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Menschenunwürdige Zustände mitten in Europa auf deutschen Autobahnen

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Parkplatzmisere lässt sich nur mit den Autohöfen lösen

Menschenunwürdige Zustände mitten in Europa auf deutschen Autobahnen


Die Redaktion von autohof.net sprach mit Herrn Alexander Ruscheinsky, dem Vorsit-zenden des Beirates „Autobahnverkehr und Politik“ des Verbandes deutscher Autohöfe zu den zunehmenden Schwierigkeiten für ausländische LKW-Fahrer, auf den deutschen Autobahnen einen LKW-Parkplatz zum Übernachten zu finden.
Herr Ruscheinsky ist einer der Gründer der VEDA und maßgeblich an der Durchset-zung der Beschilderung der Autohöfe an deutschen Autobahnen beteiligt. Er hat 15 Autohöfe entwickelt und gebaut, wobei die letzten unter der Marke „24“ firmieren.
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Redaktion: Herr Ruscheinsky geben Sie uns doch bitte einen Überblick zur derzeitigen Parkplatzsituation in Deutschland auf der Autobahn.

Herr Ruscheinsky:
Wir haben bei der Fußballweltmeisterschaft als hervorragende und freundliche Gastgeber geglänzt. In den Leitlinien zur derzeitigen deutschen Ratspräsidentschaft in der EU werden moderne Verkehrssysteme und ein interkultureller Dialog in den Vordergrund gestellt und durch Bundeskanzlerin Angela Merkel offensiv vertreten. Doch was an jedem Wochentag abends und nachts auf deutschen Autobahnen abläuft, steht dazu im krassen Gegensatz. Tausende, meißt ausländische, Verkehrsteilnehmer, suchen ergebnislos stundenlang mit ihrem LKW nach einem „Schlafparkplatz“!
Hier werden seit Jahren in zunehmendem Ausmaß menschenunwürdige Verhältnisse gedul-det und sogar Gesetze mit Füßen getreten. Dies ist eine Schande für Deutschland und kann sicherlich von Niemandem gut geheißen werden.
Es fehlen in Deutschland mindestens 10.000 Übernachtungsparkplätze für LKWs. Die meis-ten Raststätten auf der Autobahn sind abends so voll, dass verbotswidrig nicht nur die abso-luten Halteverbote, sondern auch die Einschleif- und Ausfahrtsspuren, oft bis in die Autobahn hinein, vollgeparkt werden. LKW-Fahrer können, wenn Sie nicht die ganze Autobahn-Raststätte lahm legen wollen, nicht einmal die Toilette aufsuchen. Auch die LKW-Parkplätze der Autohöfe sind meistens prall gefüllt und dazu werden als Ausgleich für den Umsatzrück-gang durch den Tanktourismus Parkplatzgebühren erhoben. So müssen dann Tausende von LKW-Fahrern auf gut Glück irgendwelche Autobahnausfahrten ansteuern und stellen sich in Gewerbegebieten, auf kleinen unbewirtschafteten Parkplätzen, aber auch entlang von Feldern und nahe gelegenen Wohngebieten zum Übernachten auf.
Um überhaupt einen solchen Parkplatz zu finden, sind manche LKW-Fahrer eine halbe oder ganze Stunde unterwegs und überschreiten dann auch regelmäßig ihre vorgegebenen Lenk- und Ruhezeiten. Wie sollen sie diese auch einhalten, wenn Sie keinen Parkplatz finden?
Oft wird dann von den Anwohnern die Polizei gerufen. Die ist aber machtlos, wenn ihnen die Tachoscheibe mit den Überschreitungen entgegengehalten wird. So hausen Tausende ohne Toilette, Dusche und gastronomischer Versorgung sozusagen praktisch in der Prärie und wie die Fahrer ihre natürlichen Bedürfnisse lösen, muss ich ihnen nicht sagen.
Die Fahrer sind genervt und gestresst und reagieren am Ende ihres anstrengenden Arbeits-tages und nach viel zu langem Parkplatzsuchen auch verständlicherweise häufig aggressiv, wenn Sie dann von aufgebrachten Anwohnern oder der Polizei wieder weiter geschickt wer-den.
Und ob diese Art des Pause machen’s zu der gewünschten Erholung der Verkehrsteilnehmer führt, ist sehr zweifelhaft.

Redaktion: Wie verhalten sich die angrenzenden Kommunen, wenn Sie von LKWs wild zugeparkt werden?

