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Michael Schumacher - Deshalb nenne ich Spa mein Wohnzimmer

rooperde

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Vor 20 Jahren debütierte Michael Schumacher in Spa: Warum die Jordan-Premiere bis nach dem Qualifying wackelte und 500 D-Mark den möglichen Sieg verhinderten.

Es ist eine "Love-Affair" mit vielen Höhen und wenigen Tiefen. Michael Schumacher und Spa-Francorchamps - nur selten in der Geschichte der Formel 1 hatte ein Pilot eine so enge Beziehung zu einer Rennstrecke. "Sehr viele Dinge sind dort für mich geschehen", weiß der Rekord-Weltmeister. "Außerdem ist Spa eine Rennstrecke mit enorm viel Tradition. Durch Eau Rouge, Blanchimont und so weiter zu fahren, setzt ganz spezielle Gefühle frei - Gefühle der enormen Zufriedenheit und der Bestätigung, ein Rennauto am Limit bewegen zu können und dabei extrem herausgefordert zu werden."

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2011 feiert der Rekord-Weltmeister auf seiner Schicksalsstrecke zudem ein besonderes Jubiläum: Vor genau 20 Jahren debütierte der damals 22-Jährige in den Ardennen sensationell, obwohl er mit dem Jordan nur 500 Meter weit kam. Auch heute noch ärgert sich der 42-Jährige, wenn er an jenen ausnahmsweise sonnigen Sonntag im sonst so verregneten Spa denkt, denn er weiß, dass er die ganz große Sensation hätte schaffen können.

Warum die Kupplung nach 500 Metern versagte

"Ich hatte nach 500 Metern Kupplungsdefekt, den das Team hätte vermeiden können, wenn man ein bisschen mehr Geld investiert hätte und eine neue Kupplung eingebaut hätte, denn die war schon im Warm-Up kaputt gewesen", übt er späte Kritik am Rennstall seines ersten Formel-1-Teamchefs Eddie Jordan. "Es ging da glaube ich um 500 D-Mark."

Schumacher hatte sich im Qualifying sensationell den siebenten Startplatz erkämpft und seinen damaligen Teamkollegen Andrea de Cesaris um sieben Zehntelsekunden abgehängt. Das Formel-1-Fahrerlager staunte nicht schlecht. "Wer auf einer ihm unbekannten Strecke auf Anhieb so schnell ist, der muss schon ein außergewöhnliches Talent sein", urteilte der damalige "Überfahrer" Ayrton Senna gegenüber 'Rallye Racing'.

Auf den ersten Blick verwunderlich, dass Jordan bei Schumachers Boliden keine neue Kupplung einbauen ließ. "Aber anscheinend war man der Meinung, dass für den auch die Kupplung reicht, denn er wird sie eh nicht so beanspruchen, oder was weiß ich", denkt Schumacher heute laut nach und hadert mit dem Ausfall. "Andrea de Cesaris ist glaube ich fünf Runden vor Schluss zum Stehen gekommen - an zweiter Stelle liegend. Ich glaube, ich war eine Sekunde schneller als er, also kann sich jeder ausrechnen, wo ich vielleicht hätte fahren können bei meinem ersten Rennen. Das war natürlich schon ärgerlich."

Jordans Belgien-Start wackelte

Was Schumacher nicht erwähnt: Sein Formel-1-Debüt in Spa 1991 wäre beinahe gar nicht zustande gekommen, denn das Jordan-Team befand sich am Belgien-Wochenende in massiven finanziellen Turbulenzen. Cosworth drohte dem Team mit einer Klage, weil die irische Truppe die Motoren nicht bezahlen konnte - das neue Team war pleite.

Am Donnerstagabend vor dem Rennen wurden zudem die Jordan-Boliden beschlagnahmt. "Als wir in Spa eintrafen", erinnert sich der Teamchef im Buch 'The Piranha Club', "waren die Boliden und die Trucks vom Gerichtsvollzieher beschlagnahmt worden. Wir kamen nicht ran, sie behaupteten, dass wir Geld zahlen müssten."

