Quelle: Spektrum
Der Schwerionenbeschleuniger FRIB kann loslegen. Die weltweit bisher stärkste Ionenkanone steht in den USA und soll Hunderte bislang unbekannter Isotope erzeugen.
Ein Herzenswunsch für Kernphysikerinnen und Kernphysiker wird wahr. Jahrzehntelang mussten sie darauf warten, doch nun ist es endlich so weit: Am 2. Mai wurde der 942 Millionen US-Dollar teure FRIB-Teilchenbeschleuniger (»Facility for Rare Isotope Beams«) eingeweiht. Mit dem Schwerionenbeschleuniger wollen Forschende in noch unbekannte Regionen exotischer Atomkerne vordringen und herausfinden, wie Sterne und Supernova-Explosionen die meisten massereichen Elemente in unserem Universum erzeugen. Bislang sind rund 3000 verschiedene Isotope bekannt. Mit FRIB wollen die Forschenden rund 1000 weitere Nuklide aufspüren.
»Dieses Projekt ist die Verwirklichung eines Traums der gesamten Kernphysik«, sagt Ani Aprahamian, experimentelle Kernphysikerin an der University of Notre Dame in Indiana. Kate Jones von der University of Tennessee stimmt zu: »Für uns Kernphysikerinnen und Kernphysiker ist das die lang ersehnte Anlage.«
Die FRIB-Teilchenbeschleunigeranlage befindet sich an der Michigan State University in den USA. FRIB verfügt über ein Budget von 730 Millionen US-Dollar und wird größtenteils vom Energieministerium der Vereinigten Staaten finanziert. Sie ersetzt damit eine ältere Anlage der National Science Foundation (NSF) namens National Superconductor Cyclotron Laboratory (NSCL) am selben Standort. 2014 begannen die Bauarbeiten, Ende letzten Jahres wurden sie abgeschlossen: »Fünf Monate früher als geplant und im Rahmen des Budgets«, sagt der Kernphysiker Bradley Sherrill, wissenschaftlicher Direktor am FRIB.
Jahrzehntelang hatten Kernphysikerinnen und Kernphysiker auf eine derartige Ionenkanone gedrängt. FRIB kann nämlich seltene Isotope sehr viel schneller produzieren, als dies mit dem NSCL und ähnlichen Beschleunigern bislang möglich ist. Erste Vorschläge für eine solche Maschine gab es bereits in den späten 1980er Jahren. In den 1990er Jahren hatte man sich schließlich geeinigt. »Die wissenschaftliche Gemeinschaft bestand darauf, dass wir ein derartiges Werkzeug brauchen«, sagt Witold Nazarewicz. Er ist theoretischer Kernphysiker und leitender Wissenschaftler am FRIB.
Die allermeisten Kerne rauschen durch das Graphit einfach hindurch. Doch ein Bruchteil kollidiert mit seinen Kohlenstoffkernen. Die Urankerne zerfallen in unterschiedliche Kombinationen aus Protonen und Neutronen. Diese Zerfallsprodukte sind jeweils Kerne anderer, leichterer Elemente und Isotope.
Dann geht es weiter hinauf ins Erdgeschoss. Dorthin wird der Strahl aus verschiedenen Kernen nämlich zu einem »Fragmenttrenner« geleitet. Dieser Trenner besteht aus einer Reihe von Magneten, welche die Kerne nach rechts ablenken. Dabei hängt der Winkel der Ablenkung von der Masse und der Ladung der Kerne ab. So kann FRIB für jedes Experiment einen maßgeschneiderten Strahl liefern, der lediglich aus einem einzelnen Isotop besteht.
Wobei »Strahl« relativ ist: Für die seltensten Isotope können die Produktionsraten bei lediglich einem Kern pro Woche liegen. Aber das Labor wird in der Lage sein, fast jeden einzelnen Kern zu erfassen und zu untersuchen, sagt Sherrill. Das kostbare Gut passiert dann ein Labyrinth aus Stahlrohren und erreicht schließlich eine der vielen Experimentierhallen.
Was FRIB einzigartig macht, ist ein zweiter Beschleuniger – sozusagen eine zweite Ionenkanone. Er kann die seltenen Isotope aufnehmen und gegen ein Ziel schießen. Damit wollen Forschende die hochenergetischen Kollisionen von Teilchen nachahmen, die im Inneren von Sternen oder Supernovae stattfinden.
