart Bale von der University of California in Berkeley und sein Team empfingen weniger Daten als gehofft.

Nach diesem erneuten Treffen, geplant für den 25. Februar, muss alles klappen. Denn der Speicherplatz an Bord ist begrenzt, er reicht nur für die Daten zweier Treffen. Gelingt das Herunterladen nicht, gehen die Daten verloren. Bereits im Juni steht der nächste Encounter bevor. Und dann im September der übernächste.

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»Verrückt« nennt Bale die Arbeit am Fluggerät der US-Weltraumorganisation NASA. »Die Parker Solar Probe ist wie keine andere Mission, an der ich je beteiligt war«, sagt der leitende Wissenschaftler für das FIELDS-Experiment an Bord der Sonde. Insgesamt viermal wird sie in diesem Jahr noch die Sonne berühren. Das allererste Mal gelang ihr das im April 2021. Bei jedem ihrer Flüge durch die Sonnenkorona soll sie mehr jener Geheimnisse lüften, die die Sonne bislang für sich behalten hat.

Für uns auf der Erde ist zunächst vor allem die Tatsache entscheidend, dass die Sonne scheint. Das macht der Welt wichtigster Energielieferant seit rund 4,6 Milliarden Jahren ganz prächtig. Wie das Sonnenlicht entsteht, ist mehr oder weniger gut verstanden: Im Inneren der Sonne findet Kernfusion statt, dadurch wird Energie freigesetzt, und diese Energie verwandelt die Sonne in einen riesigen, leuchtenden Ball aus heißem Plasma, der es an seiner Oberfläche auf eine Temperatur von rund 6000 Grad Celsius bringt. Diese Wärmestrahlung empfangen wir als Sonnenlicht auf der Erde.

An die brodelnde Oberfläche – man spricht von der Photosphäre – schließt sich nahtlos eine Atmosphäre an. Was nun aber wirklich komisch ist, ist der Umstand, dass die oberste Atmosphärenschicht der Sonne, die Korona, rund 300-mal heißer ist als die Oberfläche. Es herrschen dort Temperaturen von über eine Million Grad Celsius. »Es ist nicht unmittelbar einleuchtend, warum die Korona so viel heißer sein sollte«, sagt Nour Raouafi, der Projektwissenschaftler für die Parker Solar Probe am Johns Hopkins Applied Physics Laboratory der NASA.
Problematisch – und zwar nicht nur für die Wissenschaft – ist auch der Sonnenwind: ein Strom geladener Teilchen, der von der Sonne ins gesamte Sonnensystem hinausgeblasen wird und mit der richtigen Stärke und unglücklichem Timing durchaus 40 frisch gestartete Satelliten auf einmal vom Himmel holen kann, wie das US-Unternehmen SpaceX am 4. Februar 2022 feststellen musste. Die Teilchen des Sonnenwinds werden über eine sehr kurze Strecke auf Geschwindigkeiten von hunderten Kilometern pro Sekunde beschleunigt. »Woher sie die dafür nötige Energie bekommen, wissen wir nicht«, sagt Nour Raouafi.

So nah wie möglich am Ursprung des Sonnenwinds​

Es geht sogar noch schneller. Während so genannter koronaler Massenauswürfe und ähnlicher Ausbrüche beschleunigt die Sonne Wolken geladener Teilchen fast bis auf Lichtgeschwindigkeit. Dann wird es nicht nur für Satelliten brenzlig, sondern auch für etwaige Weltraumreisende sowie für die Infrastruktur auf der Erde. Wie die Sonne das schafft – auch das ist ein Rätsel.

Die Parker Solar Probe muss der Sonne so nahekommen, wie es nur geht, um den Ursprung der Sonnenaktivität zu finden. Es gilt, die Teilchen des heißen Plasmas sowie die elektrischen und magnetischen Felder direkt vor Ort zu messen. Das hat einen guten Grund: »Der Sonnenwind selbst ist im Grunde genommen ein turbulentes Plasma, wenn er erst einmal die Erde erreicht«, sagt Stuart Bale. Wie bei einem Wasserfall auf der Erde. »Man steht unten, schaut hoch und sieht das ganze Wasser, das da runterkommt. Aber man weiß nicht, was oben ist: vielleicht ein See? Oder ein Fluss? Oder mehrere Quellen? Aber wenn wir weit genug oben wären, näher am Ursprung, könnten wir einzelne Flüsschen erkennen und eine Struktur.«
Um an den Ursprung des Sonnenwinds zu gelangen, genügt es nicht, schnurgerade auf die Sonne zuzusteuern. Die Parker Solar Probe hat nach ihrem Start im Jahr 2018 eine Route eingeschlagen, die sie auf eine immer enger werdende elliptische Umlaufbahn um die Sonne führte. Der Punkt, an dem sie der Sonne am nächsten kommt, wird Perihel genannt. Noch im Jahr ihres Starts erreicht sie ihn zum ersten Mal, neun weitere Male folgten, nun rast sie mit gut 150 Kilometern pro Sekunde auf Nummer elf zu. Mehrfach hat sie dabei den Planeten Venus passiert und ihren Kurs geändert, um beim nächsten Vorbeiflug noch ein Stückchen dichter an die Sonne zu gelangen.
Einen ersten Hinweis darauf, dass der Sonnenwind in der Nähe der Sonne anders funktioniert, als erwartet, fand sie im Jahr zwei ihrer Mission: Die Auswertungen der ersten Vorbeiflüge zeigten, dass die Teilchenströme des Sonnenwinds oft so etwas wie Zacken aufweisen. Bei diesen »Switchbacks« drehen sich die elektrischen und magnetischen Felder im Sonnenwind für kurze Zeit um, so dass die geladenen Teilchen des Sonnenwinds selbst erst einmal wieder zurück in Richtung Sonne strömen. Zu jenem Zeitpunkt war die Parker Solar Probe rund 34 Sonnenradien von der Sonne entfernt.

