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Ein möglicher Zwangsverkauf der chinesischen App in den USA hat die letzte Hürde genommen. Präsident Biden will das Gesetz zeitnah unterschreiben, doch es drohen viele Probleme. Fünf Fakten zum Tiktok-Verbot.
Dieses Mal meinen es die USA ernst: Vier Jahre nach dem ersten gescheiterten Anlauf hat der US-Kongress die bislang größte Tiktok-Regulierung der Welt verabschiedet. Am Dienstagabend (Ortszeit) passierte das Gesetz den US-Senat, zuvor hatte bereits das Repräsentantenhaus zugestimmt. Präsident Joe Biden hat angekündigt, das Tiktok-Gesetz zeitnah unterschreiben zu wollen.
Die chinesische Tiktok-Mutterfirma Bytedance wird mit der Entscheidung dazu gezwungen, die populäre App zu veräußern. Andernfalls droht ein Verbot auf dem lukrativen US-Markt.
Der Beschluss hat weitreichende Folgen: Eine Abspaltung ist kompliziert, Gerichte könnten das Verbot verhindern und die Entscheidung beeinflusst auch das Rennen ums Weiße Haus.
Fünf Dinge zum möglichen Tiktok-Verbot in den USA:
1. Das Anti-Tiktok-Gesetz ist bahnbrechend
Der Einfluss von Tiktok durch Memes, Musiktrends und virale „Challenges” ist weitreichend, allein in den USA hat die App 170 Millionen aktive Nutzer. Jetzt soll der „Protecting Americans from Foreign Adversary Controlled Applications Act’’ Tiktok zu einer Abspaltung von seiner chinesischen Muttergesellschaft Bytedance zwingen. Nach Inkrafttreten des Gesetzes bleiben 270 Tage Zeit (mit der Option einer Verlängerung auf 360 Tage) für eine Veräußerung. Andernfalls wird es App-Stores in den Vereinigten Staaten verboten, Tiktok auf ihren iPhone oder Android Plattformen zu platzieren.
Dann könnte die App nicht mehr heruntergeladen und aktualisiert werden, es sei denn, Nutzer umgehen die Sperre mit einem künstlichen Auslandsprofil via VPN. Das macht die Nutzung deutlich umständlicher und verschafft Wettbewerbern einen Vorteil. Laut dem Finanzhaus Wedbush würden davon vor allem der Facebook-Konzern Meta sowie Google profitieren, die Marktführer für Internetwerbung. Sie dürften die „Hauptempfänger der umverteilten Tiktok-Einnahmen“ werden.
Das Gesetz ist selbst für amerikanische Verhältnisse ungewöhnlich: Bislang scheute der Kongress die Regulierung von Big Tech. Bis jetzt, nun wird ein weitreichender Eingriff gegen einen einzelnen Konzern Realität.
2. Ein Verkauf ist kompliziert
Die chinesische Regierung müsste einem Verkauf zustimmen, was sie erklärtermaßen nicht tun will. Vor allem soll der konzerneigene Algorithmus nicht in amerikanische Hände geraten, und ohne diesen ist Tiktok deutlich weniger wert.
Sollte Peking die Abspaltung wider Erwarten erlauben, dürfte sich die Suche nach einem Käufer schwierig gestalten, allein aus kartellrechtlichen Gründen. Donald Trumps früherer Finanzminister Steven Mnuchin, der Investor Kevin O'Leary oder der frühere Activision-CEO Bobby Kotick haben Interesse bekundet.