FRIB wird zunächst mit einer relativ geringen Strahlintensität in Betrieb gehen. Dann aber wird die Ionenkanone Stück für Stück hochgefahren. Sie soll Ionen mit einer Rate produzieren, die Größenordnungen über der ihres Vorgängers NSCL liegt. Jedes Uranion wird auch schneller zum Graphit-Target gelenkt: Die Energie wird 200 Megaelektronenvolt (MeV) betragen, im Vergleich zu den 140 Megaelektronenvolt, die die Ionen am NSCL geschafft haben. Sherril sagt, dass diese höhere Energie ideal sei, um eine riesige Anzahl unterschiedlicher Isotope zu erzeugen – inklusive hunderter Isotope, die noch nie zuvor auf der Erde erschaffen wurden.
Deshalb haben Forschende eine Vielzahl von vereinfachten Modellen entwickelt. Diese können die Eigenschaften von bestimmten Atomkernen vorhersagen. Aber außerhalb des Bereichs, in dem sie gelten, können sie möglicherweise nur ungefähre Schätzungen liefern oder gleich ganz versagen. Und das gilt sogar für grundlegende Fragen: Wie schnell zerfällt ein Isotop? Was ist seine Halbwertszeit? Kann es sich überhaupt bilden und zumindest für kurze Zeit existieren? »Wenn Sie mich fragen, wie viele Isotope von Zinn oder Blei es gibt, wird meine Antwort mit einem großen Fehlerbalken versehen sein«, sagt Nazarewicz.
Forschende wie Kate Jones sind dabei verstärkt an Isotopen interessiert, die eine »magische» Zahl an Protonen und Neutronen aufweisen. Jene magischen Atomkerne mit 2, 8, 20, 28 oder 50 Protonen oder Neutronen gelten als überaus stabil. Die Magie dahinter ist in den vollständig gefüllten Energieniveaus begründet, die diese Kerne bilden können. Derartige magische Isotope sind für die Forschung besonders wichtig, da sie die besten Tests für die theoretischen Modelle ermöglichen. Jones und ihre Gruppe haben sich viele Jahre lang bei den Zinnisotopen nach unten vorgearbeitet. Das häufigste Isotop von Zinn ist Zinn-120 mit 70 Neutronen. Das Team um Jones hat Zinnisotope mit immer weniger Neutronen untersucht und pirscht sich so in Richtung Zinn-100, das die magische Zahl von 50 für Protonen und für Neutronen aufweist.
Jenseits der Jagd auf exotische und manchmal sogar magische Isotope befindet sich eine weitere Baustelle. Denn theoretische Unsicherheiten führen auch dazu, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler noch keine genaue Erklärung haben, wie überhaupt alle Elemente des Periodensystems der chemischen Elemente entstanden sind.
Der Urknall produzierte im Wesentlichen nämlich nur Wasserstoff und Helium. Weitere chemische Elemente bis hin zu Nickel und Eisen liefert die Kernfusion im Inneren von Sternen. Aber noch schwerere Elemente schafft die Fusion nicht. Elemente jenseits von Nickel und Eisen entstehen stattdessen üblicherweise durch radioaktiven Betazerfall. Dabei sammelt ein Kern so viele Neutronen an, dass er instabil wird und eines oder mehrere seiner Neutronen sich in Protonen verwandeln. Dann ist ein Element mit einer höheren Ordnungszahl entstanden.
Dafür bieten kurze, aber verheerende kosmische Ereignisse genau die richtigen Bedingungen: Während einer Supernovaexplosion oder der Verschmelzung zweier Neutronensterne werden Atomkerne förmlich mit Neutronen bombardiert. Beim am besten untersuchten Ereignis dieser Art aus dem Jahr 2017 trafen zwei Neutronensterne aufeinander. Die Messungen stimmten mit Modellen überein, in denen die verschmelzenden Sternenleichen chemische Elemente produzieren, die massereicher als Eisen sind. Aber Hendrik Schatz, Astroteilchenphysiker an der Michigan State University sagt, dass es nicht möglich war, zu beobachten, welche Elemente dabei produziert wurden – oder wie viele. Laut ihm ist es einer der größten Vorteile der FRIB-Anlage, dass man mit ihr die neutronenreichen Isotope erkunden kann, die während derartiger Ereignisse entstehen.
