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Off Topic Kernfusion: Was hinter dem vermeintlichen Durchbruch bei der Laserfusion steckt

Kernfusion: Was hinter dem vermeintlichen Durchbruch bei der Laserfusion steckt​

10.08.2023 10:54 Uhr Dr. Wolfgang Stieler
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Die Fusionsanlage des Lawrence Livermore National Laboratory.
(Bild: LLNL)

US-Forscher haben die Energie bei einer Laserfusion nochmals gesteigert. Ist damit ein Fusionsreaktor in greifbarer Nähe? TR erklärt, was Hype ist und was real.

Wissenschaftler am Lawrence Livermore National Laboratory (LLNL) haben nach eigenen Angaben erneut eine Fusionsreaktion gezündet, die mehr Energie freigesetzt hat, als zuvor an Laser-Energie hineingepumpt wurde. Sie werten daher das Experiment als wichtigen Meilenstein auf dem Weg zum "Break Even", dem Punkt, an dem die Fusionsreaktion netto mehr Energie liefert, als ihre Erzeugung gekostet hat. Ist das erreicht, will man an einem praktisch nutzbaren Fusionsreaktor arbeiten.

Dieses Mal sei mit 3,5 Megajoule noch mehr Energie frei geworden als
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im Dezember 2022, berichtet
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. Gegenüber der FT bestätigte das LLNL einen erfolgreichen Versuch, will aber zunächst die Messergebnisse auswerten. Eine offizielle Bekanntmachung des Instituts liegt noch nicht vor.

Bisher gilt die praktische Nutzung der Kernfusion zwar als verlockende, aber sehr ferne Vision der Energieerzeugung – auch wenn mittlerweile rund 30 private Unternehmen insgesamt rund 2,5 Milliarden Dollar auf die Machbarkeit dieser Technologie gewettet haben. Die allermeisten der staatlichen und privaten Projekte setzen allerdings bisher auf Fusionsplasma, das mit Magnetfeldern eingeschlossen wird (Magnetfusion). Bis vor kurzem galt die Laserfusion als exotischer Außenseiter in einem exotischen Forschungsfeld. Das ändert sich gerade, wie man nicht zuletzt am Beschluss des Forschunngsministeriums sieht,
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. Was ist dran an der Idee? Wie soll das funktionieren?

Wie funktioniert Kernfusion?​

Bei einer erfolgreichen Kernfusion leichter Elemente wird enorm viel Energie frei – genau wie bei der Spaltung schwerer Atomkerne. Eine – halbwegs – anschauliche Erklärung dafür liefert eine Kurve, die die Bindungsenergie pro Nukleon – also Proton oder Neutron – in Abhängigkeit von der Anzahl der Nukleonen im Kern zeigt. Die Bindungsenergie ist die Energie, die bei der Bindung von Kernbestandteilen frei wird. Die Kurve steigt bei kleinen Nukleonenzahlen zunächst steil an, hat bei 30 bis 40 ein Maximum und fällt dann flach ab (Wie sich das physikalisch erklären lässt, ist eine andere Frage, die wir hier erst mal ignorieren können). Die Summe der Bindungsenergie pro Nukleon von zwei Deuterium-Kernen ist kleiner als die von einem Helium-Kern, also wird bei ihrer Fusion Energie frei – analog zur Wärme-Freisetzung bei einer chemischen Bindung.

Allerdings stoßen sich Protonen gegenseitig ab. Und die Fusion kann nur erreicht werden, wenn sich zwei Atomkerne so nahe kommen, dass die starke Kernkraft die elektrostatische Abstoßung überwindet. Das wird erreicht, indem der Brennstoff für die Fusion – in der Regel Deuterium und Tritium – auf extreme Temperaturen erhitzt und das entstehende Plasma komprimiert wird. Die Bedingungen für ein "brennendes Plasma" sind dann erreicht, wenn das Produkt aus Temperatur, Dichte und Energieeinschlusszeit einen kritischen Wert überschreitet – Fachleute nennen das
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.