Schließlich zeigte sich beim sechsten Vorbeiflug, dass die Switchbacks wohl direkt auf der Oberfläche entstehen, und zwar in magnetischen Trichtern, die sich zwischen riesigen Konvektionszellen befinden. Fachleute wie Bale vermuten, dass diese magnetischen Trichter auch der Ursprung für einen Teil des Sonnenwinds sein könnten. Besonders einige der schnellen Teilchen des Sonnenwinds könnten dort von dort stammen.

Warten auf eine erste Berührung mit der Sonne​

Mit jedem weiteren Vorbeiflug wurde es spannender. Würde die Sonde dieses Mal die entscheidende Schwelle passieren und in die Korona selbst eintreten? Wo die Außengrenze der Korona verläuft, lässt sich verhältnismäßig einfach definieren: Innerhalb dieser Grenze reichen Schwerkraft und Magnetfelder noch aus, um geladene Teilchen an die Sonne zu binden. Außerhalb davon nicht. Ein Teilchen, das diese Grenze passiert, verschwindet also für immer ins All und bildet dabei den Sonnenwind.

Diese so genannte Alfvén-Oberfläche umhüllt die Sonne aber nicht kugelförmig. »Die Grenze zwischen der Korona und dem Sonnenwind ist nicht glatt, sondern zerfurcht und biegsam. Manchmal ist die Grenze näher an der Sonne, manchmal weiter entfernt. Es kommt auf die Bedingungen des Sonnenwinds an«, sagt Nour Raouafi.

Im April 2021, während des achten Vorbeiflugs, war es endlich so weit: Auf den Bildern der Bordkamera sah man, dass die Sonde durch die Strukturen der Korona flog, die man normalerweise nur während einer totalen Sonnenfinsternis erkennt. »Das war überwältigend«, sagt Nour Raouafi. Die drei weiteren Instrumente an Bord, die die elektrischen und magnetischen Felder sowie die geladenen Teilchen selbst erfassen, bestätigten den optischen Eindruck. Zum ersten Mal hatte eine Sonde die Sonne berührt. Zu diesem Zeitpunkt war sie rund 18,8 Sonnenradien von deren Oberfläche entfernt.

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Seitdem ist sie noch zweimal durch die Sonnenkorona geflogen, jedes Mal näher am brodelnden Gasball als vorher, insgesamt 24 Vorbeiflüge sollen es werden, bei den letzten, die bis dahin geplant sind, im Jahr 2025, dann nur noch mit neun Radien Abstand. Das entspricht ungefähr 6,2 Millionen Kilometer.

Hier kommt die Sonne: Die Parker Solar Probe ist mittendrin​

So dicht an einem Stern, wird die Sonde da nicht regelrecht geröstet? Tatsächlich ist die Korona zwar extrem heiß, aber ihre Dichte so gering, dass die Sonde sehr viel mehr Zeit innerhalb der Korona verbringen müsste, um sich durch Kontakt mit den Teilchen aufzuheizen. Was in der Nähe der Sonne zum Problem werden könnte, ist eher schon die Wärmestrahlung, die der Stern aussendet. Eine zwölf Zentimeter dicke Schicht aus Kohlenstofffaser sorgt dafür, dass die knapp 1500 Grad Celsius auf der sonnenzugewandten Seite abgeschirmt werden und die Instrumente bei rund 40 Grad Celsius ihre Messungen vornehmen.


Auch für allerlei andere Arten solarer Aktivität ist die Sonde gewappnet. Seit dem letzten Minimum 2019 steigt die Aktivität der Sonne derzeit wieder an, bis sie das nächste Maximum um 2030 herum erreichen wird. Das heißt: mehr Sonnenflecken, mehr Ausbrüche, gesteigerte Chancen auf koronale Massenauswürfe, ein allgemein raueres Weltraumwetter. Was passiert, wenn die Sonnensonde von einem koronalen Massenauswurf getroffen wird?
»Wir beten zu allen Göttern, dass wir von so vielen koronalen Massenauswürfen wie möglich getroffen werden«, sagt Projektwissenschaftler Raouafi. »Wir warten darauf.« Denn um herauszufinden, wie diese hochenergetischen Teilchen bis auf knapp unter der Lichtgeschwindigkeit beschleunigt werden, muss die Sonde mittendrin sein in einem derartigen Ereignis und dabei so nahe an der Quelle wie nur möglich. »Die Parker Solar Probe wird das ohne Probleme aushalten.«
Einige wenige Geheimnisse hat die Sonne bereits preisgegeben, bei anderen muss sich die Forschungsgemeinde noch ein wenig gedulden. »Das ist eine Entdeckungsmission«, sagt Raouafi. »Wir fliegen in eine Umgebung im Weltraum, die wir nie zuvor besucht haben. Das Potenzial für neue Entdeckungen ist riesig, und genau das haben wir jetzt bereits mit dieser Mission herausgefunden.«
 
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