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"Ohne Grundverschlüsselung macht Volldigitalisierung keinen Sinn"

Leipzig - Mit Prodigital TV haben die Betreiber von Spartenkanälen seit Mai ihre eigene Interessenvertretung. DIGITAL FERNSEHEN sprach daher mit Kai Flatau, Koordinator von Prodigital TV, über die Ziele der Interessenvertretung, Probleme der Digitalisierung und die Rolle, die die öffentlich-rechtlichen Sender dabei einnehmen.

Eines der wichtigsten Ziele des in Hamburg ansässigen Verbandes, der aus der Initiative "Medienfrühstück" hervorgegangen ist, ist dabei der beschleunigte Umstieg aufs digitale Fernsehen und die Verbesserung der Vermarktungsmöglichkeiten der Programme. Zu den MItgliedern des Verbandes gehören u.a. Tier TV, Boxx-TV und Bibel TV.

Kai Flatau, Koordinator Prodigital TV
DIGITAL FERNSEHEN: Wofür machen Sie sich konkret stark?

Kai Flatau: Prodigital TV soll die spezifischen Interessen der Zielgruppensender bündeln und vertreten. Dazu zählen der Zugang zu Technik- und Vermarktungsplattformen zu fairen, transparenten Bedingungen, die Verbesserung der Vermarktung der Werbezeiten und die Schaffung eines Systems, mit dem die Auffindbarkeit der Sender gewährleistet wird. Dabei spielt die Digitalisierung eine herausragende Rolle.

DF: Die Digitalisierung ist bei Terrestrik und Satelliten relativ weit vorangeschritten, während bei der Verbreitung via Kabel nur sehr langsam digitalisiert wird. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Kai Flatau: Bei der Kabelverbreitung gibt es sehr unterschiedliche Interessen der Beteiligten. Während die großen Senderfamilien zurückhaltend sind, weil sie Reichweitenverluste ihrer großen Programme fürchten, haben die Kabelnetzbetreiber Sorge vor einem Wechseln der Endkunden zum Satelliten oder zur Terrestrik. Zudem spielt der Streit um die Grundverschlüsselung eine Rolle, da das Geschäftsmodell für eine digitale, grundverschlüsselte Verbreitung im Kabel kontrovers diskutiert wird. Eine gewichtiges Wort sprechen die Verbraucherschützer bei diesem Thema, die den Mehrwert einer Volldigitalisierung für die Verbraucher nicht sehen und deshalb kräftig gegen die Digitalisierung arbeiten.

DF: Wie kann die Volldigitalisierung erreicht werden?

Kai Flatau: Aus Sicht von Prodigital TV kann eine Volldigitalisierung in absehbarer Zeit nur durch einen ordnungspolitischen Eingriff angeschoben werden. Der Versuch, einen marktgetriebenen Umstieg zu realisieren, so in dem beim Bundeswirtschaftsministerium angesiedelten Forum Digitale Medien, ist voll gescheitert. Selbst auf einen Zielkorridor zum Jahr 2012 konnten sich die Beteiligten nicht verständigen. Bei dieser Sachlage muss die Politik eingreifen, um wieder Bewegung in die festgefahrene Situation zu bringen.

DF: Welche Rolle spielen bei dieser Entwicklung aus Ihrer Sicht die
öffentlich-rechtlichen Sender? Behindern sie bisher eine zügige Umstellung?

Kai Flatau: Die öffentlich-rechtlichen Anstalten sind eigentlich für eine schnelle Digitalisierung. Leider bekämpfen sie die Grundverschlüsselung und damit ein wesentliches Element der zukünftigen digitalen Verbreitung vehement. Die Argumente gegen die Grundverschlüsselung sind mittlerweile nicht mehr stichhaltig. So zeigt das neue Angebot von Telecolumbus, dass mit einer einmaligen Freischaltung grundverschlüsselter Programme keinesfalls eine Kontrolle über die Inhalte einhergeht. Ohne Grundverschlüsselung würde aber die Volldigitalisierung keinen Sinn machen, da sonst die insbesondere für kleinere Sender so notwendige Erreichbarkeit der Endkunden nicht realisiert werden würde. Gerade aber die kleineren Sender brauchen auch diese Möglichkeit, neue Wege zu den Zuschauern zu finden, um sich stabil refinanzieren zu können.

DF: Wieso werden Vorstöße der großen Kabelnetzbetreiber, analoge in digitale Kapazitäten zu verwandeln, aus Ihrer Sicht nur zögerlich begleitet oder sogar aktiv behindert?

