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Die Rente mit 63 ist ein Privileg für einen winzigen Bruchteil der Bürger. Die strengen Kriterien erfüllen die wenigsten. Nun zeigt sich: Schon die Berufswahl kann später zum Problem werden. FOCUS Online zeigt, wer keine Chance auf einen früheren Ruhestand hat.
Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) verkauft die Rente mit 63 gerne als große Wohltat für alle, die „ihr Leben lang hart geschuftet haben“. Wer 45 Jahre lang sozialversicherungspflichtig beschäftigt war, sich permanent abgerackert hat, soll künftig das Privileg des früheren Ruhestands genießen.
Scheibchenweise zeigt sich nun, welches Wort hier entscheidend ist: Privileg. Denn die Rente mit 63 ist keine Annehmlichkeit für Abermillionen. Vielmehr steht sie nur einem winzigen Bruchteil der Bundesbürger zu.
Diese erlesene Gruppe hat sich den früheren Ruhestand sicherlich verdient. Doch müssten Nahles‘ Logik folgend nicht viel mehr Menschen einen Anspruch darauf haben, mit 63 endgültig Feierabend machen zu dürfen? Tatsache ist: Viele Bürger sind ausgeschlossen. FOCUS Online zeigt warum und welche Faktoren die Rente mit 63 verwirken.
1. Ausschlussfaktor: Das Geburtsjahr
Was die wenigsten verstanden haben: Die Rente mit 63 gilt nur für Menschen, die vor dem 1. Januar 1953 geboren wurden. Wer nach diesem Stichtag Geburtstag feiert, für den steigt die Altersgrenze schon wieder: um je zwei Monate für jeden Jahrgang. Wer zum Beispiel nach dem 1. Januar 1959 geboren ist, darf frühestens mit 64 in Rente gehen.
Ein Blick in den Mikrozensus 2012 zeigt: 59 Millionen der knapp 82 Millionen Bundesbürger werden allein durch diese Regel von der Rente mit 63 ausgeschlossen. Bleiben also nur noch knapp 23 Millionen ältere Deutsche, die theoretisch von den neuen Regelungen profitieren könnten.
In dieser Gruppe genießen jedoch viele bereits den Ruhestand: immerhin knapp 17,2 Millionen, das entspricht 74,8 Prozent . Bleiben also nur noch rund 5,7 Millionen übrig, die von Ministerin Nahles potenziell gemeint sein könnten.
2. Ausschlussfaktor: zu kurz gearbeitet
Das neben dem Geburtsjahr wichtigste Kriterium ist, wie viele Jahre jemand gearbeitet und in die Rentenkasse eingezahlt hat. 45 Jahre sind mindestens erforderlich, um die Rente mit 63 zu bekommen. Wer eine kurze Lücke in seiner Erwerbsbiografie aufweist – etwa durch vorrübergehende Arbeitslosigkeit oder ein Sabbat-Jahr – verliert also wertvolle Rentenpunkte.
Lange zur Schule gegangen? Pech gehabt!
3. Ausschlussfaktor: zu wenige Versicherungsjahre
Die 45 Jahre Arbeitszeit sind an eine entscheidende Auflage gebunden: Es muss eine sozialversicherungspflichtige Arbeit gewesen sein. Jahre in denen keine Sozialabgaben gezahlt wurden, zählen nicht mit.
In der Praxis können Angestellte in vielen Berufe dieses Kriterium jedoch gar nicht erfüllen: Angestellte, die als Erzieher, Sozialarbeiter oder Alten- und Krankenpfleger arbeiten, würden die nötigen Beitragsjahre kaum erreichen, kritisiert der Paritätische Wohlfahrtsverband. Er bezeichnet die Rente mit 63 daher als „ungerechte Diskriminierung“ von Beschäftigten im Sozialbereich. „Fast alle Beschäftigen sind davon betroffen, weil in diesem Bereich schulische Ausbildungen und damit nicht sozialabgabenpflichtige Zeiten die Regel" seien, sagt eine Sprecherin. Eine konkrete Zahl kann sie allerdings nicht nennen.
Doch die Sozial-Branche ist nicht der einzige Bereich für den dieses Szenario gilt. Vielmehr greift es bei einer ganzen Reihe von Beschäftigen – nämlich bei allen, die lange Zeit in ihre Ausbildung investiert haben.
4. Ausschlussfaktor: zu lange Bildungszeiten
Um bis zum 63. Lebensjahr überhaupt auf 45 Beitragsjahre zu kommen, muss man spätestens mit 18 Jahren sozialversicherungspflichtig angestellt worden sein. Doch das haben viele nicht. Was für die Sozial-Berufe gilt, spiegelt sich auch in anderen Bereichen:
Den fast zehn Millionen Deutschen mit Fachhochschul- oder Hochschulabschluss dürfte das nicht gelingen. Ein Studienabschluss mit 18 Jahren? Selbst heute – trotz G8 und Bachelor-Umstellung – eher die Ausnahme. In den frühen Siebzigern– der Zeitraum zu dem die heute Rente-mit-63-Berechtigten das 18. Lebensjahr erreichten und gerade einmal ihr Abitur in der Tasche hatten – ausgeschlossen.
Und auch die gut 2,2 Millionen, die das Abitur und eine Lehre als höchsten beruflichen Abschluss vorweisen, dürften durch das Raster fallen. Abitur mit 18? Heute wäre das dank G8 kein Problem, in den siebziger Jahren hingegen schon. Und auch wer es frühzeitig schafft, muss dann erst einmal ein paar Jahre in die Lehre.
Alle schulischen Auszubildenden: Auch all jene, die eine schulische Ausbildung hinter sich haben, fallen durch das Renten-Raster. Denn sie haben anderes als bei einer betrieblichen Lehre keine Abgaben gezahlt.
Schulbankdrücker: Wer zu lange zur Schule gegangen ist – etwa der notorische Sitzenbleiber – hat ebenfalls kaum Aussicht auf 45 Beitragsjahre.
Nur fünf Millionen haben eine Chance
Die Rente mit 63 ist also tatsächlich ein Privileg. Nur rund 5,7 Millionen der vor dem 1. Januar 1953 geborenen Deutschen sind noch nicht in Rente gegangen. Laut Statistischen Bundesamt haben in dieser Gruppe diesen knapp 2,9 Millionen studiert oder nach dem Abitur eine Lehre absolviert haben. Legt man dieselbe Quote zwischen Ruheständlern und noch aktiven Arbeitnehmern zugrunde wie unter Punkt 1 (74,8 Prozent) dürften mindestens 720.000 der noch arbeitenden in dieser Alterklasse nicht auf 45 Beitragsjahre kommen. Zieht man diese noch einmal ab, bleiben nur knapp fünf Millionen übrig, die eine realistische Chance haben, mit 63 abschlagsfrei in den Ruhestand zu gehen.
Bezogen auf 82 Millionen Einwohner sind das nur sechs Prozent - oder jeder 17. Bundesbürger.
Quelle: focus.de