Wir sprechen mit dem Züricher Rechtsanwalt Martin Steiger über die Auswirkungen des Filmspeler-Urteils und Kodi, den Streaming-Dienst Netflix, das heiß ersehnte Urteil gegen RapidShare und last, but not least über Vavoo.
Die Konsumenten “nutzen jene Quellen, bei denen das Gesamterlebnis am besten ist.”
Lars Sobiraj: Im April des Vorjahres hat sich mit dem Filmspeler-Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) einiges für die EU-Bürger geändert. Hat dieses Urteil denn auch Auswirkungen auf die Bürgerinnen und Bürger der Schweiz? Wenn ja, welche?
Martin Steiger: Das Urteil hat keine direkten Auswirkungen auf Personen in der Schweiz. Das anwendbare Urheberrecht ist allerdings nicht von der Staatsbürgerschaft abhängig. Personen aus der Schweiz müssen aber bei Aufenthalten im Ausland darauf achten, das dortige Urheberrecht nicht zu verletzen. Was in der Schweiz allenfalls zulässig ist oder zumindest nicht zu Massenabmahnungen führt, kann in Deutschland ohne weiteres vor Gericht enden.
Lars Sobiraj: Lassen sich die Konsumenten denn überhaupt von solchen Urteilen beeindrucken? Welchen Einfluss auf die Sehgewohnheiten von Filmen und Serien wird dieses Urteil mittel- bis langfristig haben? Glauben Sie, die Schweizer gehen dadurch dazu über, offensichtlich rechtswidrige Quellen im Internet zu meiden?
Martin Steiger: Konsumentinnen und Konsumenten nutzen jene Quellen, bei denen das Gesamterlebnis am besten ist. Wenn es die Unterhaltungsindustrie versäumt, diese Quellen anzubieten, springen andere wirtschaftliche Akteure in die Lücke. Ob kostenpflichtig oder nicht ist von geringer Bedeutung, denn für Quellen, die nicht legitim sind, fallen häufig auch Kosten an. Die Unterhaltungsindustrie kann Konsumenten, die solche Quellen nutzen, mit rechtlichen Mitteln vergrämen. Sie gewinnt auf dem Rechtsweg aber keine Kunden. Auch besteht die Gefahr, dass die Konsumenten auf andere Unterhaltungsangebote ausweichen und zum Beispiel mehr Zeit mit Spielen und auf Social Media verbringen. Wer schaut sich noch einen Film oder eine Serie an, wenn es attraktive andere Unterhaltungsangebote gibt?
Bildquelle, thx! (CC0 1.0)
Lars Sobiraj: Beim Filmspeler-Urteil ging es um den Verkauf einer externen TV-Box von einem Niederländer. Dabei wurde der Mediaplayer Kodi in einer abgewandelten Version als Betriebssystem eingesetzt. Vavoo wird betrieben von einer Aktiengesellschaft aus ihrer Heimat und funktioniert offenbar ganz ähnlich. Ist denn der missbräuchliche Einsatz der Software zu völlig anderen Zwecken als ursprünglich gedacht, zulässig? Wird dies von den verwendeten Lizenzen abgedeckt?
Martin Steiger: Kodi steht unter der GPL und ist damit freie Open Source-Software. Wer die GPL einhält, darf Kodi verwenden. Ob es einer Plattform wie Vavoo hilft, den Nutzern in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen das Begehen von Urheberrechtsverletzungen zu verbieten, wird das Uploaded.net-Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zeigen.
Die Wahrnehmung, Kodi werde in erster Linie von «Piraten» genutzt, wird aus meiner Sicht für das Projekt immer mehr zu einem Problem.”
Lars Sobiraj: Ja, das wird sicher spannend. Anders gefragt: Könnte die XBMC Foundation, vertreten vom Software Freedom Law Center, rein theoretisch gesehen, juristisch dagegen vorgehen? Das wäre natürlich mit entsprechenden Kosten verbunden…
Kodi Logo
Martin Steiger: Kodi verfolgt eigentlich eine Politik der Neutralität, muss sich aber zunehmend von rechtswidrigen Nutzungen distanzieren. Die Wahrnehmung, Kodi werde in erster Linie von «Piraten» genutzt, wird aus meiner Sicht für das Projekt immer mehr zu einem Problem. Kodi könnte zumindest dort den Rechtsweg beschreiten, wo die Nutzung von Name und Logo durch Dritte unerwünscht ist. Auf den ersten Blick scheint die XBMC Foundation allerdings über keine KODI-Marken mit Schutz in der Schweiz zu verfügen. Gleichzeitig ist es nicht die Aufgabe von Kodi, gegen mutmassliche und tatsächliche Rechtsverletzungen vorzugehen. Darum können und müssen sich die Rechteinhaber kümmern, wofür das Filmspeler-Urteil ein Beispiel ist.