Herr Ruscheinsky: Die Proteste werden immer lauter, die Auseinandersetzung zwischen der Bevölkerung und den LKW-Fahrern nimmt zu, Bürgerinitiativen bilden sich. In regionalen Zeitungen werden in ganzseitigen Artikeln über die LKW-Branche hergezogen. „Immer Ärger mit den LKW-Fahrern“ titelte eine erst kürzlich zu diesem Thema erschienener Artikel in Baden-Württemberg. Man muss hier beide Seiten verstehen. Die Situation der Fahrer habe ich be-reits geschildert. Zum anderen muss man auch für die Bevölkerung Verständnis haben, wenn vor deren Häuser und Betriebe die LKWs abgestellt werden, ständig und regelmäßig Beschädigungen an Bordsteinen, Straßenschildern, Zäunen und Grünanlagen stattfinden, weil diese Bereiche zum Befahren nicht für den LKW-Verkehr vorbereitet sind und viel zu eng sind. Sie hinterlassen Nacht für Nacht auch deutliche Spuren durch Essensverpackung und dem nicht Vorhandensein von Toiletten.

Redaktion: Was sagen die für den Verkehr verantwortlichen Behörden zu dieser Situation?

Herr Ruscheinsky: In Baden-Württemberg und in Bayern ist die Situation erkannt und in der Bearbeitung. Es wird mit den Autohöfen - die als einzige das Problem lösen können – immer enger zusammengearbeitet. Dr. Beckstein als Innenminister von Bayern, auch für den Verkehr zuständig, hat sich für eine Aufwertung der Autohöfe ausgesprochen und unterstützt eine weitergehende Ausschilderung. Der Innenminister von Baden-Württemberg, Heribert Rech, führt selbst die neu eingerichtete Arbeitsgruppe zu diesem Thema und geht noch einen Schritt weiter. Neben einer verbesserten Ausschilderung wird hier gerade ein Verkehrsleitsystem für Autohöfe diskutiert. Hier möchte man, ähnlich wie bei einem Parkhaus, den LKW-Fahrern auf der Autobahn anzeigen, ob in den an der Autobahnausfahrt liegenden Autohöfen noch Parkplätze frei sind. Ein solches Instrument hat zwei Effekte: Neben der Verringerung der Fehlfahrten, was einen Rückgang der Lenk- und Ruhezeitenüberschreitungen nach sich zieht, stellt eine solche Ausschilderung natürlich einen wahnsinnig großen Anreiz für die anliegenden Kommunen und Autohöfe dar, weiteren Parkraum zu schaffen. Nur wenn sehr schnell, sehr viel weiterer Parkraum entsteht kommt es zu den dringend notwendigen Entspannungen.
Im Bundesverkehrsministerium ist von all diesen Dingen noch gar nichts angekommen. Dort sagt man sehr wohl, dass es in Deutschland auf der Autobahn an LKW-Parkplätzen mangelt, allerdings muss man sich von der Situation erst im Rahmen eines mehrjährigen Gutachtens ein genaues Bild machen.
Ein Missstand, der ins Auge springt und den jeder in einer einzigen Nachtfahrt nachvollziehen kann.
Ich habe das Gefühl, dass die Herren in Bonn und Berlin nur mit dem Zug und dem Flugzeug unterwegs sind und von dem vorhandenen Dilemma kein Detailwissen haben.
Vielleicht fällt Ihnen aber auch die Umstellung schwer. Man hat ja vor Jahren die ehemaligen staatlichen Raststätten privatisiert und verkauft. Mittlerweile gehören diese Autobahnraststät-ten einem englischen Konzern. Autohöfe werden aber immer noch als Wettbewerber zu den früheren eigenen Staatsbetrieben gesehen.

Redaktion: Die Prognosen der Verkehrsexperten sind eindeutig. In den nächsten Jahren kommt weiterer zusätzlicher LKW-Verkehr auf die Autobahnen. Manche Autobahnen sind mit über 30 % Schwerverkehrszuwachs strapaziert. Welche Lösungsansätze sehen Sie hier?

Herr Ruscheinsky: Zuerst einmal muss man dem Ganzen auch einmal etwas positives abgewinnen. Deutsch-land ist das Transitland Nr. 1 in Europa. Jeder, der Waren von Ost nach West oder von Nord nach Süd in Europa transportieren will, muss durch Deutschland hindurch. Durch die natürli-chen Grenzen, im Norden die Nord- und Ostsee und im Süden die Alpen gibt es hier keine Transit-Alternative. Diese Mittelpunktlage bringt Deutschland natürlich auch eine gigantische wirtschaftliche Prosperität.

