winnipu
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Veröffentlicht am 14. September 2014 von
Nichts als Verbote: Die Ideologie des “Totschützens” beginnt bei überfürsorglicher Kindererziehung. Sie ist eine Einübung in Folgsamkeit und endet im totalitären Staat. Am kommenden Donnerstag ab sechs Uhr wird zurückgeblitzt. Dann wird Bundesdeutschland unter einer vierundzwanzigstündigen Polizeioffensive erzittern, die auch schon vor einem Jahr Hunderttausende von unmündigen und vorsätzlichen Rasern erfolgreich kriminalisiert hat. Allein in Berlin wurden beim ersten „Blitzmarathon“ 90.000 Fahrzeuge an 254 Kontrollstellen des zu schnellen Fahrens überführt. Wenn das kein Erfolg eines sich konstituierenden Polizeistaats ist…
In Berlin hatten die „Berlinerinnen und Berliner“, wie es im treudoofen politisch korrekten Zweiklassendeutsch beim Abdruck der Polizeimeldung in den Zeitungen heißt, diesmal auch noch die vorzügliche Möglichkeit, institutionelle Blockwartfunktion zu übernehmen und die Mitbürger vorauseilend pauschal zu denunzieren: Jeder Interessierte konnte der Polizei über ein Online-Formular Straßen nennen, in denen es zur Geschwindigkeitsüberwachung kommen soll. Wie beim ESC oder vielleicht auch nach Lust, Laune oder gar Sachverstand wurden dann die „Sieger“ ermittelt, und es kann nun auch auf Ihrer Strecke zur Arbeit mitgeblitzt werden.
Apfeldieb für Jahre ins Zuchthaus
Moment mal, was soll der Zynismus? Müssen nicht Einzelne daran gehindert werden, auf Kosten der Nerven oder der Gesundheit anderer sich Vorteile im Straßenverkehr zu verschaffen? Hat nicht der Staat eine Fürsorgepflicht? Ist Konrad Kustos jetzt zu den Anarchisten übergelaufen? Selbstverständlich muss der Staat steuern, die Frage ist nur, wie. Bei den 90.000 zur Strecke gebrachten Autofahrern in Berlin und den anderen anderswo handelt es sich nämlich mit Sicherheit, wenn auch aus gutem Grund von der Polizei nicht veröffentlicht, zu einem Anteil im hohen 90%-Bereich um solche, die die Geschwindigkeitsgrenze nur unwesentlich und ohne Gefährdung anderer überschritten haben. Die wahrscheinlich durch ihr Verhalten den Verkehr sogar flüssiger und effektiver gemacht haben.
Gleichwohl heißen alle diese Menschen in der Sprache der Verantwortlichen und der Medien „Raser“. Wie heißen dann eigentlich die Autofahrer, die wirklich rasen? Vielleicht ist es notwendig, hier noch einmal zu relativieren: Natürlich bedarf es der Kontrollen und bedarf es der Strafen, um Ordnung und Sicherheit aufrechtzuerhalten. Aber angesichts der in Pauschalregelungen lauernden Ungerechtigkeiten und der Tendenz, im scheinbaren Interesse der Sache zu übertreiben, gilt es ebenso, eine gewisse Zurückhaltung des Staatsapparats zu fordern. Der in der Tat erforderliche Abschreckungscharakter auf Verkehrsrüpel kann gesamtgesellschaftlich sowieso viel weniger diffus dadurch erreicht werden, dass wirkliche Unfallverursacher mit dafür größerer Härte angegangen werden.
Als Beispiel für Ungerechtigkeiten müssen nicht nur unterschiedliche Verkehrssituationen, Tageszeiten oder Straßenzustände bei gleichen Temporegelungen herhalten. Es reichen Vergleiche der Strafordnung: Für 21 km/h zu schnell gefahren gibt es einen Punkt in Flensburg, für 70 km/h zu viel ebenfalls. Für 0,5 fünf Promille gibt es zwei Punkte, für das doppelte auch. Die rote Ampel nach einer Sekunde kostet zwei Punkte, was punktetechnisch gleichgesetzt wird mit Fahrerflucht, illegalen Straßenrennen und Nötigung. Das erinnert an amerikanische Verhältnisse, bei denen der zum dritten Mal erwischte Apfeldieb für Jahre ins Zuchthaus muss.
