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Hartz-IV-Debatte: Die vergebliche Suche nach dem faulen Arbeitslosen

claus13

Elite Lord
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Hartz-IV-Debatte: Die vergebliche Suche nach dem faulen Arbeitslosen

Von Matthias Kaufmann
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DDP

Mit der neuen Bundesregierung wird Deutschland einen Mindestlohn bekommen. Die SPD will so ihr Versagen bei den Hartz-Reformen reparieren: Die selbsternannte Partei der kleinen Leute begann damals, Arbeitslose als Faulpelze zu diffamieren.

Der Mindestlohn wird kommen, auch wenn bei den Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD sonst noch viel offen ist. Er ist bei der Bevölkerung populär, und für die SPD ist er existenziell. Ohne Mindestlohn wird kaum erkennbar sein, dass Sigmar Gabriel und seine Leute als Juniorpartner in der Großen Koalition etwas zu melden haben.


Der Mindestlohn ist auch nötig. Die SPD selbst hat ihn nötig gemacht. Denn die Arbeitsmarktreformen unter dem Stichwort Hartz IV, die Gerhard Schröder vor acht Jahren durchgeboxt hat, sollten hauptsächlich über finanziellen Druck funktionieren: Wer sich nicht schneller als bisher einen neuen Job sucht, sollte sehr schnell sehr bescheiden leben müssen. Das hat auch die Position von Arbeitnehmern bei Gehaltsverhandlungen geschwächt, die Reallöhne fielen. Die SPD hatte es versäumt, gleichzeitig eine Untergrenze einzuziehen, einen Mindestlohn. Der nämlich hätte die niedrigsten Einkommen vor dem weiteren Verfall schützen können. Wenn das jetzt nachgeholt wird, dann kann man das tatsächlich als Vollendung der Hartz-Reformen verstehen, wie der frühere Wirtschaftsweise
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.
Warum hat die SPD den Mindestlohn damals vergessen? In den wirtschaftspolitischen Debatten Anfang der 2000er Jahre kam die Lohnuntergrenze kaum vor, das zeigt
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. In der erbittert geführten Diskussion um den deutschen Arbeitsmarkt war der Mindestlohn ein blinder Fleck, während sich SPD-Regierung und Unionsparteien in bemerkenswertem Gleichklang darauf konzentrierten, lieber die Arbeitslosen zu disziplinieren. Denn die, so glaubten viele, würden ja ganz offensichtlich nicht hart genug nach einem neuen Job suchen.
Schröder setzte den Ton in der Debatte
Im Rückblick erstaunt die Selbstverständlichkeit, mit der die Erwerbslosen als dreiste Kostgänger des Sozialstaates dargestellt wurden. Kanzler Schröder selbst produzierte 2001 geschickt ein Schlagwort: "Es gibt kein Recht auf Faulheit in unserer Gesellschaft". Auf den Arbeitsämtern, fügte Schröder an, solle öfter von den Sanktionsmöglichkeiten Gebrauch gemacht werden, wenn jemand sich nicht richtig um einen Job bemühe.
Schröder sagte nicht platt: Die sind alle faul. Aber er gab zu verstehen, dass er Faulheit beim Thema Arbeitslosigkeit für ein zentrales Problem hält. Der Ton in der Debatte war gesetzt.
Und er wurde schriller. Das spiegelt sich in den Zeitungen der Zeit wieder. Am aggressivsten las sich die "Bild", sie schrieb immer öfter schlicht von den "Faulen", vom "ausgeplünderten Sozialstaat" und von "Schnorrern", denen der "Fahnder vom Amt" auf die Pelle rücken müsse. Selbst ein "Bild"-Artikel, in dem berichtet wurde, dass nur 2,4 Prozent der Arbeitslosen heimlich dazuverdienen, wurde überschrieben: "So schamlos zocken Sozial-Betrüger ab".
Noch immer wird über die volkswirtschaftlichen Wirkungen der Hartz-Gesetze gestritten, gerade die SPD ist da mit sich nicht im Reinen. Mag sein, dass das Gesetzespaket den Standort Deutschland wettbewerbsfähiger gemacht hat; sicher ist, dass viele Menschen einen hohen Preis dafür bezahlt haben: Ihre Jobs sind unsicherer geworden, der Druck im Arbeitsleben gewachsen, die Arbeitslosenunterstützung geschrumpft. Wer heute zur Arbeitsagentur geht, muss sich bürokratisch entblößen und permanent rechtfertigen.
Die Genossen machten Erwerbslose zu Sündenböcken
Spielte denn Faulheit für das Ausmaß der Arbeitslosigkeit tatsächlich eine so große Rolle? Selbstverständlich lässt sich jedes System zum eigenen Vorteil missbrauchen, natürlich gibt es faule Menschen. Doch ganz gleich, nach welcher Methode man vermeintliche Lenzer im System aufspüren will: Ihr Anteil ist gering. Eine DIW-Untersuchung kam zwar zu dem Ergebnis, dass zehn Prozent der Arbeitslosen keine Stelle mehr suchen, die meisten davon aber, weil sie kurz vor dem Rentenalter standen oder gesundheitliche Probleme hatten.
Kurz: Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass der Anteil an Drückebergern unter Erwerbslosen größer ist als, sagen wir: bei Versicherungsfachangestellten. Oder Politikern. Oder Journalisten.
Das hinderte die Genossen aber nicht daran, Erwerbslose zu Sündenböcken zu machen. Rudolf Scharping forderte mehr Härte gegenüber Arbeitslosen unter 25 Jahren. Arbeitsminister Clement ließ 2005 gar eine Broschüre herausgeben, in der die Kostensteigerungen bei Hartz-IV-Maßnahmen dem Verhalten der Erwerbslosen angelastet wurden. Eine Einschätzung, der selbst die Clement unterstellten Arbeitsagenturen öffentlich widersprachen.


Übrigens fürchteten die Gewerkschaften damals, dass der Mindestlohn ihre Verhandlungsmacht ruinieren könnte. Darauf nahmen viele Genossen in der SPD Rücksicht, während die Union ohnehin kein Interesse an der Lohnuntergrenze hatte. Wenn bald doch noch der Mindestlohn kommt, dann ist das zwar für Niedriglöhner ein Gewinn; die Folgen der Hartz-Gesetze werden gemildert. Doch der entstandene Vertrauensschaden in die SPD wird sich damit nicht beheben lassen.
Die faulen Arbeitslosen als Massenphänomen blieben indes nur Phantome. 2011
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, ob der Druck der Hartz-Gesetze den Arbeitslosen nun derart Beine macht, dass sie schneller wieder in Lohn und Brot kommen. Das Ergebnis: Die Mehrzahl der Betroffenen war extrem kurz arbeitslos. Ungefähr genauso kurz wie früher.


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    Matthias Kaufmann (Jahrgang 1974) ist KarriereSPIEGEL-Redakteur und hat über die politischen Debatten im Vorfeld der Agenda 2010 und das öffentliche Bild von Erwerbslosen promoviert. Im Juni erschien sein Buch
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Gruß
claus13
 
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