Laut Wall-Street-Analysten kommen auch Microsoft oder amerikanische Bytedance-Investoren wie General Atlantic, Sequoia Capital und Susquehanna International Group in Frage. 2020, als die Trump-Regierung einen Zwangsverkauf anstrebte, versuchten Oracle und Walmart, eine Beteiligung zu erwerben. Die Analysten der Investmentfirma Raymond James sind sich hingegen sicher: „Wir gehen davon aus, dass China eine Ausgliederung nicht zulässt und TikTok im Jahr 2025 nicht mehr in den USA tätig sein wird.“
3. Das letzte Wort haben die Gerichte
„Wir werden weiter kämpfen, da diese Gesetzgebung eine klare Verletzung der Rechte der 170 Millionen Amerikaner auf TikTok darstellt“, schrieb Michael Beckerman, Tiktoks US-Politikchef, in einer Mitteilung an die Mitarbeiter. „Dies ist der Anfang, nicht das Ende dieses langen Prozesses“. Bereits 2020 hatte Tiktok erfolgreich gegen eine Anordnung Trumps, die App zu verbieten, geklagt, danach gegen ein ähnliches Gesetz in Montana. Tikkok finanzierte auch eine Klage von Influencern.
Bürgerrechtsorganisationen wie die American Civil Liberties Union verteidigen Tiktok und sehen das Gesetz als Verstoß gegen das Recht auf Redefreiheit. Dem gegenüber steht das Argument der US-Regierung, die nationale Sicherheit stehe auf dem Spiel.
4. Der Streit könnte über die US-Präsidentschaftwahl entscheiden
Für die politische Meinungsbildung spielt Tiktok eine immer größere Rolle, denn während die Nutzerzahlen von Facebook und YouTube stagnieren oder sinken, klettern sie für Tiktok rapide. Junge US-Amerikaner gehören zu den treuesten Nutzern, in der sogenannten Generation Z hat Tiktok Instagram als erste Anlaufstelle auf den Smartphones abgelöst, weshalb seit kurzem auch Bidens Präsidentschaftskampagne einen Account betreibt.
Zwar wird ein Verbot erst nach dem Wahltag am 5. November akut, dank der großzügen 360-Tage-Frist. Doch Biden, dessen Rückhalt unter Jungwählern seit Ausbruch des Gazakriegs ohnehin leidet, dürfte sich mit seiner Unterschrift auf dem Gesetz nicht gerade beliebt machen bei einer für ihn wichtigen Zielgruppe. Ein Verbot wäre „katastrophal“, sagte der 21-Jährige Tiktok-Influencer Harry Sasson dem Handelsblatt. Jungen Menschen „ihre wichtigste Nachrichtenquelle“ wegzunehmen, „das ergibt für mich keinen Sinn.“
Im Zweikampf gegen Trump zählt jede Stimme, weil eine Handvoll Swing-States über die Macht im Weißen Haus entscheiden. Trump versucht, die Tiktok-Debatte zu seinem Vorteil zu nutzen. 2020 hatte er selbst ein Verbot vorangetrieben, inzwischen lehnt er es ab. Ein möglicher Grund: Trump unterhält Beziehungen zu Bytedance-Investor Jeff Yass, dem drittgrößten republikanischen Spender.
5. Die Entscheidung ist eine Kampfansage an China
Das Tiktok-Verbot steht für den härteren Kurs der USA gegenüber China, gerade im Präsidentschaftswahlkampf überbieten sich Republikaner und Demokraten mit Anti-China-Forderungen. Auf dem Capitol Hill hat Tiktok den Ruf einer chinesischen Spionagesoftware, die Amerikas Jugend einer Gehirnwäsche unterzieht. Die US-Geheimdienste warnen vor einer „verdeckten Einflussnahme und Verbreitung von Desinformationen“ durch Tiktok im US-Wahlkampf.
Öffentlich zugängliche Beweise, dass China bereits im großen Stil Informationen manipuliert und Nutzerdaten absaugt, haben die USA allerdings nicht vorgelegt. Das Anti-Tiktok-Gesetz markiert nun eine weitere Eskalation in einer Reihe von Sanktionen, Exportkontrollen und Strafzöllen. Die chinesische Regierung könnte mit Vergeltungsmaßnahmen gegen US-Unternehmen reagieren. In Folge dessen könnte der Druck auf US-Konzerne mit großem Chinageschäft – darunter Apple und Tesla – steigen.
Quelle: Handelsblatt