Weitere grundlegende Fragen mit einer bislang ausstehenden Antwort lauten: »Wie viele Neutronen kann man überhaupt einem Kern hinzufügen? Wie verändert das die Wechselwirkungen innerhalb des Kerns?«, sagt Anu Kankainen, Experimentalphysikerin an der Universität Jyväskylä in Finnland. FRIB wird andere hochmoderne Beschleuniger ergänzen, die Kernisotope untersuchen, sagt Klaus Blaum, Physiker am Max-Planck-Institut für Kernphysik in Heidelberg. Anlagen in Japan und Russland sind darauf optimiert, die schwerstmöglichen Elemente am Ende des Periodensystems zu produzieren. Die 3,1 Milliarden Euro teure Teilchenanlage FAIR (Facility for Antiproton and Ion Research) in Darmstadt soll hoffentlich 2027 fertig werden. FAIR wird sowohl Antimaterie als auch Materie produzieren und Kerne für längere Zeit speichern können. Klaus Blaum war in beratender Funktion bei FRIB ebenso wie bei FAIR beteiligt. Er sagt: »Man kann nicht alles mit einer einzigen Maschine machen.«
© Springer Nature Limited
Nature, 10.1038/d41586-022-00711-5, 2022
- 06.05.2022
- Lesedauer ca. 6 Minute
Der Schwerionenbeschleuniger FRIB kann loslegen. Die weltweit bisher stärkste Ionenkanone steht in den USA und soll Hunderte bislang unbekannter Isotope erzeugen.
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Ein Herzenswunsch für Kernphysikerinnen und Kernphysiker wird wahr. Jahrzehntelang mussten sie darauf warten, doch nun ist es endlich so weit: Am 2. Mai wurde der 942 Millionen US-Dollar teure FRIB-Teilchenbeschleuniger (»Facility for Rare Isotope Beams«) eingeweiht. Mit dem Schwerionenbeschleuniger wollen Forschende in noch unbekannte Regionen exotischer Atomkerne vordringen und herausfinden, wie Sterne und Supernova-Explosionen die meisten massereichen Elemente in unserem Universum erzeugen. Bislang sind rund 3000 verschiedene Isotope bekannt. Mit FRIB wollen die Forschenden rund 1000 weitere Nuklide aufspüren.
»Dieses Projekt ist die Verwirklichung eines Traums der gesamten Kernphysik«, sagt Ani Aprahamian, experimentelle Kernphysikerin an der University of Notre Dame in Indiana. Kate Jones von der University of Tennessee stimmt zu: »Für uns Kernphysikerinnen und Kernphysiker ist das die lang ersehnte Anlage.«
Die FRIB-Teilchenbeschleunigeranlage befindet sich an der Michigan State University in den USA. FRIB verfügt über ein Budget von 730 Millionen US-Dollar und wird größtenteils vom Energieministerium der Vereinigten Staaten finanziert. Sie ersetzt damit eine ältere Anlage der National Science Foundation (NSF) namens National Superconductor Cyclotron Laboratory (NSCL) am selben Standort. 2014 begannen die Bauarbeiten, Ende letzten Jahres wurden sie abgeschlossen: »Fünf Monate früher als geplant und im Rahmen des Budgets«, sagt der Kernphysiker Bradley Sherrill, wissenschaftlicher Direktor am FRIB.
Jahrzehntelang hatten Kernphysikerinnen und Kernphysiker auf eine derartige Ionenkanone gedrängt. FRIB kann nämlich seltene Isotope sehr viel schneller produzieren, als dies mit dem NSCL und ähnlichen Beschleunigern bislang möglich ist. Erste Vorschläge für eine solche Maschine gab es bereits in den späten 1980er Jahren. In den 1990er Jahren hatte man sich schließlich geeinigt. »Die wissenschaftliche Gemeinschaft bestand darauf, dass wir ein derartiges Werkzeug brauchen«, sagt Witold Nazarewicz. Er ist theoretischer Kernphysiker und leitender Wissenschaftler am FRIB.
