Das UHF-Band, das für digitales Antennenfernsehen genutzt wird, ist heiß begehrt: Polizei, Militär und Mobilfunk erheben Anspruch auf die Frequenzen. Das wäre das Aus für DVB-T2 und mögliche Nachfolger. Die Politik sendet widersprüchliche Signale.
Die gemeinsame Sorge um ein kostbares Gut treibt ungewöhnliche Allianzen voran. ARD, ZDF, Deutschlandradio und die im Verband Vaunet organisierten Privatsender haben sich mit dem Audiotechnik-Unternehmen Sennheiser, dem Sendernetzbetreiber Media Broadcast, der Initiative SOS – Save Our Spectrum, dem Zentralverband der Elektroindustrie und den Landesmedienanstalten zur "Allianz für Rundfunk- und Kulturfrequenzen" zusammengetan. Das Ende 2021 geschlossene Zweckbündnis kämpft einen Kampf, von dem viele schon glaubten, er habe sich in digitalen Zeiten erledigt – um ebenso knappe wie begehrte Frequenzen.
Konkret geht es um das Ultrahochfrequenz-Spektrum (UHF) im elektromagnetischen Wellenbereich zwischen 470 und 694 Megahertz, über den das digitalterrestrische Fernsehen DVB-T2 sendet. Weiterer Nutzer ist die Kultur- und Veranstaltungsindustrie: Bei jedem Konzert, jedem Kongress, jedem Gottesdienst funken Mikrofone und andere drahtlose Produktionsmittel auf diesen Frequenzen. Drei andere Gruppen hätten das UHF-Spektrum in Zukunft gern für sich: die Mobilfunkbetreiber, die Bundeswehr sowie die Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS), also Polizei, Feuerwehr und Katastrophenschutz.
Der Konflikt schwelt bislang weitgehend im Verborgenen, doch die Kombattanten rüsten zusehends verbal auf, je näher die nächste Weltfunkkonferenz (WRC-23) Ende 2023 in den Vereinigten Arabischen Emiraten rückt. Dort wird über die weltweite Nutzung des Frequenzbands ab 2030 entschieden. Jedes Land muss bis dahin eine nationale Position entwickeln. Von der scheint Deutschland momentan noch weit entfernt. Im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung steht zwar ein Bekenntnis zur weiteren Rundfunk- und Kulturnutzung – doch die Rundfunkkommission der Länder unter Rheinland-Pfalz-Staatssekretärin Heike Raab sah sich im März genötigt, in einem eigenen Beschluss an diese Festlegung zu erinnern. Der Grund: Die Innenminister derselben Bundesländer hatten zuvor einen Beschluss pro BOS gefasst.
"Auf dem Weg in die digitale Gesellschaft hat der terrestrische Fernseh-Rundfunk früh die Weichen gestellt und erfolgreich seine Rolle erfüllt, Bürgerinnen und Bürger niedrigschwellig, kostengünstig und verlässlich mit Qualitätsinhalten zu versorgen", schreibt die Allianz für Rundfunk- und Kulturfrequenzen in einem medienpolitischen Positionspapier. "Diese zentralen Wesensmerkmale der Fernsehterrestrik werden langfristig beibehalten und bilden die Basis, um auch über 2030 hinaus einen wichtigen Beitrag für den demokratischen Meinungsbildungsprozess und die digitale Teilhabe in Deutschland zu leisten." Das Gegenargument, dass nur 6,7 Prozent der deutschen TV-Haushalte DVB-T2 nutzen, kontern die Rundfunkvertreter damit, dass die Zahl seit 2019 wieder Jahr für Jahr steigt, dass sie in Ballungsräumen wie Berlin, Hamburg oder Ruhrgebiet mehr als doppelt so hoch liegt und dass die Abschaffung des Nebenkostenprivilegs für Kabelfernsehen ab 2024 weitere Zuwächse erwarten lasse.
Hinzu kommt: Die mobile Nutzbarkeit des terrestrischen Fernsehens soll weiterentwickelt werden. ARD und Rundfunknetzbetreiber arbeiten in verschiedenen 5G-Broadcast-Modellversuchen an den Voraussetzungen für ein konvergentes System aus linearem und non-linearem Medienkonsum. Mit 5G Broadcast könnte die Bevölkerung in Zukunft direkt auf mobilen Endgeräten erreicht werden – auch ohne Mobilfunkvertrag. Ohne das UHF-Spektrum wäre dieser Entwicklungsstrang abgeschnitten. Als Folge der effizienteren Frequenznutzung durch die Digitalisierung der Terrestrik und durch die Umstellung von DVB-T auf DVB-T2 hatte der Rundfunk bereits 2010 und 2015 insgesamt rund 40 Prozent des UHF-Spektrums an den Mobilfunk abgetreten.