Die so genannte "Trägheitsfusion" setzt am Faktor "Dichte" des Plasmas an. Die Idee ist, den Fusions-Brennstoff durch äußere Energiezufuhr extrem zu verdichten – wobei sich das Gas gleichzeitig erhitzt.
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will dazu tatsächlich Stoßwellen verwenden. Die "National Ignition Facility" (NIF) am LLNL nutzt dazu einen riesigen Laser. Ein Target, das mit Fusions-Brennstoff gefüllt ist, wird mit dem Laser beschossen. Die Hülle verdampft und die nach innen laufende Druckwelle komprimiert und erhitzt so den Brennstoff. Bis die Fusionsreaktion eintritt.

Das primäre Ziel der Fusionsforschung am LLNL war allerdings nie ein Fusionsreaktor. Primär wurden diese Experimente dazu konzipiert, die Bedingungen zu erforschen, die vorherrschen, wenn eine Atombombe explodiert, um so auch ohne Atomwaffentests die
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zu erforschen.

Was ist ein "Hohlraum" und warum ist er wichtig?​

Das tun die Forschenden, indem sie das Target nicht direkt beschießen, sondern über ein Zwischenziel aufheizen. Der Ansatz wird daher auch "Indirect Drive" genannt – indirekter Antrieb: Der Laser feuert auf ein Goldröhrchen, den sogenannten
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. Der Beschuss erzeugt intensive Bremsstrahlung, Röntgenstrahlung, die die Schale des Kügelchens verdampfen lässt, was wiederum eine Druckwelle erzeugt, die den Wasserstoff extrem schnell komprimiert. Die Bedingungen sind ähnlich zu denen der
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bei einer Wasserstoffbombe – was die Messwerte auch für das Militär brauchbar macht.

Die ersten Experimente an der NIF fanden im Oktober 2010 statt – 13 Jahre nachdem das Projekt gestartet wurde. 192 Laserstrahlen mit 1,8 Megajoule Energie erzeugten innerhalb von 20 Nanosekunden einen Röntgenpuls von 21 kJ Leistung. Zehn Jahre und 3.000 Schuss später hatten die NIF-Forscher aber immer kein Plasma gezündet. Projektleiter Siegfried Glenzer erklärte auf die Frage des Magazins "Nature", woran es denn liege, man habe wohl "zu sehr auf die Simulationsrechnugnen vertraut" ("We were overly reliant on simulations").

Die NIF-Forscher hatten hauptsächlich mit zwei Schwierigkeiten zu kämpfen: Zum einen gelang es ihnen nicht, so viel von der Laserenergie in das Plasma einzukoppeln, wie in den Simulationen berechnet. Vor allem aber hatten sie mit Instabilitäten zu kämpfen. Schon kleinste Unregelmäßigkeiten in der Geometrie des Brennstoffkügelchens führen dazu, dass das brennende Plasma zu schnell auseinander fliegt.

Erst 2021 meldeten die Forschenden erstmals einen Durchbruch: Am 8. August 2021 sei es ihnen gelungen,
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– und damit 70 Prozent der Energie, die sie vorher hineingesteckt hatten. Das
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– erschienen im Januar 2022 – nennt zwei Gründe für die Verbesserung der Energieausbeute: Ein größeres Brennstoffkügelchen und eine Anpassung der Form des Laserpulses, um die Symmetrie bei der Einkopplung der Energie besser zu erhalten.

Ähnlich tastend sind die Forschenden nun auch weiter vorgegangen. Da die Simulationen den Prozess nicht vollständig erfassen und die Messergebnisse Interpretationen unterliegen, spielten sie verschiedene Szenarien durch.

Welche alternativen Ansätze gibt es?​

Der indirekte Ansatz ist aber natürlich nicht die einzige Möglichkeit, eine Laserfusion zu erzeugen. Das Start-up
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ist überzeugt davon, dass es besser funktioniert, direkt auf das Target zu feuern.