Kai Flatau: Zum einen pochen die öffentlich-rechtlichen Anstalten darauf, die von ihnen angemieteten Kapazitäten nach ihrem Gusto zu verwenden. So werden nur in Randbereichen, in denen eine Überversorgung für die dritten Programme besteht, analoge Kapazitäten digitalisiert, wobei die freigewordenen Kapazitäten nicht für neue digitale Programme genutzt werden, sondern um das sowieso schön technisch hochqualitative Signal der öffentlich-rechtlichen Programme noch weiter zu verbessern. Da müssen dann neue digitale Sender vor der Tür bleiben. Zum anderen wehren sich natürlich die Sender mit aller Kraft, die ihre analoge Reichweite verlieren würden. Und diese Sender finden Unterstützung bei manchen Politikern und Regulierern.

DF: Wieso werden Politiker Ihrer Meinung nach nicht aktiver, wenn es um das Vorantreiben der Digitalisierung im Kabel geht? Wie sieht die Rolle der Medienregulierung aus?

Kai Flatau: Es ist erstaunlich, dass bei dieser Schlüsselfrage für den Rundfunk überhaupt kein Ansatz bei der Politik besteht, sich des Themas anzunehmen. Es scheint, dass viel Kraft zur Zeit für die laufenden Änderungen des Rundfunkstaatsvertrages benötigt wird. Zudem scheint das falsche Bild vorzuherrschen, dass es ausreichend digitale Kapazitäten im Kabel gebe, was eben nicht der Fall ist. Diese Untätigkeit ist fatal, da die Entwicklung im Rundfunkbereich außerhalb der klassischen Verbreitungswege rasant ist und dadurch der immer noch wichtigste Verbreitungsweg droht, von dieser Entwicklung abgekoppelt zu werden.

DF: Wer sind die Leidtragenden dieser schleppenden Entwicklung und warum?

Kai Flatau: Die Leidtragenden sind eindeutig die neuen, kleineren Anbieter, die keine Verbreitung im Kabel finden und daher täglich vor der Herausforderung stehen, wie sie ihre wirtschaftliche Basis stärken können. Leidtragende sind aber auch die Zuschauer, die die neuen Angebote gar nicht in der Vielfalt nutzen können und denen daher vieles spannendes Neues entgeht. Leidtragender ist auch der Medienstandort Deutschland, der im Vergleich zu anderen Ländern bei der Digitalisierung hinterher hinkt und zukunftsweisende Entwicklungen zu verpassen droht. Dabei würde ein gewisses Aufbrechen des bestehenden Oligopols der großen privaten Senderfamilien und der öffentlich-rechtlichen Anstalten mehr als gut tun. Leidtragender ist auch der Wirtschaftstandort Deutschland, da neu geschaffene Arbeitsplätze rund um die neuen Angebote nur gehalten und vermehrt werden können, wenn schnell digitalisiert wird.

DF: Was muss aus Ihrer Sicht getan werden, damit die Digitalisierung vorankommt?

Kai Flatau: Es bedarf dringend einer ordnungspolitischen Vorgabe für einen Umstieg bis Ende 2010. Nur so können alle Beteiligten auf ein Zieldatum eingestellt werden, wobei eine derartige Vorgabe auch allen Beteiligten die notwendige Klarheit schafft und damit sicherstellt, dass parallele Anstrengungen Aller anlaufen. Mit dieser Zielsetzung würde auch die Möglichkeit eröffnet, die Zuschauer rechtzeitig auf den Umstieg und die daraus resultierenden Folgen einzustellen. Der Ausbau aller Kabelnetzte bis 862 MHZ muss vorangetrieben werden, um Platz für neue Angebote zu schaffen. Um die digitalen Angebote attraktiver für die Endkunden zu machen, muss das analoge Angebot verschmälert werden.Auch damit würden digitale Kapazitäten geschaffen werden, die statt nur von einem Programm von zehn bis zwölf Programmen genutzt werden könnten. Zudem müssen die Beteiligten unter vermittelnder Hilfe der Landesmedienanstalten an einen runden Tisch, um die notwendigen Schritte zur Erreichung das Zieldatums zu diskutieren und festzulegen. Dass dies angesichts der bestehenden Gegensätze schwer sein wird, ist deutlich. Viel schwerwiegender wäre aber, die jetzige Situation weiter bestehen zu lassen und die großen Chancen der Digitalisierung zu verpassen und sie anderen, insbesondere ausländischen Großunternehmen wie Yahoo oder Google, zu überlassen.

DF: Herr Flatau, vielen Dank für das Gespräch.

Quelle: digitalfernsehen
 
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