Um seine mobilen Breitbandanwendungen bei wachsender Datennutzung weiter ausbauen zu können, ist der Frequenzhunger des Mobilfunks freilich nocht nicht gestillt. Die zivilen und militärischen Sicherheitskräfte wiederum streben eine weitere Digitalisierung ihrer Tätigkeiten an, insbesondere den Aufbau eines dedizierten bundesweiten Breitbandfunknetzes. Eine Studie im Auftrag der Bundesnetzagentur entwarf unlängst zwei mögliche Szenarien: entweder eine kooperative Nutzung des UHF-Bands zwischen den interessierten Parteien oder eine Hauptnutzung durch den Mobilfunk bei Wegfall der Rundfunknutzung. Selbst das Kooperationsszenario dürfte nicht im Sinne der Rundfunkvertreter sein: Sie müssten sich demnach auf die Ausstrahlung in Kerngebieten, sprich Ballungsräumen, beschränken und ihre regional unterschiedlichen Programmbouquets stärker vereinheitlichen.
Eine "übervereinfachte Analyse" mit Schlüssen, deren "Nutzen und technische Umsetzbarkeit völlig unkar" seien, kritisiert die Allianz für Rundfunk- und Kulturfrequenzen denn auch in ihrer Stellungnahme an die Bundesnetzagentur. In den europäischen Nachbarländern sei der terrestrische Rundfunk mit 42 Prozent der meistgenutzte TV-Empfangsweg. "Die Vorstellung einer deutschen Lösung ohne Berücksichtigung der Belange der Nachbarländer erscheint wenig aussichtsreich." Während der Streit bisher vor allem hinter verschlossenen Türen geführt wurde, treffen die Parteien diese Woche erstmals öffentlich auf der Branchenbühne der ANGA COM aufeinander. Die Abwägung zwischen Rundfunk, Kultur und innerer Sicherheit dürfte sich noch als dicker Brocken erweisen.
Quelle; dwdl
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Die gemeinsame Sorge um ein kostbares Gut treibt ungewöhnliche Allianzen voran. ARD, ZDF, Deutschlandradio und die im Verband Vaunet organisierten Privatsender haben sich mit dem Audiotechnik-Unternehmen Sennheiser, dem Sendernetzbetreiber Media Broadcast, der Initiative SOS – Save Our Spectrum, dem Zentralverband der Elektroindustrie und den Landesmedienanstalten zur "Allianz für Rundfunk- und Kulturfrequenzen" zusammengetan. Das Ende 2021 geschlossene Zweckbündnis kämpft einen Kampf, von dem viele schon glaubten, er habe sich in digitalen Zeiten erledigt – um ebenso knappe wie begehrte Frequenzen.
Konkret geht es um das Ultrahochfrequenz-Spektrum (UHF) im elektromagnetischen Wellenbereich zwischen 470 und 694 Megahertz, über den das digitalterrestrische Fernsehen DVB-T2 sendet. Weiterer Nutzer ist die Kultur- und Veranstaltungsindustrie: Bei jedem Konzert, jedem Kongress, jedem Gottesdienst funken Mikrofone und andere drahtlose Produktionsmittel auf diesen Frequenzen. Drei andere Gruppen hätten das UHF-Spektrum in Zukunft gern für sich: die Mobilfunkbetreiber, die Bundeswehr sowie die Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS), also Polizei, Feuerwehr und Katastrophenschutz.
Der Konflikt schwelt bislang weitgehend im Verborgenen, doch die Kombattanten rüsten zusehends verbal auf, je näher die nächste Weltfunkkonferenz (WRC-23) Ende 2023 in den Vereinigten Arabischen Emiraten rückt. Dort wird über die weltweite Nutzung des Frequenzbands ab 2030 entschieden. Jedes Land muss bis dahin eine nationale Position entwickeln. Von der scheint Deutschland momentan noch weit entfernt. Im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung steht zwar ein Bekenntnis zur weiteren Rundfunk- und Kulturnutzung – doch die Rundfunkkommission der Länder unter Rheinland-Pfalz-Staatssekretärin Heike Raab sah sich im März genötigt, in einem eigenen Beschluss an diese Festlegung zu erinnern. Der Grund: Die Innenminister derselben Bundesländer hatten zuvor einen Beschluss pro BOS gefasst.