Kontrollen zum Geldeintreiben
Ein Fahrer, der einem Bei-Gelb-Bremser aufgefahren war, wurde vom Landgericht München die volle Schuld zugesprochen, obwohl er nachvollziehbar ausgeführt hatte, er habe sogar selbst noch bei Gelb über die Ampel fahren können. Man vergleiche diese Rechtsprechung mit der täglichen, erprobten und sinnvollen Praxis: Was wäre denn der Sinn einer gelben Ampel, als auf das kommende Rot hinzuweisen, statt, wie die Rechtsprechung es aus übersteigertem Kontrollbewusstsein sieht, selbst schon Rot darzustellen.
Auffällig sind aber vor allem die ständig steigenden Erlöse aus Verkehrsordnungswidrigkeiten. Merkwürdigerweise, aber wohl aus gutem Grund, finden sich kaum übergreifende statistische Zahlen zu diesem Phänomen. Berlin jedenfalls steigerte seine Einnahmen aus Verkehrsordnungswidrigkeiten von 2010 zu 2011 um 21% d.h. von 23 Millionen auf mehr als 28 Millionen Euro. 2012 ging es weiter nach oben. Und diese Steigerung ist dramatisch höher als der zu Grunde liegende Anstieg der Zahl der Verstöße.
Es kommt dem Regulierungsstaat also zupass, dass seine Ordnungspolitik nicht nur auf ein ausuferndes und deshalb situationsunangemessenes Sicherheitsverständnis zurückgreifen kann, sondern auch noch seine Taschen füllt. Deutliche Worte sprach der Leserbrief eines aktiven Polizisten in der Berliner Morgenpost: „Die Geschwindigkeitskontrollen dienen lediglich zum Geldeintreiben. Ich habe oft erlebt, dass Kontrollen vor Schulen abgebrochen und dann an breiten Hauptstraßen fortgeführt wurden, weil dort mehr Verwarnungsgelder erzielt werden. Die Verkehrssicherheit spielt überhaupt keine Rolle. Jeder weiß es, aber alle streiten es ab. Die Direktionen liegen durch das Controlling untereinander im Wettstreit. Eine Direktion, die in der Jahresstatistik mit Verwarnungsgeld und Bußgeldbescheiden hinten liegt, verpflichtet sich in der Zielvereinbarung, besser zu werden. Das geht natürlich nur, wenn man nicht vor Schulen und Krankenhäusern steht, sondern an Straßen mit hohen Durchschnittsgeschwindigkeiten.“
Wie bei einem Pilotenspiel
Bevor ich jetzt von missverstehen(wollen)den Kommentaren erschlagen werde: Mir ist schon bewusst, dass eine liberalere Verkehrsstrafenpolitik auch Risiken birgt und kurz- bis mittelfristig auch eine moderate Zunahme der Unfallzahlen bewirken könnte. Doch es wäre in Verbindung mit fühlbaren Strafen für Schadensverursacher ein Weg, über eine angemessene Ordnungspolitik das Verantwortungsbewusstsein und die Einsicht in die Notwendigkeit rücksichtsvollen Verhaltens eines jeden Verkehrsteilnehmers zu stärken.
Als ich in jungen Jahren durch das damals noch sozialistische Jugoslawien fuhr, und merkte, dass in der mit Tempo 50 ausgeschilderten Kurve fünf Stundenkilometer mehr beinahe zu einem Abflug in die Schlucht geführt hätten, hatte ich begriffen, dass die Schilder hier nicht wohlmeinende Fantasiezahlen anzeigten, die jeder nach Stand seines Selbst- oder Obrigkeitsbewusstseins frei zu interessieren hat, sondern eine zu respektierende Realität.
Doch hierzulande geht es ja bekanntlich immer weniger um die Realität als um die Virtualität. Bürger wie Staat überbieten sich in virtueller Menschenfreundlichkeit, ohne zu prüfen, ob nicht mehr Schaden als Nutzen angerichtet wird. Eine Erkenntnis, die natürlich nicht nur für die Verkehrspolitik gilt. Diese Denkweise bedient sich der Triebkraft des Irrationalen. Wie bei einem Pilotenspiel gewinnt der, der sich frühzeitig an die Spitze der Bewegung der Menschfreundlichkeit und des Gutes tun setzt. Das geschieht natürlich nicht bewusst, sondern intuitiv, so wie auch der Niedergang an sich im Grunde nicht das Ergebnis der Pläne irgendwelcher böser Menschen ist, sondern das degenerierender Strukturen.