Martin Steiger: Ob Vavoo in der Schweiz rechtswidrig ist, müsste im Zweifelsfall ein Gericht entscheiden.”
Lars Sobiraj: Welche zivil- oder strafrechtlichen Konsequenzen kommen denn auf die Schweizer zu, sollten sie daheim nachweislich eine solche Hardware einsetzen? Würden Sie Vavoo auch als eine offensichtlich rechtswidrige Quelle bezeichnen?
Martin Steiger: In der Schweiz sind mir bislang keine rechtlichen Folgen für Nutzerinnen und Nutzer von TV-Boxen, die Zugang zu rechtswidrigen Inhalten erlauben, bekannt. Die rechtlichen Probleme beginnen erst, wenn die verwendete Software über P2P-Funktionen verfügt. Das heißt, wenn ein Nutzer selbst geschützte Inhalte (in einer P2P-Tauschbörse – Anmerkung der Redaktion) anbietet oder teilt. Allerdings werden Massenabmahnungen in der Schweiz erst wieder möglich sein, wenn das revidierte Urheberrechtsgesetz in Kraft tritt, was aus heutiger Sicht nicht vor 2020 geschehen wird.
Für mich fällt Vavoo in jedem Fall in die Kategorie «zu schön, um wahr zu sein». Für Nutzer ist das Angebot selbstverständlich «wahr» und insofern auch «schön» … Ob Vavoo in der Schweiz rechtswidrig ist, müsste im Zweifelsfall ein Gericht entscheiden.
Lars Sobiraj: Wie groß schätzen Sie denn grundsätzlich das Interesse der Behörden ein, gegen derartige Urheberrechtsverletzungen vorzugehen?
Martin Steiger: Das Interesse der Behörden in der Schweiz war bislang mäßig. Die Rechteinhaber müssen in erster Linie selbst gegen Urheberrechtsverletzungen vorgehen, was aber aufwendig ist. Nun wird unter amerikanischem Druck das Urheberrecht verschärft, was die Behörden auf Trab hält. Vor einigen Jahren noch sah der Bundesrat, die schweizerische Bundesregierung, keinerlei Handlungsbedarf.
MPAA Disney Mickey MouseLars Sobiraj: Was glauben Sie: Welcher Ärger könnte denn auf die Luzerner Vavoo AG zukommen? Kann man ein solches Geschäftsmodell in der Schweiz dauerhaft betreiben? Oder müssen die Betreiber mittel- bis langfristig ins ferne Ausland abwandern, um weiteren Ärger zu vermeiden?
Martin Steiger: Eigentlich würde man meinen, ein solches Geschäftsmodell ließe sich in der Schweiz nicht dauerhaft erfolgreich betreiben. Im Widerspruch dazu scheinen Deniz C**i***g (Anmerkung: Nachname durch Redaktion unkenntlich gemacht) und sein Umfeld in der Schweiz aber bequem leben und wirtschaften zu können. In jedem Fall beklagt sich die amerikanische Unterhaltungsindustrie Jahr für Jahr, die Schweiz sei – immer noch! – eine Pirateninsel. Genannt werden in diesem Jahr insbesondere 1337x.to, Private Layer und Uploaded.net und Uptobox.com. Vavoo hingegen scheint man in den USA noch nicht als relevant wahrzunehmen. Es ist aber nicht ungewöhnlich, dass die amerikanische Unterhaltungsindustrie der Entwicklung im Markt hinterherhinkt.
Das neue Schweizer Urheberrechtsgesetz zielt auf Uploaded.net & Co. ab
RapidShare
Foto Schulerst Wikimedia, thx! – (CC BY-SA 3.0)
Lars Sobiraj: Das ist leider wahr. Wir haben am gestrigen Montag eine Mitteilung des ehemaligen RapidShare-Geschäftsführers Christian Schmid erhalten, dass ihm bis dato vom Strafgericht Zug noch kein Urteil zugestellt wurde. Mit welchen Erwartungen sehen Sie dem Urteil gegen diesen Sharehoster entgegen?
