2023 bot genügend Anlässe, über Sinn und vor allem Unsinn eines Netflix-Abos nachzudenken. Lohnt es sich noch, den Streaming-Dienst zu nutzen?
Man möchte im Fall Netflix eigentlich nur noch mit dem Kopf schütteln. Anstatt sich darauf zu konzentrieren, interessante Inhalte für das zahlende Publikum zu produzieren, einzukaufen und angemessen zu präsentieren, arbeitet man sich lieber am abgekarteten, unübersichtlichen Franchise-Kosmos ab. Mit sogenannten „Netflix Houses“ will sich der Streaming-Riese nun womöglich so etwas wie sein eigenes Mini-Disneyland schaffen: Räume, die allein zum Konsumieren existieren und in denen man anscheinend mit Produkten aus der Markenwelt vollgestopft wird, in die man nun auch mit Haut und Haar eintauchen kann.
Diese Entwicklung, dieses Expandieren in der realen Welt erscheint womöglich als konsequenter nächster Schritt. Schließlich waren Streaming-Dienste wie Netflix, Prime Video, Disney+ und einige andere in den vergangenen Jahren fleißig bemüht, ihr Publikum zu reinen Konsumenten und Werbekunden zu erziehen, sie in Filter- und Wohlfühlblasen eines vermeintlichen Geschmacks zu bannen, wo in Wirklichkeit überwiegend Geschmacklosigkeit regiert. Entertainment mit wenig Klasse. Man verstärkt empfundene Unlust, sich dem Unbekannten, Konfrontationen und neuen Perspektiven auszusetzen, nach draußen zu gehen – im wörtlichen und übertragenen Sinne. Kein Wunder, dass man diese Filterblasen, die Konsumtempel, die zuvor nur auf dem Bildschirm regierten, nun auch abseits des Wohnzimmers betreten kann.
Erst ruiniert der Streaming-Markt das Kino, dann zerfällt er selbst
Netflix und Konsorten haben filmisch über Jahre hinweg dazu beigetragen, Kinokultur zu zerstören, also eine Filmkultur, die zuvorderst von einem öffentlichen, geteilten Erfahren und einem öffentlichen Diskurs lebt. Man hat Bequemlichkeit gefördert und angestachelt, wollte mit großen Prestigeprojekten im TV-Format glänzen, hat sich dafür prominente Namen an Bord geholt. Dass dieses Konzept so langsam in die Brüche geht und ebenfalls scheitert, konnte man 2023 stärker denn je erleben.
Streaming-Dienste müssen nunmehr Sparkurse verfolgen, können sich allzu viele A-Titel nicht mehr leisten. Zudem kannibalisiert sich der Markt gegenseitig aufgrund seines schieren Überangebots. Am Ende müssen Konsumentinnen und Konsumenten dafür blechen. Man fährt neue Abo-Modelle auf, durchkreuzt das Teilen von Passwörtern, um neue zahlende Kunden zu gewinnen. Erst Anfang Oktober wurde bekannt, dass bei Netflix demnächst erneut eine Preiserhöhung folgen könnte. Aber lohnt sich das Abonnement überhaupt noch? Selten!
Warum soll man Netflix noch abonnieren?
Ein Netflix-Abo heißt inzwischen: reine Gewohnheit. Man hat es eben, auch wenn man es selten oder kaum noch nutzt. Man besitzt es, um das Gewissen zu beruhigen, theoretisch Zugriff zu haben. Immerhin könnte man ja irgendetwas verpassen! Es könnte ja irgendwann mal wieder etwas Sehenswertes erscheinen! Nun, das Warten darauf gestaltet sich zäh und langwierig. Wofür man mittlerweile immer mehr Geld zahlen soll, erscheint im Grunde genommen lächerlich.
Öffnet man Netflix, schlägt einem eine Flut an generischem Content entgegen, den man erst nicht kannte und dann nicht kennen will: die immer gleichen Stoffe, die immer gleichen langweiligen Ästhetiken, die keinerlei Wagnis eingehen. Abschreckende, öde Bilder, kulturelles Fast Food überall, aber wie viel soll man davon noch verzehren? Und da sprechen wir nur von einem Streaming-Dienst! Auf anderen Plattformen sieht es ähnlich, sieht es zum Teil noch schlimmer aus.