Die weltweit stärkste Ionenkanone FRIB legt im Keller los
Alle Experimente am FRIB starten erst einmal im Keller. Dort werden üblicherweise Uranatome ionisiert und in einen 450 Meter langen Beschleuniger geschickt. Der ist gebogen wie eine Büroklammer, um überhaupt in die 150 Meter lange Halle zu passen. Am Ende dieses Rohres trifft der Strahl aus geladenen Teilchen auf ein Rad aus Graphit. Das dreht sich kontinuierlich, damit einzelne Stellen nicht überhitzen, wenn das Graphitrad mit dem Ionenstrahl beschossen wird.Die allermeisten Kerne rauschen durch das Graphit einfach hindurch. Doch ein Bruchteil kollidiert mit seinen Kohlenstoffkernen. Die Urankerne zerfallen in unterschiedliche Kombinationen aus Protonen und Neutronen. Diese Zerfallsprodukte sind jeweils Kerne anderer, leichterer Elemente und Isotope.
Dann geht es weiter hinauf ins Erdgeschoss. Dorthin wird der Strahl aus verschiedenen Kernen nämlich zu einem »Fragmenttrenner« geleitet. Dieser Trenner besteht aus einer Reihe von Magneten, welche die Kerne nach rechts ablenken. Dabei hängt der Winkel der Ablenkung von der Masse und der Ladung der Kerne ab. So kann FRIB für jedes Experiment einen maßgeschneiderten Strahl liefern, der lediglich aus einem einzelnen Isotop besteht.
Wobei »Strahl« relativ ist: Für die seltensten Isotope können die Produktionsraten bei lediglich einem Kern pro Woche liegen. Aber das Labor wird in der Lage sein, fast jeden einzelnen Kern zu erfassen und zu untersuchen, sagt Sherrill. Das kostbare Gut passiert dann ein Labyrinth aus Stahlrohren und erreicht schließlich eine der vielen Experimentierhallen.
Was FRIB einzigartig macht, ist ein zweiter Beschleuniger – sozusagen eine zweite Ionenkanone. Er kann die seltenen Isotope aufnehmen und gegen ein Ziel schießen. Damit wollen Forschende die hochenergetischen Kollisionen von Teilchen nachahmen, die im Inneren von Sternen oder Supernovae stattfinden.
FRIB wird zunächst mit einer relativ geringen Strahlintensität in Betrieb gehen. Dann aber wird die Ionenkanone Stück für Stück hochgefahren. Sie soll Ionen mit einer Rate produzieren, die Größenordnungen über der ihres Vorgängers NSCL liegt. Jedes Uranion wird auch schneller zum Graphit-Target gelenkt: Die Energie wird 200 Megaelektronenvolt (MeV) betragen, im Vergleich zu den 140 Megaelektronenvolt, die die Ionen am NSCL geschafft haben. Sherril sagt, dass diese höhere Energie ideal sei, um eine riesige Anzahl unterschiedlicher Isotope zu erzeugen – inklusive hunderter Isotope, die noch nie zuvor auf der Erde erschaffen wurden.
Mit der FRIB-Ionenkanone will die Kernphysik über die Grenzen unseres Wissens erweitern
Physikerinnen und Physiker freuen sich darauf, dass FRIB den Betrieb aufnimmt – vor allem, weil ihr Wissen über die Isotopenlandschaft noch ziemlich provisorisch ist. Eigentlich sollte es ganz einfach sein: Die Kräfte, die Atomkerne zusammenhalten, sind im Prinzip das Ergebnis der starken Wechselwirkung. Sie ist eine der vier Grundkräfte der Natur. Dieselbe Kraft hält drei Quarks zusammen, um ein Neutron oder ein Proton zu bilden. Aber Kerne sind eben nicht so einfach aufgebaut wie ein einzelnes Teilchen innerhalb dieses Kerns. Stattdessen handelt es sich bei ihnen um komplexe Anordnungen mit vielen beweglichen Teilchen. Es sei unmöglich, ihre Strukturen und Eigenschaften allein auf Kenntnis der Grundkraft und der bekannten Naturgesetze vorherzusagen, sagt der Theoretiker Witold Nazarewicz.Deshalb haben Forschende eine Vielzahl von vereinfachten Modellen entwickelt. Diese können die Eigenschaften von bestimmten Atomkernen vorhersagen. Aber außerhalb des Bereichs, in dem sie gelten, können sie möglicherweise nur ungefähre Schätzungen liefern oder gleich ganz versagen. Und das gilt sogar für grundlegende Fragen: Wie schnell zerfällt ein Isotop? Was ist seine Halbwertszeit? Kann es sich überhaupt bilden und zumindest für kurze Zeit existieren? »Wenn Sie mich fragen, wie viele Isotope von Zinn oder Blei es gibt, wird meine Antwort mit einem großen Fehlerbalken versehen sein«, sagt Nazarewicz.