Martin Steiger: Ich bin neugierig, in welche Richtung das Gericht seinen großen Spielraum nutzt. In den EU und in den USA werden Hoster immer mehr für die Inhalte ihrer Nutzerinnen und Nutzer verantwortlich gemacht. Diese Entwicklung wird unabhängig vom Urteil auch in der Schweiz ihren Lauf nehmen. So sieht der Entwurf für das revidierte Urheberrechtsgesetz eine Notice-and-Stay down-Verpflichtung für Hoster vor, die eine besondere Gefahr für Urheberrechtsverletzungen schaffen. Damit zielt das Gesetz unter anderem auf Uploaded.net.
Lars Sobiraj: Das wäre sowieso meine nächste Frage gewesen: Welche Folgen könnte dieses Urteil für die Cyando AG von Uploaded.net haben?
Martin Steiger: Uploaded.net könnte zusätzlich unter Druck geraten. Das Ende würde aber in erster Linie aufgrund von Urteilen im Ausland kommen, wie damals bei Rapidshare. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) wird in Kürze darüber urteilen, ob Sharehoster für Rechtsverletzungen ihrer Nutzerinnen und Nutzer schadenersatzpflichtig werden können. Im Markt sind Streaming-Plattformen inzwischen viel wichtiger als Sharehoster. In der Schweiz stehen Uploaded.net und Vavoo beispielhaft für diese Entwicklung.
Schweiz erfüllt nicht alle Forderungen der USA
Lars Sobiraj: Sie haben gegenüber dem News-Portal 20 Minuten gesagt, dass die Verschärfung des Schweizer Urheberrechts auf Druck der USA geschehen sei. Ist die Schweiz denn jetzt wieder runter von der Watchlist ?
Martin Steiger: Die Schweiz befindet sich im «2018 Special 301 Report» weiterhin auf der «Watch List». Allerdings wurde einerseits das revidierte Urheberrechtsgesetz noch nicht verabschiedet und andererseits erfüllt der Entwurf nicht alle amerikanischen Wünsche. Die «Watch List» ist letztlich ein Symbol für den politischen und wirtschaftlichen Druck aus den USA.
US-Filmstudios scheitern weiterhin beim Thema Digitalisierung
Lars Sobiraj: Von außen betrachtet bekommt man den Eindruck, die US-amerikanischen Filmstudios konzentrieren sich ihre Lobby-Arbeit, die Verbesserung der Rechtsdurchsetzung und des Urheberrechts, statt das eigene Angebot zu optimieren. Welchen Eindruck haben Sie von der Strategie der MPAA bzw. den großen US-Filmstudios?
Martin Steiger: Die amerikanische Unterhaltungsindustrie scheitert bei Fernsehserien und Filmen weiterhin an der Digitalisierung. Eine zukunftsorientierte Strategie, die sich an den Bedürfnissen der Konsumentinnen und Konsumenten orientiert, ist nicht erkennbar. Anstatt die große Nachfrage und auch Zahlungsbereitschaft mit überzeugenden Angeboten zu bedienen, wird mit rechtlichen Mitteln versucht, überkommene Geschäftsmodell am Leben zu erhalten. Die Musikindustrie zeigt, wie man sich im digitalen Raum mit legitimen Angeboten behaupten kann. Mit dem nun dominierenden Streaming-Modell werden pro Konsument höhere Umsätze pro Jahr erzielt als früher und dieser Umsatz ist auf Jahre hinaus gesichert. Für diesen Erfolg war massgeblich, dass das Angebot nicht durch verschiedene Plattformen fragmentiert ist. Es gibt Unterschiede zwischen einzelnen Plattformen, aber diese betreffen weniger die Musik, die abrufbar ist, sondern wie diese Musik durch und für die Konsumenten erschlossen wird.
Wird Netflix überschätzt?
Lars Sobiraj: Halten Sie es für möglich oder gar sinnvoll, dass US-Unternehmen einen eigenen legalen Streaming-Dienst gründen, um dem branchenfremden Wettbewerber Netflix Konkurrenz zu machen? Netflix hatte nach seiner Gründung im Jahr 1997 nichts mit der Produktion von jeglichem Content zu tun. Netflix hat lange Zeit DVDs an US-Amerikaner vermietet. Oder ist es dafür jetzt sogar vielleicht schon zu spät?
