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PC & Internet Bundesgerichtshof verhandelt Revision im Cyberbunker-Prozess

Bundesgerichtshof verhandelt Revision im Cyberbunker-Prozess​

23.08.2023 05:55 Uhr Fabian A. Scherschel
Foto aus dem Cyberbunker: Unaufgeräumte Tische, ein Chefsessel, zehn Flachbildschirme

Ein Raum im "Cyberbunker"
(Bild: LKA Rheinland-Pfalz)
Sowohl Staatsanwaltschaft als auch Verteidigung haben Revision gegen das Urteil des Mammutprozesses eingelegt. Haften die Serverbetreiber für ihre Kunden?
Am Donnerstag verhandelt der Bundesgerichtshof (BGH) über die Revision im Verfahren gegen die Betreiber des Bulletproof-Hosters Cyberbunker. Acht Angeklagte, sieben Männer und eine Frau, sind im Dezember 2021 vom Landgericht Trier (Aktenzeichen 2a KLs 5 Js 30/15)
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worden. Nach dem Prozess, der über ein Jahr in Anspruch nahm und viel mediale Aufmerksamkeit auf sich zog, beantragten sowohl Staatsanwaltschaft als auch Verteidigung Revision, über die der BGH nun verhandelt. Nicht nur wegen des Umfangs des Verfahrens und der spektakulären Ereignisse rund um den atombombensicheren Bunker in Rheinland-Pfalz ist das Interesse der Öffentlichkeit groß: Das Verfahren gilt als Meilenstein der deutschen Rechtsprechung, da hier zum ersten Mal die Betreiber eines Rechenzentrums, zumindest indirekt, für Straftaten ihrer Kunden verantwortlich gemacht wurden.

Darauf beruht auch der Revisionsantrag der Verteidiger aller acht Angeklagter. Sie bestehen darauf, dass ihre Mandanten sich nicht strafbar gemacht haben, da Paragraph 10 des Telemediengesetzes (TMG) sowie die E-Commerce-Richtlinie der Europäischen Union für Webhoster diese von einer Haftung für die Inhalte der von ihnen betriebenen Server befreie, sofern die Inhalte von ihren Kunden stammen. Die Angeklagten seien deswegen freizusprechen. Im Verfahren vor dem Landgericht Trier hat die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz versucht, den Angeklagten Mitschuld an den – laut Staatsanwaltschaft – mehr als 250.000 Straftaten zu geben, welche die Kunden des Hosters mittels der Cyberbunker-Server begangen haben sollen.

Das Landgericht folgte dieser Argumentation nicht und legte den Angeklagten lediglich das Bilden einer kriminellen Vereinigung zur Last. Dadurch ergab sich ein geringeres Strafmaß als von der Staatsanwaltschaft gefordert – zum Beispiel hätte der Hauptangeklagte Johan X. sonst sieben Jahre und sechs Monate statt fünf Jahre und neun Monate hinter Gitter müssen.

79 Verhandlungstage mit Akten-Bergen​

Der Prozess nahm 79 Verhandlungstage in Anspruch, unter anderem weil die Staatsanwaltschaft versuchte, insgesamt sieben Straftatenkomplexe und Dutzende von Einzelstraftaten der Hoster-Kunden nachzuweisen, um dann die Betreiber des Cyberbunkers dafür zu belangen. Allein das Verlesen der Anklageschrift am ersten Prozesstag nahm mehr als eine Stunde in Anspruch. Mit ihrem Revisionsantrag versucht die Staatsanwaltschaft nun, die Teilfreisprüche der Angeklagten aufzuheben und sie doch noch für die Rechtsverstöße ihrer Kunden zur Rechenschaft zu ziehen. Bis auf einen Angeklagten, der unter Jugendstrafrecht fällt, saßen die Beschuldigten bereits seit September 2019 in Untersuchungshaft.

Viele der insgesamt 227
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. Die meisten der Hosting-Kunden, und die Nutzer der von ihnen auf den Servern des Cyberbunker angebotenen Plattformen, konnten von den Ermittlern nicht beweiskräftig identifiziert werden. Bei den Delikten der Kunden des Cyberbunkers handelt es sich vorwiegend um Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz und das Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz. Es geht also um Handel mit illegalen Medikamenten oder Drogen. Allein über den damals in Rheinland-Pfalz gehosteten Marktplatz Flugsvamp 2.0 sei zwischenzeitlich über 90 Prozent des schwedischen Drogenhandels abgewickelt worden, schätzt die schwedische Polizei. Neben Flugsvamp wurden auch die bekannten Untergrund-Marktplätze Cannabis Road, Wall Street Market und Fraudsters, sowie die Command-and-Control-Server des Botnetzes Mirai, im Bunker gehostet.

