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Lohndumping mit Zeitarbeitern

winnipu

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[h=1]Aufstand der "Leihgurken"[/h]
von Hannes Vogel

VW, BMW und Daimler überschlagen sich mit Gewinnen, doch die Rekorde haben einen faden Beigeschmack: Unternehmen beuten Leiharbeiter systematisch aus, um dauerhaft ihre Kosten zu drücken, behauptet die Gewerkschaft IG Metall – und droht mit Streiks. Werden in der Herzkammer der deutschen Wirtschaft Milliardenprofite mit "moderner Sklaverei" gemacht?

Die Angestellten von Deutschlands Autobauern können sich zurzeit über das brummende Autogeschäft freuen: VW hat 2011 einen Rekordgewinn von 16 Mrd. Euro eingefahren und belohnt dafür jeden Tarifmitarbeiter mit 7500 Euro. Auch BMW hat mit 4,9 Mrd. Euro Gewinn das beste Jahr seiner Geschichte hinter sich und zahlt seinen Angestellten dafür bis zu 9000 Euro. Bei der Stuttgarter Edelmarke Daimler sind es 4100 Euro.
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Die Gewerkschaft IG Metall will durchsetzen, dass Leiharbeiter genauso viel verdienen wie Festangestellte. (Foto: picture alliance / dpa)

Doch nicht alle Mitarbeiter profitieren von dem Geldregen: Leiharbeiter, die in den Werkshallen neben ihren festangestellten Kollegen dieselben Autos montieren, bekommen den Bonus nicht. Einzig Volkswagen führt Gespräche, ob die Tochterfirmen Autovision und Wolfsburg AG, über die Leiharbeiter des Konzerns beschäftigt werden, ebenfalls einen Bonus zahlen. "Gleiche Arbeit, gleiches Geld", fordert daher die IG Metall. Die Gewerkschaft will nicht länger hinnehmen, dass zwei Mitarbeiter für dieselbe Arbeit unterschiedlichen Lohn bekommen. Sie fordert in der aktuellen Tarifrunde nicht nur ein Gehaltsplus von 6,5 Prozent, sondern mehr Mitspracherechte der Betriebsräte darüber, ob, wie viele und wie lange Leiharbeiter eingesetzt werden dürfen. Für Anfang Mai hat die IG Metall mit Streiks gedroht, bisher wurden alle Gespräche ergebnislos vertagt.