Drangsal in den Köpfen
Mittlerweile findet geradezu ein Wettrennen um die Pole-Position beim Gutes tun statt. Aber dieses Gute wird über Anweisungen, Regeln und Gesetze angepeilt und nicht durch Ermöglichung eines sozialen Reifeprozesses. Die Niedergangsgesellschaft spült dabei Totalitaristen in die Machtpositionen, die unseriös einfache Lösungen für komplexe Situationen anbieten. ‚Kopf ab’ statt rechtsstaatliches Verfahren beispielsweise. Da ist der Weg nicht weit, dass ein
Diese neue Ideologie des „Totschützens“ beginnt bei überfürsorglicher Kindererziehung und endet im totalitären Staat. Sie ist eine Einübung in Folgsamkeit ohne eigentliche Positionen, Gehorchenlernen auf der Metaebene. Das alles sind Vorboten von Verboten.
Dabei geht es, wie bei historischen Ideologien auch, selbstverständlich immer auch um das Gute. Nur dass all die anderen, und die sind meistens auch noch in der Mehrheit, dazu gezwungen werden müssen. Natürlich zu ihrem eigenen Vorteil. So lernen wir von diesem Apparat, dass auch Überwachung, zumindest solche aus ach so guten Gründen, in unserem eigenen Interesse stattfindet. Und weil das so gut klingt und wir darauf hereinfallen, findet Überwachung und Drangsalierung inzwischen auch in unseren Köpfen eine masochistische Heimstatt.
Massive staatliche Gewalt
Was kommt alles noch danach? Ignorieren wir das heute und beruhigen unsere zu recht vibrierenden Nerven, in dem wir auf die vergleichsweise harmlose Spielwiese Verkehrspolitik zurückblicken. Die schwedische Firma Edeva hat eine Fallgrube entwickelt, die sofort für „einen heilsamen Schock“ sorgt.
Fährt jemand zu schnell, senkt sich einige Meter hinter der Tempokontrolle eine quer verlaufende Metallplatte um vier Zentimeter. Auto und Insassen werden dadurch kräftig durchgerüttelt. Die Anlage habe sich in einem schwedischen Ort schon bewährt: Dort sank der Anteil der Schnellfahrer (in verkehrsberuhigten Zonen) von 70 auf 20%.
In meinem Rechtsverständnis ist das massive staatliche Gewalt gegen Menschen, die keinen anderen Verstoß begangen haben, als eine Situation selbständig einzuschätzen, statt auf staatliche Anordnungen zu vertrauen. Wer nicht hören will, muss eben fühlen. Eine wahrhaft erschütternde Maßnahme.
Quelle:
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Blitzer-Anlage in einem Polizeiwagen / Foto: GEOLITICO Nichts als Verbote: Die Ideologie des “Totschützens” beginnt bei überfürsorglicher Kindererziehung. Sie ist eine Einübung in Folgsamkeit und endet im totalitären Staat. Am kommenden Donnerstag ab sechs Uhr wird zurückgeblitzt. Dann wird Bundesdeutschland unter einer vierundzwanzigstündigen Polizeioffensive erzittern, die auch schon vor einem Jahr Hunderttausende von unmündigen und vorsätzlichen Rasern erfolgreich kriminalisiert hat. Allein in Berlin wurden beim ersten „Blitzmarathon“ 90.000 Fahrzeuge an 254 Kontrollstellen des zu schnellen Fahrens überführt. Wenn das kein Erfolg eines sich konstituierenden Polizeistaats ist…
In Berlin hatten die „Berlinerinnen und Berliner“, wie es im treudoofen politisch korrekten Zweiklassendeutsch beim Abdruck der Polizeimeldung in den Zeitungen heißt, diesmal auch noch die vorzügliche Möglichkeit, institutionelle Blockwartfunktion zu übernehmen und die Mitbürger vorauseilend pauschal zu denunzieren: Jeder Interessierte konnte der Polizei über ein Online-Formular Straßen nennen, in denen es zur Geschwindigkeitsüberwachung kommen soll. Wie beim ESC oder vielleicht auch nach Lust, Laune oder gar Sachverstand wurden dann die „Sieger“ ermittelt, und es kann nun auch auf Ihrer Strecke zur Arbeit mitgeblitzt werden.
Apfeldieb für Jahre ins Zuchthaus
Moment mal, was soll der Zynismus? Müssen nicht Einzelne daran gehindert werden, auf Kosten der Nerven oder der Gesundheit anderer sich Vorteile im Straßenverkehr zu verschaffen? Hat nicht der Staat eine Fürsorgepflicht? Ist Konrad Kustos jetzt zu den Anarchisten übergelaufen? Selbstverständlich muss der Staat steuern, die Frage ist nur, wie. Bei den 90.000 zur Strecke gebrachten Autofahrern in Berlin und den anderen anderswo handelt es sich nämlich mit Sicherheit, wenn auch aus gutem Grund von der Polizei nicht veröffentlicht, zu einem Anteil im hohen 90%-Bereich um solche, die die Geschwindigkeitsgrenze nur unwesentlich und ohne Gefährdung anderer überschritten haben. Die wahrscheinlich durch ihr Verhalten den Verkehr sogar flüssiger und effektiver gemacht haben.