Das Team um Markus Roth von der TU Darmstadt arbeitet seit vielen Jahren auf dem Gebiet der zivilen Nutzung der Fusion mit dem LLNL zusammen. Dabei verfolgen sie aber das Prinzip des "direct-drive", bei dem die Kapsel direkt von Laserstrahlen getrieben wird – und nicht in einem Hohlraum liegt. Zudem setzt Focused Energy auf ein speziell designtes Target, in das die Laserenergie besser einkoppeln soll, und auf mehrere, schnelle Laserpulse hintereinander: Dabei wird der von einem ersten Puls bereits komprimierte Brennstoff erneut mit einem Kurzpuls-Petawatt-Laser beschossen. So könnte den Prozess der Zündung vereinfacht werden und eine Fusionsreaktion schneller in Gang setzen.

Das Münchner Start-up
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, das kürzlich eine
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ankündigte, will eine Bor-Protonen-Fusion mit Laserbeschuss zünden. Das ist eigentlich noch schwieriger als die Fusion von Deuterium und Wasserstoff, weil dafür höhere Temperaturen notwendig sind, hat aber technische Vorteile bei der Nutzung der frei werdenden Fusionsenergie.

Ein extrem starker Laser feuert einen sehr, sehr kurzen Puls ab – fokussiert auf einen Fleck, der nur wenige Mikrometer Durchmesser hat. Das Pellet ist "nanostrukturiert", um die Energie besser einzukoppeln. Was genau sich im Inneren des Pellets abspielt, ist physikalisch nicht komplett verstanden. Nach aktuellen Computersimulationen sieht das Drehbuch etwa wie folgt aus: Ist der Laserpuls schnell und intensiv genug, beschleunigt sein elektrisches Feld Elektronen im Pellet. Diese Ladungsverschiebung wiederum erzeugt selbst ein starkes elektrisches Feld, das Protonen von der Pelletoberfläche nach innen schubst, während die Bor-Kerne sich wegen ihrer hohen Masse kaum bewegen. Ist die Intensität des Laserpulses hoch genug, bekommen die Protonen genug Energie, um die Abstoßung der Bor-Kerne zu überwinden und mit ihnen zu fusionieren.

Wie realistisch ist das?​

Tatsächlich ist es russischen Physikern bereits 2005 zum ersten Mal gelungen, eine Proton-Bor-Fusion mithilfe von Lasern im Labor zu zünden. Ein Team von Forschern um Vadim Belyaev vom Zentralen Forschungsinstitut für Maschinenbau in Korolev beschoss dafür Bor-haltige Polyethylen-Pellets mit Laserpulsen, die etwas mehr als eine Billionstel Sekunde dauerten. Seitdem haben auch andere Forscher in gut einer Handvoll Fälle Protonen und Bor verschmolzen und die Ausbeute an Alphateilchen jedes Mal gesteigert. Die Schwierigkeit liegt jedoch darin, die Fusions-Reaktion am Laufen zu halten und dafür zu sorgen, dass so viel wie möglich von dem Brennstoff tatsächlich für die Fusion genutzt wird, und nicht einfach auseinander fliegt.

Das Problem, die Ausbeute der Fusion weiter zu steigern, den ersten Funken am Leben zu erhalten und daraus ein Feuer zu machen, haben alle Laserfusion-Projekte gemeinsam. Focused Energy und Marvel Fusion müssen dafür zunächst neue Hochleistungs-Kurzpuls-Laser bauen. Und das LLNL experimentiert weiter mit Pulsform, Windstärke und Größe der Pellets, hat dabei aber noch einen weiten Weg vor sich. Um einen echten Break Even zu erreichen, müssten die Forschenden hundertmal mehr Energie aus der Fusion herausholen als bisher. Um das Ganze praktisch zu nutzen, müssten sie zudem die Anzahl der Schüsse pro Tag drastisch steigern: Zurzeit kann der große Laser einmal am Tag feuern.
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(wst [15])


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