"Auf dem Weg in die digitale Gesellschaft hat der terrestrische Fernseh-Rundfunk früh die Weichen gestellt und erfolgreich seine Rolle erfüllt, Bürgerinnen und Bürger niedrigschwellig, kostengünstig und verlässlich mit Qualitätsinhalten zu versorgen", schreibt die Allianz für Rundfunk- und Kulturfrequenzen in einem medienpolitischen Positionspapier. "Diese zentralen Wesensmerkmale der Fernsehterrestrik werden langfristig beibehalten und bilden die Basis, um auch über 2030 hinaus einen wichtigen Beitrag für den demokratischen Meinungsbildungsprozess und die digitale Teilhabe in Deutschland zu leisten." Das Gegenargument, dass nur 6,7 Prozent der deutschen TV-Haushalte DVB-T2 nutzen, kontern die Rundfunkvertreter damit, dass die Zahl seit 2019 wieder Jahr für Jahr steigt, dass sie in Ballungsräumen wie Berlin, Hamburg oder Ruhrgebiet mehr als doppelt so hoch liegt und dass die Abschaffung des Nebenkostenprivilegs für Kabelfernsehen ab 2024 weitere Zuwächse erwarten lasse.
Hinzu kommt: Die mobile Nutzbarkeit des terrestrischen Fernsehens soll weiterentwickelt werden. ARD und Rundfunknetzbetreiber arbeiten in verschiedenen 5G-Broadcast-Modellversuchen an den Voraussetzungen für ein konvergentes System aus linearem und non-linearem Medienkonsum. Mit 5G Broadcast könnte die Bevölkerung in Zukunft direkt auf mobilen Endgeräten erreicht werden – auch ohne Mobilfunkvertrag. Ohne das UHF-Spektrum wäre dieser Entwicklungsstrang abgeschnitten. Als Folge der effizienteren Frequenznutzung durch die Digitalisierung der Terrestrik und durch die Umstellung von DVB-T auf DVB-T2 hatte der Rundfunk bereits 2010 und 2015 insgesamt rund 40 Prozent des UHF-Spektrums an den Mobilfunk abgetreten.
Um seine mobilen Breitbandanwendungen bei wachsender Datennutzung weiter ausbauen zu können, ist der Frequenzhunger des Mobilfunks freilich nocht nicht gestillt. Die zivilen und militärischen Sicherheitskräfte wiederum streben eine weitere Digitalisierung ihrer Tätigkeiten an, insbesondere den Aufbau eines dedizierten bundesweiten Breitbandfunknetzes. Eine Studie im Auftrag der Bundesnetzagentur entwarf unlängst zwei mögliche Szenarien: entweder eine kooperative Nutzung des UHF-Bands zwischen den interessierten Parteien oder eine Hauptnutzung durch den Mobilfunk bei Wegfall der Rundfunknutzung. Selbst das Kooperationsszenario dürfte nicht im Sinne der Rundfunkvertreter sein: Sie müssten sich demnach auf die Ausstrahlung in Kerngebieten, sprich Ballungsräumen, beschränken und ihre regional unterschiedlichen Programmbouquets stärker vereinheitlichen.
Eine "übervereinfachte Analyse" mit Schlüssen, deren "Nutzen und technische Umsetzbarkeit völlig unkar" seien, kritisiert die Allianz für Rundfunk- und Kulturfrequenzen denn auch in ihrer Stellungnahme an die Bundesnetzagentur. In den europäischen Nachbarländern sei der terrestrische Rundfunk mit 42 Prozent der meistgenutzte TV-Empfangsweg. "Die Vorstellung einer deutschen Lösung ohne Berücksichtigung der Belange der Nachbarländer erscheint wenig aussichtsreich." Während der Streit bisher vor allem hinter verschlossenen Türen geführt wurde, treffen die Parteien diese Woche erstmals öffentlich auf der Branchenbühne der ANGA COM aufeinander. Die Abwägung zwischen Rundfunk, Kultur und innerer Sicherheit dürfte sich noch als dicker Brocken erweisen.
Quelle; dwdl