[h=3]"Leihgurken" gegen Festangestellte[/h] Der Tarifkonflikt hat große Sprengkraft. 3,6 Mio. Menschen arbeiten in der deutschen Metall- und Elektroindustrie, 965.000 allein im Maschinenbau, 800.000 in der Autobranche. Es geht um die Schlüsselbranche der deutschen Industrie und einen schweren Vorwurf: Werden bei VW, Daimler, BMW und Co. Milliardengewinne mit der Ausbeutung von Zeitarbeitern gemacht? Werden sie als moderne Arbeitssklaven abkassiert, während VW-Boss Martin Winterkorn mit 17,4 Mio. Euro inzwischen mehr verdient als Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann? Wenn die Tarifparteien sich nicht einigen, könnte es in der Herzkammer der deutschen Wirtschaft schon bald zum Infarkt kommen.
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Denn die Fronten sind verhärtet. Gewerkschaft und Metallarbeitgeber können sich nicht einmal auf die gleiche Zahlenbasis einigen: Laut IG Metall arbeiten in der Metallbranche 250.000 bis 300.000 Leiharbeiter, der Arbeitgeberverband Gesamtmetall geht von 240.000 Zeitarbeitnehmern aus. Damit sind 6,5 Prozent aller Beschäftigten in der Metallbranche Zeitarbeiter. Der Anteil der Leiharbeiter an allen Erwerbstätigen in Deutschland beträgt aber nur etwas mehr als zwei Prozent. Die Metallbranche setzt damit dreimal mehr Leiharbeiter ein als die Wirtschaft im Durchschnitt - und hat deswegen nun möglicherweise ein Image-Problem.
Um die Leiharbeiter tobt deshalb eine Propaganda-Schlacht. In der jüngsten Offensive hat die IG Metall ein "Schwarzbuch Leiharbeit" veröffentlicht, das auf einer Umfrage unter den 40.000 Zeitarbeitern basiert, die in der Gewerkschaft organisiert sind. Darin bezeichnen sich Leiharbeiter als "moderne Arbeitssklaven" und "Leihgurken", die sich von den Unternehmen nur noch als "Stück Fleisch" behandelt fühlen. Aus Angst vor Kündigung würden sich viele nicht krank melden oder mehr Lohn fordern, viele empfänden es als entwürdigend, für ihre Arbeit nicht denselben Lohn zu bekommen wie Festangestellte, heißt es in der Studie. Der Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister (BAP) hält mit seiner Kampagne dagegen und lässt im Internet Leiharbeiter erklären, warum Zeitarbeit für sie genau richtig ist. "Durch die Zeitarbeit habe ich eine abwechslungsreiche Anstellung gefunden", berichten Leiharbeiter dort, "und die Bezahlung ist besser als vorher".
[h=3]Gleiche Arbeit, halbes Geld[/h] Die IG Metall macht die Leiharbeit zur Gretchenfrage, weil aus ihrer Sicht in der Metallbranche längst die Zweiklassengesellschaft herrscht: Bis zu 40 Prozent weniger verdienen Leiharbeiter mit geringer Qualifikation in Nordrhein-Westfalen laut Angaben der Gewerkschaft im Vergleich zu festangestellten Metallern, in Sachsen soll die Gehaltslücke sogar 48 Prozent betragen. 2011 musste laut Bundesagentur für Arbeit jeder zehnte Leiharbeiter Hartz-IV-Leistungen beantragen, weil er von seinem Lohn nicht leben konnte.