Autos wurden beschlagnahmt

Der belgische Pilot Philippe Adams hatte eine einstweilige Verfügung gegen den Rennstall eingeleitet - er wollte vermeiden, dass das Team das Land verlässt, ohne die Schulden zu begleichen. Erst am Samstagnachmittag nach dem Qualifying konnte Jordan die Situation endgültig klären. "Wir fanden einen Weg, um die Sache zu lösen, damit wir am Rennen teilnehmen durften", erinnert sich Teammanager Ian Phillips. Nicht nur beim Material spürte Schumacher die Geldnot des Teams: Der spätere Milliardär musste mit anderen Teammitgliedern in der schäbigen Jugendherberge übernachten, während die Topstars im Nobelhotel logierten.

Doch all das war Schumacher egal. Der Deutsche machte in Spa-Francorchamps eine wichtige Erkenntnis: "Ich merkte sehr schnell, dass wir alle nur Menschen sind - auch ein Senna, auch ein Alain Prost und ein Nigel Mansell, die ja für mich so weit weg waren, dass ich mir nie hätte vorstellen können, mich mit denen messen zu können. Während des Wochenendes ist mir dann aber doch aufgefallen, dass das für mich möglich ist, und ich in dieser Welt der Superlative mitfahren kann, mithalten kann und mich sogar behaupten kann. Das war für mich das High-End-Feeling, wodurch ich mich extrem wohl gefühlt habe." Dabei hatte es eine Woche davor noch völlig anders ausgesehen.

Wie es zu "Schumis" Debüt kam

Szenenwechsel: Silverstone, der Dienstag vor Schumachers Formel-1-Premiere. Der Kerpener testet auf dem kleinen Kurs zum ersten Mal einen Formel-1-Boliden. Wie es dazu kam, liest sich wie ein Krimi. Der belgische Jordan-Pilot Bertrand Gachot hatte im Dezember 1990 in London den Taxifahrer Eric Court "aus Notwehr" mit Tränengas attackiert, lehnte die Zahlung eines Bußgeldes ab, weil er sich unschuldig fühlte und musste ausgerechnet vor seinem Heimrennen ins Gefängnis. Jordan suchte dringend einen Ersatzpiloten.

Schumacher-Manager Willi Weber erkannte die Chance und versuchte, das Mercedes-Sportwagen-Talent bei Jordan unterzubringen. Der Ire wollte jedoch eher Stefan Johansson aus der Rente zurückholen. "Wer ist Schumacher?", fragte er verblüfft. Erst als sich Mercedes-Rennleiter Jochen Neerpasch einschaltete und zusätzliche Sponsorengelder versprach, ließ sich Jordan erweichen und sicherte dem Supertalent einen Test zu.

Der Schreck nach den ersten Formel-1-Metern

Schumacher erinnert sich noch gut an den Test in Silverstone, seine ersten Meter im Formel-1-Boliden: "Ich bin die ersten Meter rausgefahren, musste eine Runde langsam alles warm fahren, bin reingekommen, alles wurde gecheckt, und ich bin wieder rausgefahren. Und in der Runde, in der ich das Gas auch wirklich benutzen durfte, war ich erst einmal einfach erschrocken. Erschrocken, weil es trotz meiner Sportwagen-Erfahrung bislang nie so schnell gewesen war, so agil, so reaktiv, so außergewöhnlich, wie ich es eben noch nicht kannte. Ich bin erschrocken, weil ich mir Gedanken gemacht habe, wie ich das schaffen soll, dachte, das wäre vielleicht doch eine Nummer zu groß für mich."

Doch der spätere Superstar gewöhnte sich ungewöhnlich rasch an die Formel 1: "Schon die zweite Runde war lockerer und in der dritten Runde hatte ich eigentlich schon meinen ersten Zweifel vergessen und habe mich wohl gefühlt." Teamchef Jordan war in Silverstone gar nicht vor Ort, seine Mitarbeiter trauten an der Boxenmauer aber ihren Augen nicht: Die Zeiten purzelten rapide in den Keller. Aufgrund der misslichen finanziellen Lage zitierte man Schumacher an die Box und ermahnte ihn, das Auto ja nicht aufs Spiel zu setzen, weil man sonst in Spa kein Chassis für ihn habe.

"Am Ende des Tages war ich glaube ich eine Sekunde schneller als die Jungs, die vorher in dem Auto gesessen haben", blickt Schumacher heute schmunzelnd zurück. "Ich dachte mir, wenn das wirklich so ist, dann scheine ich das Auto ja halbwegs bewegen zu können, obwohl ich noch nicht wusste, was sich daraus entwickeln würde."