Martin Steiger: Ich gehe davon aus, dass die amerikanische Unterhaltungsindustrie früher oder später einsehen wird, dass sie sich mit ihren fragmentierten Angeboten schadet. Die Lösung kann aber – auch wettbewerbsrechtlich gesehen – keine eigene und einzige Plattform sein. Netflix halte ich in dieser Hinsicht für überschätzt, denn jenseits von einigen populären Serien ist das Angebot mässig. Im Vordergrund stehen für mich die dominierenden Online-Plattformen und Smartphone-Anbieter – gerade auch in China und im übrigen Asien. Sie gewinnen an Macht, denn ohne sie kommen die Inhalte nicht zu den Konsumentinnen und Konsumenten.
Die Unterhaltungsindustrie profitiert davon, dass sie viel Geld zu verteilen hat.”
uploaded.to bgh
Bildquelle: imgix @ unplash, thx! (CC0 1.0)
Lars Sobiraj: Wie geht’s mit dem Urheberrecht in der Schweiz, der EU und den Vereinigten Staaten weiter? Werden die Daumenschrauben künftig noch fester angezogen?
Martin Steiger: Das revidierte Urheberrechtsgesetz ist in der Bundesversammlung, dem schweizerischen Parlament, bislang auf Kurs. Der Entwurf enthält zahlreiche Verschärfungen. Der Entwurf könnte im Parlament diesbezüglich noch ergänzt werden, zum Beispiel steht wieder die Forderung nach Netzsperren im Raum.
Auch versteht es die amerikanische Unterhaltungsindustrie, ihre Anliegen in der Schweiz durchzusetzen. Dafür nutzt sie politischen und wirtschaftlichen Druck aus den USA, aber auch geschickt und langfristig aufgebaute Interessenvertretungen in der Schweiz. Die Unterhaltungsindustrie profitiert davon, dass sie viel Geld zu verteilen hat.
Lars Sobiraj: Herr Steiger, vielen Dank für das Gespräch.
Quelle; tarnkappe
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Die Konsumenten “nutzen jene Quellen, bei denen das Gesamterlebnis am besten ist.”
Lars Sobiraj: Im April des Vorjahres hat sich mit dem Filmspeler-Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) einiges für die EU-Bürger geändert. Hat dieses Urteil denn auch Auswirkungen auf die Bürgerinnen und Bürger der Schweiz? Wenn ja, welche?
Martin Steiger: Das Urteil hat keine direkten Auswirkungen auf Personen in der Schweiz. Das anwendbare Urheberrecht ist allerdings nicht von der Staatsbürgerschaft abhängig. Personen aus der Schweiz müssen aber bei Aufenthalten im Ausland darauf achten, das dortige Urheberrecht nicht zu verletzen. Was in der Schweiz allenfalls zulässig ist oder zumindest nicht zu Massenabmahnungen führt, kann in Deutschland ohne weiteres vor Gericht enden.
Lars Sobiraj: Lassen sich die Konsumenten denn überhaupt von solchen Urteilen beeindrucken? Welchen Einfluss auf die Sehgewohnheiten von Filmen und Serien wird dieses Urteil mittel- bis langfristig haben? Glauben Sie, die Schweizer gehen dadurch dazu über, offensichtlich rechtswidrige Quellen im Internet zu meiden?
Martin Steiger: Konsumentinnen und Konsumenten nutzen jene Quellen, bei denen das Gesamterlebnis am besten ist. Wenn es die Unterhaltungsindustrie versäumt, diese Quellen anzubieten, springen andere wirtschaftliche Akteure in die Lücke. Ob kostenpflichtig oder nicht ist von geringer Bedeutung, denn für Quellen, die nicht legitim sind, fallen häufig auch Kosten an. Die Unterhaltungsindustrie kann Konsumenten, die solche Quellen nutzen, mit rechtlichen Mitteln vergrämen. Sie gewinnt auf dem Rechtsweg aber keine Kunden. Auch besteht die Gefahr, dass die Konsumenten auf andere Unterhaltungsangebote ausweichen und zum Beispiel mehr Zeit mit Spielen und auf Social Media verbringen. Wer schaut sich noch einen Film oder eine Serie an, wenn es attraktive andere Unterhaltungsangebote gibt?