Die Netflix-Erfolgsserie „The Crown“ endet 2023. Foto: Michelle Watt/ Netflix
Man pflegt ein paar prominente Namen wie „The Witcher„, „Stranger Things“ oder die Royals-Soap „The Crown“, die in diesem Jahr auf die Zielgerade einbiegt. Originelle Stoffe wie „1899“ werden indes testweise auf den Markt gespült, um direkt wieder abgesetzt zu werden. Ihr Erfolg lässt sich ohnehin nur schwer bemessen. Am Ende sind bereits etablierte Marken eben doch sicherer als neue Inhalte, auch wenn sie nur noch aus Gewohnheit geschaut werden! Dazwischen tummeln sich die ein oder anderen sehenswerten Lizenztitel, die jedoch mit keinerlei erkennbarer Kuratierung oder Rahmung einfach ideenlos aneinandergereiht und im Algorithmus versteckt werden. Man könnte sie ebenso gut einfach als VoD oder gar auf einem physischen Medium sehen – ganz ohne teures Dauerabo. Also dreht sich das Hamsterrad der Beliebigkeit und Belanglosigkeit immer weiter.
„Maestro“ von und mit Bradley Cooper zählt zu Netflix‘ potentiellen Oscar-Titeln. Foto: Jason McDonald/ Netflix
Was Netflix 2023 an potentiellen Preisträgern auffährt und zuletzt bei den Filmfestspielen von Venedig auf großer Bühne präsentierte, ist ebenfalls kein Erweckungserlebnis. Weltkino-Darling Pablo Larraín („Spencer„) durfte in „El Conde“ den chilenischen Diktator Pinochet als Vampir wiedererwecken. Eine Schwarz-Weiß-Satire mit interessanter Prämisse, die jedoch endlos auf der Stelle tritt und echte gesellschaftliche Spannungen scheut. Ende des Jahres bringt Netflix außerdem den gähnend langweiligen Oscar-Anwärter „Maestro“ von Bradley Cooper über den Komponisten Leonard Bernstein heraus. Sogenanntes Schauspielkino in üppig aufgebauschter technischer Zierde, das damit allerlei erzählerische Leere zu verbergen versucht. Mit dem apokalyptischen „Leave the World Behind“ will der Streaming-Dienst derweil zur Weihnachtszeit offenbar an den Erfolg von „Don’t Look Up“ anknüpfen. Man kann sich dem Netflix-Portfolio eigentlich nur noch über bloßes Kalkül nähern.
„Ich sehe was, was du nicht siehst“ von Wes Anderson gehört zu den Highlights des Jahres. Foto: Netflix
Nicht minder sehenswert ist der demnächst startende „Killer“ von David Fincher, der unsere raubtierkapitalistische Gegenwart in einen polemisch zugespitzten, brutalen Überlebenskampf verwandelt. Im Falle dieses Films könnte man jedoch einfach auf das Kino zurückgreifen, wo „Der Killer“ vor Streamingstart bereits zu sehen sein wird. Es ist ohnehin der geeignetere Ort, um sich dieser verstörenden Erzählung auszusetzen.
„Der Killer“ startet am 26. Oktober in den Kinos und am 10. November bei Netflix. Foto: Netflix
Sehenswertes zu entdecken, gleicht der berühmten Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Warum also weiterhin stetig steigende Gebühren dafür zahlen? Vielleicht ist die Rückkehr zu einem zeitlich begrenzten Monatsabo das neue Mittel der Wahl, um die wenigen interessanten Titel des Jahres gebündelt zu sehen, anschließend wieder zu kündigen und sich für den Rest des Jahres Interessanterem zu widmen, das abseits des Fernsehbildschirms stattfindet. In besagtem Kino zum Beispiel.
Quelle; Digitalfernsehen
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Man möchte im Fall Netflix eigentlich nur noch mit dem Kopf schütteln. Anstatt sich darauf zu konzentrieren, interessante Inhalte für das zahlende Publikum zu produzieren, einzukaufen und angemessen zu präsentieren, arbeitet man sich lieber am abgekarteten, unübersichtlichen Franchise-Kosmos ab. Mit sogenannten „Netflix Houses“ will sich der Streaming-Riese nun womöglich so etwas wie sein eigenes Mini-Disneyland schaffen: Räume, die allein zum Konsumieren existieren und in denen man anscheinend mit Produkten aus der Markenwelt vollgestopft wird, in die man nun auch mit Haut und Haar eintauchen kann.
Diese Entwicklung, dieses Expandieren in der realen Welt erscheint womöglich als konsequenter nächster Schritt. Schließlich waren Streaming-Dienste wie Netflix, Prime Video, Disney+ und einige andere in den vergangenen Jahren fleißig bemüht, ihr Publikum zu reinen Konsumenten und Werbekunden zu erziehen, sie in Filter- und Wohlfühlblasen eines vermeintlichen Geschmacks zu bannen, wo in Wirklichkeit überwiegend Geschmacklosigkeit regiert. Entertainment mit wenig Klasse. Man verstärkt empfundene Unlust, sich dem Unbekannten, Konfrontationen und neuen Perspektiven auszusetzen, nach draußen zu gehen – im wörtlichen und übertragenen Sinne. Kein Wunder, dass man diese Filterblasen, die Konsumtempel, die zuvor nur auf dem Bildschirm regierten, nun auch abseits des Wohnzimmers betreten kann.