Wie groß die Gehaltslücke wirklich ist, bleibt unklar. Die Zeitarbeitsverbände BAP und Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (IGZ) haben mit den DGB-Gewerkschaften Tarifverträge ausgehandelt. Danach werden Leiharbeiter entsprechend der vom Kunden verlangten Qualifikation in neun Lohngruppen eingestuft – vom ungelernten Hilfsarbeiter bis zum Hochschulabsolventen. In welcher Tarifgruppe und mit welchem Qualifikationsniveau Leiharbeiter in der Metallindustrie überwiegend arbeiten, konnten IGZ und BAP auf Anfrage nicht beantworten. Der Großteil dürfte aber in den unteren Entgeltgruppen beschäftigt sein, teilte BAP mit.
Um die Gleichbezahlung von Leiharbeitern durchzusetzen, kämpft die IG Metall nun an zwei Fronten: Sie verhandelt mit den Metall-Arbeitgebern über mehr Mitsprache beim Einsatz von Leiharbeitern und mit den Leiharbeitsverbänden über Lohnzuschläge, mit denen die Zeitarbeitslöhne den jeweiligen Branchentarifen angeglichen werden sollen.
Zeitarbeits- und Branchenlöhne seien aber ohnehin nur schwer vergleichbar, sagt Gesamtmetall: Leiharbeiter seien in der Metallbranche im Gegensatz zu qualifizierten und eingespielten Stammbelegschaften hauptsächlich an- oder ungelernt und würden Hilfstätigkeiten verrichten. Viele Leiharbeiter seien in der regulären Produktion beschäftigt, hätten eine abgeschlossene Berufsausbildung und seien doppelt benachteiligt, findet dagegen IG Metall: Sie würden nicht nur deutlich weniger verdienen, sondern von den Leihfirmen auch nicht ihrer Qualifikation entsprechend eingruppiert. "Fast jeder wird als Helfer verliehen, obwohl er hochwertige Arbeit verrichtet", berichten Leiharbeiter im Schwarzbuch der Gewerkschaft: "Die Eingruppierungen sind dehnbar wie Kaugummi."
[h=3]Milliardenprofite durch Lohndrückerei?[/h] Noch schwerer wiegt allerdings ein Vorwurf, den im Schwarzbuch ein Mann erhebt, der seit zehn Jahren als Leiharbeiter arbeitet: "Zeitarbeit wird nicht zum Abpuffern von Produktionsspitzen genutzt, die Unternehmen planen mit Billigarbeitern, um den Gewinn zu maximieren". Leiharbeit diene dazu, eine zweite Lohnlinie zu errichten, kritisiert die IG Metall. Mehr als zwei Drittel der Betriebe hätten sich laut einer Befragung von Betriebsräten mit Leiharbeit eingerichtet; Arbeitgeber sprächen offen von Leiharbeit als einem "externen Flexibilisierungsinstrument".
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"Die Behauptungen der IG Metall haben mit der Wirklichkeit nichts zu tun, und erst recht nicht in der Metall- und Elektro-Industrie", hält Gesamtmetall-Präsident Martin Kannegießer dagegen. 68 Prozent der Metall-Betriebe nutzten Zeitarbeit, um Auftragsspitzen abzufangen, nur für 15 Prozent spielten auch die Kosten eine Rolle, teilte Gesamtmetall mit.
Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen. Unstrittig ist, dass die Zeitarbeit boomt: Seit 2010 verzeichnet die Leiharbeit den stärksten Beschäftigungszuwachs aller Branchen. Seit 2004 hat sich die Zahl der Leiharbeiter auf inzwischen 910.000 Menschen verdreifacht. Die größten Verleihfirmen Randstad, Adecco und Manpower machen mit der Vermietung von Arbeitern Milliardenumsätze.
Dass Betriebe systematisch Festangestellte durch Leiharbeiter ersetzen, lässt sich aber nicht belegen. Nach Zahlen der Bundesagentur für Arbeit ist der Anteil der Leiharbeiter, die in der Metallindustrie arbeiten, in den letzten zehn Jahren sogar von etwas über 30 auf 21 Prozent gefallen. Ein Aufbau von Zeitarbeit bei gleichzeitigem Abbau der Stammbelegschaft sei "nur sehr selten zu beobachten", befand auch eine kürzlich veröffentlichte Studie der Bertelsmann-Stiftung.
Doch es gibt deutliche Anzeichen dafür, dass Unternehmen Leiharbeiter nicht nur kurzfristig, sondern dauerhaft einsetzen, um ihre Produktionskosten zu drücken. Laut Gesamtmetall werden rund 60 Prozent der Leiharbeiter in der Metallindustrie länger als ein halbes Jahr eingesetzt. Laut Bundesagentur für Arbeit dauert jedes zweite Leiharbeitsverhältnis inzwischen drei Monate und mehr. Vor zehn Jahren waren es nur 42 Prozent.
[h=3]Leiharbeit hat politische Sprengkraft[/h]
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Der Betriebsratschef des Leipziger BMW-Werks, Jens Köhler, klagt vor Gericht gegen den Einsatz der Leiharbeiter. (Foto: picture alliance / dpa)