Du musst angemeldet sein, um Bilder zu sehen.
Bildquelle, thx! (CC0 1.0)
Lars Sobiraj: Beim Filmspeler-Urteil ging es um den Verkauf einer externen TV-Box von einem Niederländer. Dabei wurde der Mediaplayer Kodi in einer abgewandelten Version als Betriebssystem eingesetzt. Vavoo wird betrieben von einer Aktiengesellschaft aus ihrer Heimat und funktioniert offenbar ganz ähnlich. Ist denn der missbräuchliche Einsatz der Software zu völlig anderen Zwecken als ursprünglich gedacht, zulässig? Wird dies von den verwendeten Lizenzen abgedeckt?
Martin Steiger: Kodi steht unter der GPL und ist damit freie Open Source-Software. Wer die GPL einhält, darf Kodi verwenden. Ob es einer Plattform wie Vavoo hilft, den Nutzern in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen das Begehen von Urheberrechtsverletzungen zu verbieten, wird das Uploaded.net-Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zeigen.
Die Wahrnehmung, Kodi werde in erster Linie von «Piraten» genutzt, wird aus meiner Sicht für das Projekt immer mehr zu einem Problem.”
Lars Sobiraj: Ja, das wird sicher spannend. Anders gefragt: Könnte die XBMC Foundation, vertreten vom Software Freedom Law Center, rein theoretisch gesehen, juristisch dagegen vorgehen? Das wäre natürlich mit entsprechenden Kosten verbunden…
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Kodi Logo
Martin Steiger: Kodi verfolgt eigentlich eine Politik der Neutralität, muss sich aber zunehmend von rechtswidrigen Nutzungen distanzieren. Die Wahrnehmung, Kodi werde in erster Linie von «Piraten» genutzt, wird aus meiner Sicht für das Projekt immer mehr zu einem Problem. Kodi könnte zumindest dort den Rechtsweg beschreiten, wo die Nutzung von Name und Logo durch Dritte unerwünscht ist. Auf den ersten Blick scheint die XBMC Foundation allerdings über keine KODI-Marken mit Schutz in der Schweiz zu verfügen. Gleichzeitig ist es nicht die Aufgabe von Kodi, gegen mutmassliche und tatsächliche Rechtsverletzungen vorzugehen. Darum können und müssen sich die Rechteinhaber kümmern, wofür das Filmspeler-Urteil ein Beispiel ist.
Martin Steiger: Ob Vavoo in der Schweiz rechtswidrig ist, müsste im Zweifelsfall ein Gericht entscheiden.”
Lars Sobiraj: Welche zivil- oder strafrechtlichen Konsequenzen kommen denn auf die Schweizer zu, sollten sie daheim nachweislich eine solche Hardware einsetzen? Würden Sie Vavoo auch als eine offensichtlich rechtswidrige Quelle bezeichnen?
Martin Steiger: In der Schweiz sind mir bislang keine rechtlichen Folgen für Nutzerinnen und Nutzer von TV-Boxen, die Zugang zu rechtswidrigen Inhalten erlauben, bekannt. Die rechtlichen Probleme beginnen erst, wenn die verwendete Software über P2P-Funktionen verfügt. Das heißt, wenn ein Nutzer selbst geschützte Inhalte (in einer P2P-Tauschbörse – Anmerkung der Redaktion) anbietet oder teilt. Allerdings werden Massenabmahnungen in der Schweiz erst wieder möglich sein, wenn das revidierte Urheberrechtsgesetz in Kraft tritt, was aus heutiger Sicht nicht vor 2020 geschehen wird.
Für mich fällt Vavoo in jedem Fall in die Kategorie «zu schön, um wahr zu sein». Für Nutzer ist das Angebot selbstverständlich «wahr» und insofern auch «schön» … Ob Vavoo in der Schweiz rechtswidrig ist, müsste im Zweifelsfall ein Gericht entscheiden.
Du musst angemeldet sein, um Bilder zu sehen.
Lars Sobiraj: Wie groß schätzen Sie denn grundsätzlich das Interesse der Behörden ein, gegen derartige Urheberrechtsverletzungen vorzugehen?