Gleichwohl heißen alle diese Menschen in der Sprache der Verantwortlichen und der Medien „Raser“. Wie heißen dann eigentlich die Autofahrer, die wirklich rasen? Vielleicht ist es notwendig, hier noch einmal zu relativieren: Natürlich bedarf es der Kontrollen und bedarf es der Strafen, um Ordnung und Sicherheit aufrechtzuerhalten. Aber angesichts der in Pauschalregelungen lauernden Ungerechtigkeiten und der Tendenz, im scheinbaren Interesse der Sache zu übertreiben, gilt es ebenso, eine gewisse Zurückhaltung des Staatsapparats zu fordern. Der in der Tat erforderliche Abschreckungscharakter auf Verkehrsrüpel kann gesamtgesellschaftlich sowieso viel weniger diffus dadurch erreicht werden, dass wirkliche Unfallverursacher mit dafür größerer Härte angegangen werden.
Als Beispiel für Ungerechtigkeiten müssen nicht nur unterschiedliche Verkehrssituationen, Tageszeiten oder Straßenzustände bei gleichen Temporegelungen herhalten. Es reichen Vergleiche der Strafordnung: Für 21 km/h zu schnell gefahren gibt es einen Punkt in Flensburg, für 70 km/h zu viel ebenfalls. Für 0,5 fünf Promille gibt es zwei Punkte, für das doppelte auch. Die rote Ampel nach einer Sekunde kostet zwei Punkte, was punktetechnisch gleichgesetzt wird mit Fahrerflucht, illegalen Straßenrennen und Nötigung. Das erinnert an amerikanische Verhältnisse, bei denen der zum dritten Mal erwischte Apfeldieb für Jahre ins Zuchthaus muss.
Kontrollen zum Geldeintreiben
Ein Fahrer, der einem Bei-Gelb-Bremser aufgefahren war, wurde vom Landgericht München die volle Schuld zugesprochen, obwohl er nachvollziehbar ausgeführt hatte, er habe sogar selbst noch bei Gelb über die Ampel fahren können. Man vergleiche diese Rechtsprechung mit der täglichen, erprobten und sinnvollen Praxis: Was wäre denn der Sinn einer gelben Ampel, als auf das kommende Rot hinzuweisen, statt, wie die Rechtsprechung es aus übersteigertem Kontrollbewusstsein sieht, selbst schon Rot darzustellen.
Auffällig sind aber vor allem die ständig steigenden Erlöse aus Verkehrsordnungswidrigkeiten. Merkwürdigerweise, aber wohl aus gutem Grund, finden sich kaum übergreifende statistische Zahlen zu diesem Phänomen. Berlin jedenfalls steigerte seine Einnahmen aus Verkehrsordnungswidrigkeiten von 2010 zu 2011 um 21% d.h. von 23 Millionen auf mehr als 28 Millionen Euro. 2012 ging es weiter nach oben. Und diese Steigerung ist dramatisch höher als der zu Grunde liegende Anstieg der Zahl der Verstöße.
Es kommt dem Regulierungsstaat also zupass, dass seine Ordnungspolitik nicht nur auf ein ausuferndes und deshalb situationsunangemessenes Sicherheitsverständnis zurückgreifen kann, sondern auch noch seine Taschen füllt. Deutliche Worte sprach der Leserbrief eines aktiven Polizisten in der Berliner Morgenpost: „Die Geschwindigkeitskontrollen dienen lediglich zum Geldeintreiben. Ich habe oft erlebt, dass Kontrollen vor Schulen abgebrochen und dann an breiten Hauptstraßen fortgeführt wurden, weil dort mehr Verwarnungsgelder erzielt werden. Die Verkehrssicherheit spielt überhaupt keine Rolle. Jeder weiß es, aber alle streiten es ab. Die Direktionen liegen durch das Controlling untereinander im Wettstreit. Eine Direktion, die in der Jahresstatistik mit Verwarnungsgeld und Bußgeldbescheiden hinten liegt, verpflichtet sich in der Zielvereinbarung, besser zu werden. Das geht natürlich nur, wenn man nicht vor Schulen und Krankenhäusern steht, sondern an Straßen mit hohen Durchschnittsgeschwindigkeiten.“
Wie bei einem Pilotenspiel
Bevor ich jetzt von missverstehen(wollen)den Kommentaren erschlagen werde: Mir ist schon bewusst, dass eine liberalere Verkehrsstrafenpolitik auch Risiken birgt und kurz- bis mittelfristig auch eine moderate Zunahme der Unfallzahlen bewirken könnte. Doch es wäre in Verbindung mit fühlbaren Strafen für Schadensverursacher ein Weg, über eine angemessene Ordnungspolitik das Verantwortungsbewusstsein und die Einsicht in die Notwendigkeit rücksichtsvollen Verhaltens eines jeden Verkehrsteilnehmers zu stärken.
