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Kartellamt verärgert Fans

Die Bonner Behörde hat - anders als behauptet - verhindert, dass mehr Bundesliga im Free-TV zu sehen ist. Ihr guter Ruf ist dahin. Denn unter seltsamen Vorwänden bevorzugt sie die ARD
Auf zweifache Weise ließ sich Bernhard Heitzer vorvergangene Woche feiern: als Retter der ARD-Sportschau, als Retter des Fußballs im Free-TV. In der Tat hat der Chef des Bundeskartellamtes die Sportschau gerettet, indem er die Bundesliga-Ausstrahlung am Samstag vor 20 Uhr forderte. Nur verbaut die Bonner Behörde damit, dass die Zuschauer künftig mehr Fußball im Free-TV als heute sehen. Ein "Gewinn für die Fans", so wie die "FAZ" jubelte, sieht anders aus.

Mitte Juli stellten Manager der Deutschen Fußball Liga (DFL) und der Sirius SportMedia, die Vermarktungsfirma des Medienunternehmers Leo Kirch, dem Kartellamt ihre Pläne vor, wie es mit dem Profifußball ab der Saison 2009/10 weitergehen soll. Sie stellten dabei zwei Szenarien vor, die dafür sorgen, dass die Firmen und Sender auch ordentlich den Preis hochtreiben. Zusammengefasst ist das auf einer zwölfseitigen Präsentation mit dem Vermerk "streng vertraulich/geheim" nachzulesen, die der "Welt am Sonntag" vorliegt. Das erste Szenario mit "starkem Free-TV-Samstag" entspricht der derzeitigen Regelung: Erstverwertung im Free-TV ab 18.30 Uhr, Zweitverwertung ab 22 Uhr und am Sonntag sind die Spiele ab 22 Uhr frei empfänglich. Szenario 2 sieht eine Erstverwertung erst ab 22 Uhr am Samstag vor, aber eine Erstverwertung der drei Sonntagsspiele bereits ab 18.45 Uhr und "mindestens alle 14 Tage ein Livespiel im Free-TV (mindestens 16 Spiele)". Das ergibt, so das Sirius-Papier, 193 bis 210 Programmstunden im Free-TV bei Szenario 1, jedoch 234 bis 267 Stunden bei Szenario 2, das "die Programmfläche von Fußball im Free-TV um bis zu 27 Prozent gegenüber dem Status quo steigert".

Auf der Pressekonferenz vorvergangene Woche ging der Kartellamtspräsident auch auf diesen zweiten Vorschlag ein: Dieser gefalle ihm aber nicht, da nicht sicher sei, dass "ein wesentlicher Vorteil der Zentralvermarktung, nämlich die gebündelte Highlight-Berichterstattung über den Hauptspieltag, auch tatsächlich bei den Fernsehzuschauern ankommt". Eine Sprecherin der Behörde ergänzt, dass das zweite Szenario "zu spät, zu wenig und zu verstreut ist".

Das ist eine seltsame Argumentation. Man kann zwar nicht in den Verbraucher hineinschauen und seine Wünsche kennen, anders als das Kartellamt glaubt, aber anzunehmen ist, dass er lieber mehr Fußball als weniger im Free-TV mag. Dieses wäre unter dem zweiten Szenario gegeben. Das Kartellamt hat es aber trotzdem abgelehnt.

Mit seiner Forderung nach Free-TV am Sonnabend vor 20 Uhr habe das Kartellamt die "Tyrannei der Besitzstände zementiert", so der Tübinger Professor Wernhard Möschel. "Die Behörde kann sich nicht vorstellen, dass es auch anders geht." Sie lege eine "paternalistische Auffassung" an den Tag, indem sie zu wissen glaube, was für den Verbraucher gut ist. Kurzum: "Das Kartellamt hat sich zum nützlichen Idioten der verstaubten ARD-Welt gemacht", sagt der frühere Leiter der Monopolkommission.

In der Tat drängt sich der Eindruck auf, als ob dem Kartellamt mehr am Wohl der ARD als an dem der Zuschauer liegt. Denn die ARD hätte bei einem Bietergefecht um einen starken Free-TV-Sonntag eine schlechte Ausgangsposition gehabt, kann sie doch die teuren Rechte an einem Sonntag nicht zumindest teilweise über Werbung refinanzieren, weil sie an diesem Tag keine Werbung ausstrahlen darf.

Tätig geworden ist die Behörde ohnehin nur, weil es in der Zentralvermarktung ein verbotswidriges Kartell sieht, das nur okay ist, wenn es dem Verbraucher auch nützt. Nun kann man auch argumentieren, so ist jedenfalls die herrschende Meinung unter Sportökonomen, dass eine Fußballliga ein notwendiges Kartell ist, denn ein Verein so allein ohne Gegner und ohne Spieltag ist eine freudlose Veranstaltung.

Aber das Kartellamt folgt der europäischen Rechtsprechung, die die Zentralvermarktung ablehnt und drängt die Vereine damit in die Einzelvermarktung. Wie das geht, ist in Spanien zu beobachten, wo die Spiele fröhlich verteilt zwischen Samstagnachmittag und Sonntagabend, Anpfiff 22 Uhr, laufen, zumeist im Pay-TV zu empfangen. Wenn etwas zu spät, zu wenig und zu verstreut für den TV-Zuschauer zu empfangen ist, dann dort.

Nun wird es wohl wie alles Irdische in einem zivilisierten Land den juristischen Weg gehen. Liga-Präsident Reinhard Rauball kündigte an, dass sobald eine abschließende Entscheidung der Wettbewerbshüter vorliege, der Rechtsweg beschritten werde. Das kann dauern: Zuerst muss die DFL ausschreiben, dann wird das Kartellamt untersagen und einige Monate brauchen, um die Begründung zu formulieren. An eine Frist, wie lange sie für die Begründung braucht, ist sie nicht gebunden. Erst nachdem alles gut formuliert ist, kann die DFL vor Gericht gehen. Wahrscheinlich bleibt der Liga nichts anderes übrig, als den langen, harten Rechtsweg zu gehen. Über die Rechtmäßigkeit der Zentralvermarktung wird über ein Jahrzehnt gestritten und hoffentlich hat man 2020 einmal andere Probleme.

Vielleicht ist dann auch die Formkrise des Kartellamts vorbei. Möschel beobachtet bei den "Wettbewerbshütern" insgesamt eine "Rückständigkeit" und eine "Unterschätzung der dynamischen Medienmärkte". Die "Lex ARD" reihe sich einer Serie von "Fehlentscheidungen" an. Möschel erinnert an den US-Unternehmer John Malone, dem das Amt untersagte, die Kabelnetze der Telekom zu übernehmen. Das habe den Wettbewerb und die Entwicklung der Multimediamärkte um Jahre zurückgeworfen. Auch die angekündigte Untersagung der Übernahme von ProSiebenSat.1 durch den Verlag Axel Springer ("Bild", "Welt am Sonntag") erscheint, könne er nicht nachvollziehen. "In einer Verbindung zwischen ProSieben und "Bild" crossmediale Effekte zu vermuten, die die "Bild" unangreifbar mache, war Unfug", so Möschel. Der glänzende Ruf, den das Amt einst hatte, sei dahin. Qulle: Welt.de
 
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