Es lässt sich nicht von der Hand weisen, dass Leiharbeit auch missbräuchlich zum Lohndumping eingesetzt wird. Nach der Bertelsmann-Studie tragen Zeitarbeiter "die Nachteile und Kosten der Flexibilität". Ein Blick auf die größten Mitglieder im Gesamtmetallverband - Volkswagen, Daimler und BMW – zeigt aber, dass der pauschale Vorwurf von Lohndrückerei zu einfach ist.
Bei Daimler sind bei 167.700 Mitarbeitern nur 5100 Zeitarbeiter beschäftigt, ein unterdurchschnittlicher Anteil von gut drei Prozent. Schon 2004 haben sich Vorstand und Betriebsrat geeinigt: Leiharbeiter erhalten denselben Tariflohn von 17,05 Euro wie Festangestellte. Volkswagen will die Zahl seiner Leiharbeiter grundsätzlich nicht nennen, weist aber darauf hin, dass der Konzern allein im vergangenen Jahr 3300 Zeitarbeiter in ein Anstellungsverhältnis übernommen hat. Zudem sei der Einsatz der Leiharbeitnehmer bereits konzernweit mit dem Betriebsrat geregelt. Volkswagen bezahlt seinen Leiharbeitern zunächst weniger als Festangestellten, nach 19 Monaten gilt aber auch für sie der Haustarifvertrag.
Die größten Imageprobleme wegen Lohndrückerei hat BMW. Zur Zahl seiner Leiharbeiter will sich der Autokonzern nicht äußern. Nach Gewerkschaftsangaben beschäftigt BMW bundesweit bei 100.000 Festangestellten rund 11.000 Leiharbeiter – das wäre ein überdurchschnittlich hoher Anteil von gut zehn Prozent. Der Betriebsrat des Leipziger BMW-Werks und der Münchner Konzern streiten heftig vor Gericht: Bei 2700 Stammbeschäftigten arbeiten laut einem BMW-Sprecher auch 1100 Leiharbeiter in dem Werk, gut 29 Prozent der Belegschaft. Im Mittel seien die Leiharbeiter drei bis vier Jahre dort beschäftigt, einige aber auch seit acht Jahren, sagt die IG Metall. Der Lohnabstand beträgt laut Betriebsratschef Jens Köhler etwa zehn Prozent. Bei BMW wurde laut Angaben eines Sprechers 2008 mit dem Betriebsrat vereinbart, dass Leiharbeiter deutschlandweit mindestens das gültige Tarifgrundgehalt bekommen wie Festangestellte.

Solche Zustände rufen inzwischen auch die Politik auf den Plan. Denn laut Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) darf Leiharbeit eigentlich nur "vorübergehend" erfolgen. Doch solange nicht klar geregelt ist, wie lange Leiharbeiter ohne festen Vertrag beschäftigt werden dürfen, können Unternehmen die Gesetzeslücke ausnutzen: "Es ist inakzeptabel, dass Mitarbeiter längerfristig ein und dieselbe Arbeit machen und es dafür unterschiedliche Löhne gibt", erklärte Arbeitsministerin Ursula von der Leyen Ende März in der "Welt". Von der Leyen hat den Tarifparteien ein Ultimatum gesetzt. Im Frühling müssen die Verhandlungen abgeschlossen sein, ansonsten will die Ministerin eine Kommission einsetzen, die einen Gesetzesvorschlag ausarbeitet. Das Vorhaben birgt für die CDU und die Regierung von Angela Merkel jede Menge Zündstoff: BMW, Daimler AG sowie die Verbände der Metall- und Elektroindustrie von Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen waren 2011 die wichtigsten Großspender der Union.
Quelle: n-tv.de
 
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Stimmt genau. Der Arbeitgeber zahlt genau das Selbe wie an seine Festen. Nur das beim Leiharbeiter noch jemand Anders mit verdient. 8 Euro davon krallt sich nämlich die Leiharbeitsfirma ein.
Der Arbeitgeber hat lediglich den Vorteil, dass er den Arbeiter im Fall einer Krise oder Auftragseinbruch sofort abbestellen kann. Ohne Kündigungsklagen oder Arbeitsrechtsprozesse fürchten zu müssen, kann er die nicht mehr benötigten Arbeitskräfte nach Hause schicken.

Dafür werden die Arbeiter dann eben von den Leiharbeitsfirmen auf die Straße gesetzt. Das ist weniger tragisch, denn die haben eh keinen Ruf zu verlieren.
 
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