Erst ruiniert der Streaming-Markt das Kino, dann zerfällt er selbst
Netflix und Konsorten haben filmisch über Jahre hinweg dazu beigetragen, Kinokultur zu zerstören, also eine Filmkultur, die zuvorderst von einem öffentlichen, geteilten Erfahren und einem öffentlichen Diskurs lebt. Man hat Bequemlichkeit gefördert und angestachelt, wollte mit großen Prestigeprojekten im TV-Format glänzen, hat sich dafür prominente Namen an Bord geholt. Dass dieses Konzept so langsam in die Brüche geht und ebenfalls scheitert, konnte man 2023 stärker denn je erleben.
Streaming-Dienste müssen nunmehr Sparkurse verfolgen, können sich allzu viele A-Titel nicht mehr leisten. Zudem kannibalisiert sich der Markt gegenseitig aufgrund seines schieren Überangebots. Am Ende müssen Konsumentinnen und Konsumenten dafür blechen. Man fährt neue Abo-Modelle auf, durchkreuzt das Teilen von Passwörtern, um neue zahlende Kunden zu gewinnen. Erst Anfang Oktober wurde bekannt, dass bei Netflix demnächst erneut eine Preiserhöhung folgen könnte. Aber lohnt sich das Abonnement überhaupt noch? Selten!
Warum soll man Netflix noch abonnieren?
Ein Netflix-Abo heißt inzwischen: reine Gewohnheit. Man hat es eben, auch wenn man es selten oder kaum noch nutzt. Man besitzt es, um das Gewissen zu beruhigen, theoretisch Zugriff zu haben. Immerhin könnte man ja irgendetwas verpassen! Es könnte ja irgendwann mal wieder etwas Sehenswertes erscheinen! Nun, das Warten darauf gestaltet sich zäh und langwierig. Wofür man mittlerweile immer mehr Geld zahlen soll, erscheint im Grunde genommen lächerlich.
Öffnet man Netflix, schlägt einem eine Flut an generischem Content entgegen, den man erst nicht kannte und dann nicht kennen will: die immer gleichen Stoffe, die immer gleichen langweiligen Ästhetiken, die keinerlei Wagnis eingehen. Abschreckende, öde Bilder, kulturelles Fast Food überall, aber wie viel soll man davon noch verzehren? Und da sprechen wir nur von einem Streaming-Dienst! Auf anderen Plattformen sieht es ähnlich, sieht es zum Teil noch schlimmer aus.
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Die Netflix-Erfolgsserie „The Crown“ endet 2023. Foto: Michelle Watt/ Netflix
Wo bleiben die Experimente?
Die Kurzlebigkeit dieses ganzen Contents ist verblüffend. Sicher, da mag der ein oder andere Stoff in der Popkultur umherspuken und ein paar Memes und Kommentare ins Netz spülen. Nachhaltig Beeindruckendes, tatsächlich Diskursprägendes oder gar Revolutionäres gibt es dort jedoch kaum zu sehen. Selbst erfolgreiche Hits, die kurz an die Spitze klettern, sind kurz darauf wieder in der Versenkung verschwunden und vergessen.Man pflegt ein paar prominente Namen wie „The Witcher„, „Stranger Things“ oder die Royals-Soap „The Crown“, die in diesem Jahr auf die Zielgerade einbiegt. Originelle Stoffe wie „1899“ werden indes testweise auf den Markt gespült, um direkt wieder abgesetzt zu werden. Ihr Erfolg lässt sich ohnehin nur schwer bemessen. Am Ende sind bereits etablierte Marken eben doch sicherer als neue Inhalte, auch wenn sie nur noch aus Gewohnheit geschaut werden! Dazwischen tummeln sich die ein oder anderen sehenswerten Lizenztitel, die jedoch mit keinerlei erkennbarer Kuratierung oder Rahmung einfach ideenlos aneinandergereiht und im Algorithmus versteckt werden. Man könnte sie ebenso gut einfach als VoD oder gar auf einem physischen Medium sehen – ganz ohne teures Dauerabo. Also dreht sich das Hamsterrad der Beliebigkeit und Belanglosigkeit immer weiter.