Unbekannte Isotope, magische Zahlen und kosmische Katastrophen: Die To-do-Liste für FRIB ist umfangreich
Mit FRIB können Kernphysikerinnen und Kernphysiker nun Hunderte von bislang unbekannten Isotopen herzustellen. Indem sie deren Eigenschaften vermessen, können sie ihre Modelle überprüfen.Forschende wie Kate Jones sind dabei verstärkt an Isotopen interessiert, die eine »magische» Zahl an Protonen und Neutronen aufweisen. Jene magischen Atomkerne mit 2, 8, 20, 28 oder 50 Protonen oder Neutronen gelten als überaus stabil. Die Magie dahinter ist in den vollständig gefüllten Energieniveaus begründet, die diese Kerne bilden können. Derartige magische Isotope sind für die Forschung besonders wichtig, da sie die besten Tests für die theoretischen Modelle ermöglichen. Jones und ihre Gruppe haben sich viele Jahre lang bei den Zinnisotopen nach unten vorgearbeitet. Das häufigste Isotop von Zinn ist Zinn-120 mit 70 Neutronen. Das Team um Jones hat Zinnisotope mit immer weniger Neutronen untersucht und pirscht sich so in Richtung Zinn-100, das die magische Zahl von 50 für Protonen und für Neutronen aufweist.
Jenseits der Jagd auf exotische und manchmal sogar magische Isotope befindet sich eine weitere Baustelle. Denn theoretische Unsicherheiten führen auch dazu, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler noch keine genaue Erklärung haben, wie überhaupt alle Elemente des Periodensystems der chemischen Elemente entstanden sind.
Der Urknall produzierte im Wesentlichen nämlich nur Wasserstoff und Helium. Weitere chemische Elemente bis hin zu Nickel und Eisen liefert die Kernfusion im Inneren von Sternen. Aber noch schwerere Elemente schafft die Fusion nicht. Elemente jenseits von Nickel und Eisen entstehen stattdessen üblicherweise durch radioaktiven Betazerfall. Dabei sammelt ein Kern so viele Neutronen an, dass er instabil wird und eines oder mehrere seiner Neutronen sich in Protonen verwandeln. Dann ist ein Element mit einer höheren Ordnungszahl entstanden.
Dafür bieten kurze, aber verheerende kosmische Ereignisse genau die richtigen Bedingungen: Während einer Supernovaexplosion oder der Verschmelzung zweier Neutronensterne werden Atomkerne förmlich mit Neutronen bombardiert. Beim am besten untersuchten Ereignis dieser Art aus dem Jahr 2017 trafen zwei Neutronensterne aufeinander. Die Messungen stimmten mit Modellen überein, in denen die verschmelzenden Sternenleichen chemische Elemente produzieren, die massereicher als Eisen sind. Aber Hendrik Schatz, Astroteilchenphysiker an der Michigan State University sagt, dass es nicht möglich war, zu beobachten, welche Elemente dabei produziert wurden – oder wie viele. Laut ihm ist es einer der größten Vorteile der FRIB-Anlage, dass man mit ihr die neutronenreichen Isotope erkunden kann, die während derartiger Ereignisse entstehen.
Weitere grundlegende Fragen mit einer bislang ausstehenden Antwort lauten: »Wie viele Neutronen kann man überhaupt einem Kern hinzufügen? Wie verändert das die Wechselwirkungen innerhalb des Kerns?«, sagt Anu Kankainen, Experimentalphysikerin an der Universität Jyväskylä in Finnland. FRIB wird andere hochmoderne Beschleuniger ergänzen, die Kernisotope untersuchen, sagt Klaus Blaum, Physiker am Max-Planck-Institut für Kernphysik in Heidelberg. Anlagen in Japan und Russland sind darauf optimiert, die schwerstmöglichen Elemente am Ende des Periodensystems zu produzieren. Die 3,1 Milliarden Euro teure Teilchenanlage FAIR (Facility for Antiproton and Ion Research) in Darmstadt soll hoffentlich 2027 fertig werden. FAIR wird sowohl Antimaterie als auch Materie produzieren und Kerne für längere Zeit speichern können. Klaus Blaum war in beratender Funktion bei FRIB ebenso wie bei FAIR beteiligt. Er sagt: »Man kann nicht alles mit einer einzigen Maschine machen.«
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Nature, 10.1038/d41586-022-00711-5, 2022