Allerdings muss der durchlaufende Verkehr selbstverständlich auch gemanagt werden. Der Autobahnstraßenbau ist vorbildlich und in Europa einsame Spitze. Eine Katastrophe aller-dings ist der Bereich „ruhender Verkehr“, das heißt die LKW-Parkplatz-Situation.
Vorab ist noch festzuhalten, dass die überall und gerne zitierte Verlagerung auf die Schiene und auf den Schiffsverkehr zwar vom Ansatz richtig und gut gemeint ist, aber zu keiner Ent-lastung führt und geführt hat und auch nicht führen wird. Selbst bei Verdoppelungen und Vervierfachung dieser Kapazitäten, was aber faktisch überhaupt nicht möglich ist, kann nicht einmal ein Anteil des zukünftigen Zuwachses verlagert werden.
Folglich gibt es zum Parkplatzbau keine Alternative, wenn man die Durchfahrt durch Deutschland nicht verbieten möchte. Die Raststätten auf der Autobahn können dies nicht leisten. Auf Grund der Verfügbarkeit der Flächen und der sehr komplizierten Baurechtsbe-schaffung sind trotz bereits vorhandenen erheblichen Anstrengungen und großen Fördertöp-fen viel zu wenige LKW-Parkplätze entstanden.
Durchgreifende Verbesserungen können nur in Zusammenarbeit mit den Autohöfen erreicht werden. Durch eine bessere Beschilderung und durch Verkehrsleitsysteme können hier mit der Privatwirtschaft und mit den Kommunen sehr schnell einige tausend Parkplätze geschaf-fen werden.
Seit über einem Jahrzehnt argumentiert die Auftragsverwaltung, die für den Verkehr zuständig ist, dass es für die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs wichtig ist, den Verkehr auf der Autobahn zu halten. Man muss jetzt endlich einsehen, dass dies nicht funktioniert und zu dem jetzigen eklatanten und hochgradig verkehrsgefährdeten Missstand geführt hat. Wie eingangs erzählt wird heute die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs mit Füßen getreten, sinnvolle gesetzliche Vorschriften zur Lenk- und Ruhezeit müssen täglich zu Tausenden missachtet werden. Die Entscheidungsträger für den Verkehr müssen auf die Karte Autohöfe setzen.

Redaktion: Herr Ruscheinsky, Ihr Verbund die VEDA wird dem Ganzen sicherlich nicht tatenlos zuse-hen. Was hat Ihr Verband vor?

Herr Ruscheinsky: Wir haben bereits eine umfassende bildliche Dokumentation der Zustände auf den Autobahn-Raststätten erstellt. Uns liegen erschütternde Bilder von restlos zugeparkten Autobahnraststätten vor mit LKWs, die bis in die Autobahn hineinstehen und an denen mit weniger als einen Meter Abstand, Fahrzeuge mit über hundert km/h vorbeirauschen. Weiterhin haben wir alle MdBs, in deren Wahlkreis ein Autohof liegt, angeschrieben und auf die Situation hinge-wiesen.
Als nächstes werden wir die Dokumentation verfeinern und über unsere Mitgliedsbetriebe ein rundes Bild der Parkplatznot in ganz Deutschland hinweg erarbeiten. Wenn dies vorliegt, werden wir mit einer konkreten Forderung ins Bundesverkehrsministerium gehen.
Parallel finden aus aktuellem Anlass Gespräche in Bayern und Baden-Württemberg statt. Hier ist man an der Situation näher dran und möchte umgehend Verbesserungen erzielen und, da der Schwerverkehr ständig und über viele Jahre hinweg weiter steigt, präventiv handeln.
Wir vom Verband sind absolut optimistisch, dass sich in naher Zukunft notwendige Verände-rungen einstellen werden. Es müssen viele Denkweisen verändert und alte Zöpfe abge-schnitten werden. Die Verkehrsministerien und die Autohöfe müssen viel, viel enger zusam-menrücken. Eventuell müssen von Seiten der Autohöfe auch gewisse Leistungen bezahlt werden. Wir sind gesprächsbereit und bringen positive Ideen mit.

Redaktion: Herr Ruscheinsky herzlichen Dank für das Interview

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