Mercedes zog bei Schumacher-Debüt die Fäden

Zu diesem Zeitpunkt war Schumachers Einsatz noch lange nicht fixiert. "Ich habe einen Anruf bekommen, war natürlich noch lange nicht sicher, dass das das Zugeständnis für den Platz bedeutet", erzählt der nunmehrige Mercedes-Pilot. "Erst am Donnerstagabend vor dem Spa-Rennen war mir klar, dass ich am Tag darauf das Freie Training fahren werde und auch das Wochenende im Jordan sitzen werde. Das war für mich das Einstiegsticket in die Formel 1. Das Interessante daran ist, dass Mercedes das damals vor 20 Jahren mitfinanziert und mitorganisiert hat."

Spätestens nach den Trainingssitzungen erkannte Schumacher, dass er gut genug für die Königsklasse des Motorsports ist. Doch er erlebte auf der fordernden Fahrerstrecke in den Ardennen auch ein selbst für Formel-1-Piloten seltenes Glücksgefühl. "Mit den damaligen Autos durch Eau Rouge durchzufahren, das war das Highlight schlechthin", schwärmt Schumacher und fügt an: "Heute ist es das nicht mehr ganz."

"Die Autos wurden damals sowas von zusammengestaucht und im nächsten Moment sind sie über die Kuppe fast abgehoben - und das am Limit zu fabrizieren ist wie Jonglieren auf höchstem Niveau oben auf einem Drahtseil. Das war so sensationell. Wenn man dann noch das Gefühl hatte, man kriegt das hin, dann ist das die schönste Bestätigung, das schönste Gefühl, das ein Rennfahrer haben kann."

Der erste Sieg

Genau ein Jahr später erreichte Schumachers Glücksgefühl an selber Stelle die nächste Stufe: Am 30. August 1992 gewann er - inzwischen für Benetton - sein erstes Formel-1-Rennen. Der Grand Prix war von wechselhaften Wetterbedingungen gezeichnet, doch der Youngster zeigte sich davon unbeeindruckt und besiegte Mansell und Regen-Spezialisten Senna, obwohl diese besseres Material hatten.

"Das war sicherlich das I-Tüpfelchen zu dem Zeitpunkt, mit einem Auto, wo man nicht erwarten konnte, gewinnen zu können, und ein bisschen Glück durch die Wettersituation", frohlockt Schumacher. "Diese Kombination hat dazu geführt, dass ich plötzlich Erster war, die Position aber halten konnte und so durchs Ziel gefahren bin. Dadurch ist für mich mehr als ein Traum in Erfüllung gegangen." 1995 waren die Bedingungen ähnlich - und wieder siegte Schumacher, der Damon Hill in einem außerordentlich harten Kampf niederrang. Der Benetton-Pilot war nur von Platz 16 aus ins Rennen gegangen.

Coulthard und der große Crash

Doch der Routinier erlebte bei seinen 14 Grands Prix in Belgien auch einen Tiefpunkt seiner Karriere. 1998 führte der damalige Ferrari-Star bei sintflutartigem Regen überlegen, als er auf David Coulthard - Teamkollege von Titelrivale Mika Häkkinen - auflief. Der Schotte ging ausgangs der Linkskurve nach "Bruxelles" vom Gas, um Schumacher überrunden zu lassen, ehe es krachte.

"Die Erinnerungen sind so, als wäre es gestern gewesen", blickt Schumacher zurück. "Du fährst auf der Geraden in der Gischt hinterher, hast überhaupt keine Möglichkeit, die Abstände einzuschätzen, und plötzlich geht der Kollege vor dir vom Gas. Das ist ja wie wenn man mit dem Auto eine Vollbremsung macht. Du merkst es nur nicht, du siehst die Gischt und plötzlich hängst du schon auf dem Vordermann drauf und dir fehlt ein Rad."

"Du wolltest mich umbringen!"

Beide rollten daraufhin mit ihren zerstörten Boliden an die Box, Schumacher stieg aus und rannte wutentbrannt in die McLaren-Box. Dort stellten sich die McLaren-Mechaniker schützend vor den Schotten und blockten "Schumi" ab. "Du wolltest mich umbringen", schrie der Ferrari-Pilot seinen langjährigen Erzrivalen an. "Ich hatte noch den Helm auf und konnte gar nichts mehr antworten", schilderte Coulthard Jahre später gegenüber der 'Bild am Sonntag' die hitzigen Momente an der Box. "Später hat er mir Vorwürfe gemacht, mir Absicht unterstellt."