Martin Steiger: Das Interesse der Behörden in der Schweiz war bislang mäßig. Die Rechteinhaber müssen in erster Linie selbst gegen Urheberrechtsverletzungen vorgehen, was aber aufwendig ist. Nun wird unter amerikanischem Druck das Urheberrecht verschärft, was die Behörden auf Trab hält. Vor einigen Jahren noch sah der Bundesrat, die schweizerische Bundesregierung, keinerlei Handlungsbedarf.
MPAA Disney Mickey MouseLars Sobiraj: Was glauben Sie: Welcher Ärger könnte denn auf die Luzerner Vavoo AG zukommen? Kann man ein solches Geschäftsmodell in der Schweiz dauerhaft betreiben? Oder müssen die Betreiber mittel- bis langfristig ins ferne Ausland abwandern, um weiteren Ärger zu vermeiden?
Martin Steiger: Eigentlich würde man meinen, ein solches Geschäftsmodell ließe sich in der Schweiz nicht dauerhaft erfolgreich betreiben. Im Widerspruch dazu scheinen Deniz C**i***g (Anmerkung: Nachname durch Redaktion unkenntlich gemacht) und sein Umfeld in der Schweiz aber bequem leben und wirtschaften zu können. In jedem Fall beklagt sich die amerikanische Unterhaltungsindustrie Jahr für Jahr, die Schweiz sei – immer noch! – eine Pirateninsel. Genannt werden in diesem Jahr insbesondere 1337x.to, Private Layer und Uploaded.net und Uptobox.com. Vavoo hingegen scheint man in den USA noch nicht als relevant wahrzunehmen. Es ist aber nicht ungewöhnlich, dass die amerikanische Unterhaltungsindustrie der Entwicklung im Markt hinterherhinkt.
Das neue Schweizer Urheberrechtsgesetz zielt auf Uploaded.net & Co. ab
Du musst Regestriert sein, um das angehängte Bild zusehen.
RapidShare
Foto Schulerst Wikimedia, thx! – (CC BY-SA 3.0)
Lars Sobiraj: Das ist leider wahr. Wir haben am gestrigen Montag eine Mitteilung des ehemaligen RapidShare-Geschäftsführers Christian Schmid erhalten, dass ihm bis dato vom Strafgericht Zug noch kein Urteil zugestellt wurde. Mit welchen Erwartungen sehen Sie dem Urteil gegen diesen Sharehoster entgegen?
Martin Steiger: Ich bin neugierig, in welche Richtung das Gericht seinen großen Spielraum nutzt. In den EU und in den USA werden Hoster immer mehr für die Inhalte ihrer Nutzerinnen und Nutzer verantwortlich gemacht. Diese Entwicklung wird unabhängig vom Urteil auch in der Schweiz ihren Lauf nehmen. So sieht der Entwurf für das revidierte Urheberrechtsgesetz eine Notice-and-Stay down-Verpflichtung für Hoster vor, die eine besondere Gefahr für Urheberrechtsverletzungen schaffen. Damit zielt das Gesetz unter anderem auf Uploaded.net.
Lars Sobiraj: Das wäre sowieso meine nächste Frage gewesen: Welche Folgen könnte dieses Urteil für die Cyando AG von Uploaded.net haben?
Martin Steiger: Uploaded.net könnte zusätzlich unter Druck geraten. Das Ende würde aber in erster Linie aufgrund von Urteilen im Ausland kommen, wie damals bei Rapidshare. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) wird in Kürze darüber urteilen, ob Sharehoster für Rechtsverletzungen ihrer Nutzerinnen und Nutzer schadenersatzpflichtig werden können. Im Markt sind Streaming-Plattformen inzwischen viel wichtiger als Sharehoster. In der Schweiz stehen Uploaded.net und Vavoo beispielhaft für diese Entwicklung.
Schweiz erfüllt nicht alle Forderungen der USA
Du musst angemeldet sein, um Bilder zu sehen.
Lars Sobiraj: Sie haben gegenüber dem News-Portal 20 Minuten gesagt, dass die Verschärfung des Schweizer Urheberrechts auf Druck der USA geschehen sei. Ist die Schweiz denn jetzt wieder runter von der Watchlist ?
Martin Steiger: Die Schweiz befindet sich im «2018 Special 301 Report» weiterhin auf der «Watch List». Allerdings wurde einerseits das revidierte Urheberrechtsgesetz noch nicht verabschiedet und andererseits erfüllt der Entwurf nicht alle amerikanischen Wünsche. Die «Watch List» ist letztlich ein Symbol für den politischen und wirtschaftlichen Druck aus den USA.