Irischer Mafia-Boss im beschaulichen Winzerdorf​

Schon kurz nach dem Erwerb des ehemaligen Bundeswehr-Bunkers in Traben-Trarbach im Jahr 2013 durch die Angeklagten begannen Ermittler damit, die Betreiber zu beobachten. Der atombombensichere Bunkerkomplex aus Zeiten des Kalten Krieges diente ehemals dem Amt für Wehrgeophysik und umfasst unterirdische sowie oberirdische Anlagen. Im späteren Verlauf der Ermittlungen wurde die Internetanbindung des Bunkers von den Behörden abgehört, sodass es gelang, unverschlüsselten Datenverkehr mitzuschneiden. Gefunden wurden Indizien, wonach die Betreiber des Hosting-Dienstes ihren Kunden bei der Abwicklung illegaler Geschäfte halfen. Die Betreiberfirma hatte bereits zuvor einen Bunker als Standort, nämlich einen ehemaligen NATO-Kommandobunker in der niederländischen Provinz Zeeland. 2002 brach in einem Drogenlabor im Bunker Feuer aus, wobei der Bunker abbrannte. Ein Umstand, der den deutschen Ermittlern durchaus bekannt war.

Die Bunker-Betreiber warben auf ihrer Webseite schon früh öffentlich damit, dass sie sich nicht in die Hosting-Inhalte der Kunden einmischen würden, solange es sich dabei nicht um Kinder- oder Jugendpornografie handele, und dass sie auf keinen Fall mit den Behörden kooperieren würden. Zwischenzeitlich hatten die Ermittler den irischen Mafia-Boss und illustren Drogen-Händler George Mitchell im Visier; er wird wegen seines unverwechselbaren Ganges auch "Der Pinguin" genannt und soll den Kauf des Bunkers mitfinanziert haben. Laut
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wurde Mitchell mehrmals in Traben-Trarbach mit den Angeklagten gesichtet. Der Hauptangeklagte und Bunkerbetreiber X. soll für Mitchell eine sichere Smartphone-Infrastruktur entwickelt haben, streitet dies aber ab.

Riesen-Razzia und unverschlüsselte interne Mails​

Im September 2019 stürmten 650 Beamte von Sondereinsatzkommandos mehrerer Bundesländer schließlich den Bunker auf dem Mont Royal an der Mosel. Die Betreiber des Bunkers saßen zu diesem Zeitpunkt allesamt unten im Dorf Traben-Trarbach in einem Restaurant und feierten die angebliche Erbschaft eines Bunkermitarbeiters, bei dem es sich in Wirklichkeit um einen verdeckten Ermittler der Polizei handelte, den diese Monate zuvor in den Bunker eingeschleust hatte. Sonderkommandos stürmten auch das Restaurant und verhafteten dort die Bunkerbetreiber.

Bei der Razzia im menschenleeren Bunker erbeuteten die Behörden unter anderem die Aufzeichnungen des internen E-Mail-Systems des Bulletproof-Hosters, welches sich als größtenteils unverschlüsselt herausstellte und die Kommunikation der Betreiber sowohl untereinander als auch mit ihren Kunden enthielt. Einige dieser E-Mails dienen der Staatsanwaltschaft als Beweise, da sie nahelegen, dass die Angeklagten von den illegalen Machenschaften ihrer Kunden nicht nur wussten, sondern diese auch aktiv unterstützten. Bemerkenswert ist, dass die Staatsanwaltschaft es trotz der Menge an Indizien und Beweisen – vor allem aus diesen E-Mails – nicht geschafft hat, den Angeklagten zweifelsfrei nachzuweisen, Beihilfe zu den Straftaten ihrer Kunden geleistet zu haben.

Nun muss der zuständige 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs am 24. August entscheiden, ob das Urteil des LG Trier rechtskräftig ist, ob es aufgehoben oder angepasst wird, oder ob das Landgericht den Fall in Trier neu verhandeln muss. Was angesichts des enormen Aufwands des ersten Prozesses fast solange dauern könnte, dass einige der Angeklagten nach der Urteilsverkündung auf freien Fuß kommen, weil sie zu diesem Zeitpunkt die mögliche Höchststrafe bereits abgesessen hätten. Ein Termin für die Verkündung der BGH-Entscheidung nach der Hauptverhandlung ist bisher nicht angesetzt.
(ds [4])


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