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„Maestro“ von und mit Bradley Cooper zählt zu Netflix‘ potentiellen Oscar-Titeln. Foto: Jason McDonald/ Netflix
Langweilige Titel für das Oscar-Rennen
In dem Wust an neuen Serien und Filmen noch Geheimtipps und echte Entdeckungen herauszufiltern, ist in der Fülle an konkurrierenden Angeboten inzwischen quasi ein Ding der Unmöglichkeit geworden – auch journalistisch! Also bleibt einem das Klammern an die wenigen Prestige-Titel, die sich Netflix noch erlaubt. Irgendwie muss man schließlich am Oscar-Rennen teilnehmen.Zuletzt hat das geklappt mit dem Kriegsfilm „Im Westen nichts Neues„. Sicherlich ein beachtlicher Erfolg und kein schlechter Film, aber ebenfalls kein überragendes, ein sehr berechenbares Zeigefinger-Werk mit einem kruden Verständnis von Schönheit und Spektakel. Schon gar kein Werk, für das es sich lohnen würde, dauerhaft eine Plattform zu abonnieren!Was Netflix 2023 an potentiellen Preisträgern auffährt und zuletzt bei den Filmfestspielen von Venedig auf großer Bühne präsentierte, ist ebenfalls kein Erweckungserlebnis. Weltkino-Darling Pablo Larraín („Spencer„) durfte in „El Conde“ den chilenischen Diktator Pinochet als Vampir wiedererwecken. Eine Schwarz-Weiß-Satire mit interessanter Prämisse, die jedoch endlos auf der Stelle tritt und echte gesellschaftliche Spannungen scheut. Ende des Jahres bringt Netflix außerdem den gähnend langweiligen Oscar-Anwärter „Maestro“ von Bradley Cooper über den Komponisten Leonard Bernstein heraus. Sogenanntes Schauspielkino in üppig aufgebauschter technischer Zierde, das damit allerlei erzählerische Leere zu verbergen versucht. Mit dem apokalyptischen „Leave the World Behind“ will der Streaming-Dienst derweil zur Weihnachtszeit offenbar an den Erfolg von „Don’t Look Up“ anknüpfen. Man kann sich dem Netflix-Portfolio eigentlich nur noch über bloßes Kalkül nähern.
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„Ich sehe was, was du nicht siehst“ von Wes Anderson gehört zu den Highlights des Jahres. Foto: Netflix
Die wenigen Lichtblicke bei Netflix
Nicht alle Serien und Filme sind dabei schlecht! Natürlich nicht! „Der Untergang des Hauses Usher“, Mike Flanagans neueste Horrorserie, erscheint aktuell auf den ersten Blick zumindest vielversprechend. Wes Anderson hat darüber hinaus jüngst eine Reihe fabelhafter Roald-Dahl-Verfilmungen vorgelegt. „Ich sehe was, was du nicht siehst“, „Der Rattenfänger“, „Gift“ und „Der Schwan“ entfalten in kurzer Zeit ein ungeheuer spannendes Formenspiel, das alle Künste überspannt und Anstöße liefert, wie man sich einer Literaturverfilmung nähern kann, wie man Sehgewohnheiten herausfordert, Denkprozesse und Fantasie beim Zusehen anregt. Solche Glanzlichter sind rar gesät im Streaming!Nicht minder sehenswert ist der demnächst startende „Killer“ von David Fincher, der unsere raubtierkapitalistische Gegenwart in einen polemisch zugespitzten, brutalen Überlebenskampf verwandelt. Im Falle dieses Films könnte man jedoch einfach auf das Kino zurückgreifen, wo „Der Killer“ vor Streamingstart bereits zu sehen sein wird. Es ist ohnehin der geeignetere Ort, um sich dieser verstörenden Erzählung auszusetzen.
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„Der Killer“ startet am 26. Oktober in den Kinos und am 10. November bei Netflix. Foto: Netflix
Abos auf Zeit
Was an Netflix letztlich stört, ist die völlige Lieblosigkeit, mit der man Inhalte veröffentlicht, platziert und produziert. Und die ernüchternd geringe Zahl an tatsächlich beeindruckenden Werken, die über das Jahr hinweg erscheinen und schlussendlich eher wie pflichtbewusste Feigenblätter anmuten. Im Fokus steht offensichtlich die Masse, das, was funktioniert, nicht die Qualität und das Experiment.Sehenswertes zu entdecken, gleicht der berühmten Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Warum also weiterhin stetig steigende Gebühren dafür zahlen? Vielleicht ist die Rückkehr zu einem zeitlich begrenzten Monatsabo das neue Mittel der Wahl, um die wenigen interessanten Titel des Jahres gebündelt zu sehen, anschließend wieder zu kündigen und sich für den Rest des Jahres Interessanterem zu widmen, das abseits des Fernsehbildschirms stattfindet. In besagtem Kino zum Beispiel.
Quelle; Digitalfernsehen