"Ich habe damals wirklich gepennt", gab Coulthard zu, den Fehler nahm er sofort auf seine Kappe. Heute erklärt Schumacher seine Reaktion: "Da er der Teamkollege von Häkkinen war, mit dem ich um die Meisterschaft gekämpft habe, waren schon gewisse Mutmaßungen da. Und eine extreme Verärgerung, weil ich mich tierisch darüber aufgeregt habe, wie jemand mit so viel Erfahrung so einen dummen leichtsinnigen Fehler begehen konnte. Dementsprechend war dann auch meine Reaktion."

2000: Das beste Überholmanöver aller Zeiten?

2000 geriet Schumacher wieder mit einem McLaren-Piloten aneinander - diesmal war es Häkkinen. Doch es war die hohe Kunst des Rennfahrens, die nun für Gesprächsstoff sorgte. Der Finne biss sich am Deutschen trotz eines deutlich überlegenen Autos die Zähne aus, ehe er den Überrundeten BAR-Piloten Ricardo Zonta in ein aufsehenerregendes Überholmanöver miteinbezog.

Schumacher schoss nach Eau Rouge auf der Kemel-Geraden links, Häkkinen rechts an Zonta vorbei, die beiden berührte sich beinahe und der McLaren stach als erster in die folgende Schikane. Doch wie erlebte der damalige Ferrari-Pilot im Cockpit das Manöver, von dem noch heute mit Begeisterung gesprochen wird? "Das fand ich im Cockpit sicherlich schade, weil ich bis dahin meine Position verteidigen konnte", gibt er nüchtern zu Protokoll.

Das Häkkinen-Manöver aus "Schumis" Perspektive

"Als dann Zonta da war und er dann auch noch die Mitte wählte, hatte ich keine Chance mehr, meine Position zu verteidigen, weil irgendwo musste ich vorbei und Mika hatte zu diesem Zeitpunkt so viel Geschwindigkeits-Überschuss, den ich vorher immer wieder zu Nichte machen konnte. Aber da ging es dann nicht, weil ich eine Seite wählen musste, Mika nahm die andere und damit war er vorbei", schildert er dei aufregenden Momente.

Dennoch weiß er: "Es sah sehr spektakulär aus und hat zu seinem Sieg geführt. Dazu musste ich ihm damals leider Gottes gratulieren, weil ich natürlich lieber selber das Rennen gewonnen hätte. Aber diese Momente machen den Rennsport aus - sie sind auch für die Fans Motorsport pur."

2004 schloss sich der Kreis

Der zweite Platz beim Rennen im Jahr 2000 ist für Schumacher nachträglich aber mit Sicherheit verschmerzbar, da er in dieser Saison seinen ersten Titel für Ferrari einfuhr. Vier weitere sollten bis 2004 folgen. Seinen letzten konnte er sich - wie könnte es anders sein - auf seiner Schicksalsstrecke in den Ardennen sichern.

"Das macht Spa für mich aus", weiß er um die besondere Bedeutung des fast sieben Kilometer langen Kurses für seine Karriere. "Alles, was passieren konnte, ist dort passiert. Ich hatte sehr spezielle Rennen - 1992, 1995, 1998 auf andere Art und Weise, 2004 der letzte Titel. Zwar nur mit einem zweiten Platz, mehr war damals nicht drinnen, aber wir konnten den siebten Titel einfahren und insofern hat sich damit irgendwie ein Kreis geschlossen. Deshalb nenne ich Spa heute mein Wohnzimmer - weil eben so viele schöne, interessante Dinge dort passiert sind, über die ich glücklich bin."

Bei seinem Spa-Comeback im Vorjahr blieb der nunmehrige Mercedes-Pilot als Siebenter ein weiteres Highlight schuldig. Doch wer weiß: Vielleicht geling dem fünffachen Belgien-Sieger ausgerechnet 20 Jahre nach seinem Formel-1-Debüt ein spätes Erfolgserlebnis. Angesichts der schwierigen ersten Saisonhälfte könnte er etwas schicksalhafte Hilfe gut gebrauchen.

Quelle: Formel1
 
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