Als ich in jungen Jahren durch das damals noch sozialistische Jugoslawien fuhr, und merkte, dass in der mit Tempo 50 ausgeschilderten Kurve fünf Stundenkilometer mehr beinahe zu einem Abflug in die Schlucht geführt hätten, hatte ich begriffen, dass die Schilder hier nicht wohlmeinende Fantasiezahlen anzeigten, die jeder nach Stand seines Selbst- oder Obrigkeitsbewusstseins frei zu interessieren hat, sondern eine zu respektierende Realität.
Doch hierzulande geht es ja bekanntlich immer weniger um die Realität als um die Virtualität. Bürger wie Staat überbieten sich in virtueller Menschenfreundlichkeit, ohne zu prüfen, ob nicht mehr Schaden als Nutzen angerichtet wird. Eine Erkenntnis, die natürlich nicht nur für die Verkehrspolitik gilt. Diese Denkweise bedient sich der Triebkraft des Irrationalen. Wie bei einem Pilotenspiel gewinnt der, der sich frühzeitig an die Spitze der Bewegung der Menschfreundlichkeit und des Gutes tun setzt. Das geschieht natürlich nicht bewusst, sondern intuitiv, so wie auch der Niedergang an sich im Grunde nicht das Ergebnis der Pläne irgendwelcher böser Menschen ist, sondern das degenerierender Strukturen.
Drangsal in den Köpfen
Mittlerweile findet geradezu ein Wettrennen um die Pole-Position beim Gutes tun statt. Aber dieses Gute wird über Anweisungen, Regeln und Gesetze angepeilt und nicht durch Ermöglichung eines sozialen Reifeprozesses. Die Niedergangsgesellschaft spült dabei Totalitaristen in die Machtpositionen, die unseriös einfache Lösungen für komplexe Situationen anbieten. ‚Kopf ab’ statt rechtsstaatliches Verfahren beispielsweise. Da ist der Weg nicht weit, dass ein
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, Militäreinsätze in fremden Ländern seien ein Gebot der Nächstenliebe. Erst eins, dann zwei, dann drei, dann vier, dann steht
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vor der Tür.Diese neue Ideologie des „Totschützens“ beginnt bei überfürsorglicher Kindererziehung und endet im totalitären Staat. Sie ist eine Einübung in Folgsamkeit ohne eigentliche Positionen, Gehorchenlernen auf der Metaebene. Das alles sind Vorboten von Verboten.
Dabei geht es, wie bei historischen Ideologien auch, selbstverständlich immer auch um das Gute. Nur dass all die anderen, und die sind meistens auch noch in der Mehrheit, dazu gezwungen werden müssen. Natürlich zu ihrem eigenen Vorteil. So lernen wir von diesem Apparat, dass auch Überwachung, zumindest solche aus ach so guten Gründen, in unserem eigenen Interesse stattfindet. Und weil das so gut klingt und wir darauf hereinfallen, findet Überwachung und Drangsalierung inzwischen auch in unseren Köpfen eine masochistische Heimstatt.
Massive staatliche Gewalt
Was kommt alles noch danach? Ignorieren wir das heute und beruhigen unsere zu recht vibrierenden Nerven, in dem wir auf die vergleichsweise harmlose Spielwiese Verkehrspolitik zurückblicken. Die schwedische Firma Edeva hat eine Fallgrube entwickelt, die sofort für „einen heilsamen Schock“ sorgt.
Fährt jemand zu schnell, senkt sich einige Meter hinter der Tempokontrolle eine quer verlaufende Metallplatte um vier Zentimeter. Auto und Insassen werden dadurch kräftig durchgerüttelt. Die Anlage habe sich in einem schwedischen Ort schon bewährt: Dort sank der Anteil der Schnellfahrer (in verkehrsberuhigten Zonen) von 70 auf 20%.
In meinem Rechtsverständnis ist das massive staatliche Gewalt gegen Menschen, die keinen anderen Verstoß begangen haben, als eine Situation selbständig einzuschätzen, statt auf staatliche Anordnungen zu vertrauen. Wer nicht hören will, muss eben fühlen. Eine wahrhaft erschütternde Maßnahme.
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