US-Filmstudios scheitern weiterhin beim Thema Digitalisierung
Lars Sobiraj: Von außen betrachtet bekommt man den Eindruck, die US-amerikanischen Filmstudios konzentrieren sich ihre Lobby-Arbeit, die Verbesserung der Rechtsdurchsetzung und des Urheberrechts, statt das eigene Angebot zu optimieren. Welchen Eindruck haben Sie von der Strategie der MPAA bzw. den großen US-Filmstudios?
Martin Steiger: Die amerikanische Unterhaltungsindustrie scheitert bei Fernsehserien und Filmen weiterhin an der Digitalisierung. Eine zukunftsorientierte Strategie, die sich an den Bedürfnissen der Konsumentinnen und Konsumenten orientiert, ist nicht erkennbar. Anstatt die große Nachfrage und auch Zahlungsbereitschaft mit überzeugenden Angeboten zu bedienen, wird mit rechtlichen Mitteln versucht, überkommene Geschäftsmodell am Leben zu erhalten. Die Musikindustrie zeigt, wie man sich im digitalen Raum mit legitimen Angeboten behaupten kann. Mit dem nun dominierenden Streaming-Modell werden pro Konsument höhere Umsätze pro Jahr erzielt als früher und dieser Umsatz ist auf Jahre hinaus gesichert. Für diesen Erfolg war massgeblich, dass das Angebot nicht durch verschiedene Plattformen fragmentiert ist. Es gibt Unterschiede zwischen einzelnen Plattformen, aber diese betreffen weniger die Musik, die abrufbar ist, sondern wie diese Musik durch und für die Konsumenten erschlossen wird.
Wird Netflix überschätzt?
Lars Sobiraj: Halten Sie es für möglich oder gar sinnvoll, dass US-Unternehmen einen eigenen legalen Streaming-Dienst gründen, um dem branchenfremden Wettbewerber Netflix Konkurrenz zu machen? Netflix hatte nach seiner Gründung im Jahr 1997 nichts mit der Produktion von jeglichem Content zu tun. Netflix hat lange Zeit DVDs an US-Amerikaner vermietet. Oder ist es dafür jetzt sogar vielleicht schon zu spät?
Martin Steiger: Ich gehe davon aus, dass die amerikanische Unterhaltungsindustrie früher oder später einsehen wird, dass sie sich mit ihren fragmentierten Angeboten schadet. Die Lösung kann aber – auch wettbewerbsrechtlich gesehen – keine eigene und einzige Plattform sein. Netflix halte ich in dieser Hinsicht für überschätzt, denn jenseits von einigen populären Serien ist das Angebot mässig. Im Vordergrund stehen für mich die dominierenden Online-Plattformen und Smartphone-Anbieter – gerade auch in China und im übrigen Asien. Sie gewinnen an Macht, denn ohne sie kommen die Inhalte nicht zu den Konsumentinnen und Konsumenten.
Die Unterhaltungsindustrie profitiert davon, dass sie viel Geld zu verteilen hat.”
Du musst Regestriert sein, um das angehängte Bild zusehen.
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Bildquelle: imgix @ unplash, thx! (CC0 1.0)
Lars Sobiraj: Wie geht’s mit dem Urheberrecht in der Schweiz, der EU und den Vereinigten Staaten weiter? Werden die Daumenschrauben künftig noch fester angezogen?
Martin Steiger: Das revidierte Urheberrechtsgesetz ist in der Bundesversammlung, dem schweizerischen Parlament, bislang auf Kurs. Der Entwurf enthält zahlreiche Verschärfungen. Der Entwurf könnte im Parlament diesbezüglich noch ergänzt werden, zum Beispiel steht wieder die Forderung nach Netzsperren im Raum.
Auch versteht es die amerikanische Unterhaltungsindustrie, ihre Anliegen in der Schweiz durchzusetzen. Dafür nutzt sie politischen und wirtschaftlichen Druck aus den USA, aber auch geschickt und langfristig aufgebaute Interessenvertretungen in der Schweiz. Die Unterhaltungsindustrie profitiert davon, dass sie viel Geld zu verteilen hat.
Lars Sobiraj: Herr Steiger, vielen Dank für das Gespräch.
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