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Off Topic Gegen "996": Wie ausgebrannte chinesische Tech-Arbeiter zurückschlagen wollen

"996". So nennt sich die Arbeitswoche, mit der viele Angestellte in der chinesischen Tech-Branche noch immer konfrontiert sind. Es bedeutet, dass erwartet wird, dass die Mitarbeiter von 9 Uhr morgens bis 21 Uhr abends an sechs Tagen in der Woche in der Firma sind. Der Mitbegründer des chinesischen Internet-Riesen Alibaba, Jack Ma, bezeichnet dies als "großen Segen".

Doch immer mehr junge Mitarbeiter wollen nicht mehr. Es regt sich Protest, der mittlerweile auch in die Öffentlichkeit getragen wird. Anfang Oktober gab es sogar Anzeichen dafür, dass der Staat eingreifen könnte. Es gab verstärkte Kontrollen. Parallel dazu begannen junge Tech-Arbeiter ein Projekt in den sozialen Medien, um die Probleme mit der Arbeitskultur des Landes aufzudecken.

Eine öffentlich bearbeitbare Datenbank der Unternehmenspraktiken ging viral, enthüllte die Arbeitsbedingungen in vielen Unternehmen des Technologiesektors und trug dazu bei, dass 996 in den Mittelpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit rückte. Innerhalb der ersten Woche konnte die Seite immerhin eine Million Aufrufe verzeichnen.

Kurz da, gleich wieder weg​

Doch das Projekt, das zunächst den Namen "Worker Lives Matter" (in Anlehnung an "Black Lives Matter") und dann "Working Time" trug, war fast so schnell verschwunden, wie es aufgetaucht war. Die Datenbank und die dazu passende GitHub-Repository-Seite wurden gelöscht – und Online-Diskussionen über das Arbeitsleben dieser Menschen wurden von chinesischen sozialen Netzwerkplattformen zensiert.

Stunden nachverfolgen​

"Working Time" begann mit einer Tabelle, die auf Tencent Docs, der chinesischen Version von Google Docs, veröffentlicht wurde. Kurz nach der Veröffentlichung wurde sie mit Einträgen gefüllt, die Unternehmen wie Alibaba, dem chinesischen Suchmaschinenanbieter Baidu und dem E-Commerce-Unternehmen JD.com zugeschrieben wurden.

"Von 9 Uhr bis 22 Uhr 30 oder 23 Uhr, sechs Tage die Woche, Manager gehen normalerweise nach Mitternacht nach Hause", lautete ein Eintrag, der vom Tech-Riesen Huawei stammen soll.

"10 Uhr bis 21 Uhr. Feierabend um 21 Uhr, aber unsere Gruppe bleibt bis 21.30 Uhr oder 22 Uhr wegen der Involution", heißt es in einem anderen Eintrag ("Involution" ist chinesischer Internet-Slang für "irrationalen Wettbewerb").
Innerhalb von drei Tagen wurden mehr als 1.000 Einträge hinzugefügt. Ein paar Tage später wurde "Working Time" zum Top-Thema in Chinas Quora-ähnlichem Online-Forum Zhihu. Als die Tabelle wuchs und mehr öffentliche Aufmerksamkeit erlangte, meldete sich ein Mitorganisator, dessen Benutzernamen auf Chinesisch "Nur mit Glatze ist man stark" bedeutet, auf Zhihu, um die Geschichte hinter dem Projekt zu erzählen.

Junge Menschen direkt von der Hochschule​

"Vier von uns sind frischgebackene Hochschul- und Masterabsolventen, die zwischen 1996 und 2001 geboren wurden", so der "Glatzenmann". Ursprünglich war die Tabelle nur für den Informationsaustausch gedacht, um Arbeitssuchenden wie ihnen zu helfen, sagte er. Aber als "Working Time" populär wurde, beschlossen die Organisatoren, von der Datensammlung zum Aktivismus überzugehen. "Es geht nicht mehr nur um den Austausch von Informationen, wir tragen auch eine soziale Verantwortung", schrieb er.

Die Tabelle füllte eine Lücke in China, wo es keine Unternehmensbewertungs-Websites wie "Glassdoor" gibt und die Möglichkeiten, sich über Sozialleistungen, Bürokultur und Gehälter zu informieren, begrenzt sind. Einige Arbeitssuchende verlassen sich auf Mundpropaganda, während andere wahllos Arbeitnehmer über die professionelle Networking-App Maimai ansprechen oder Informationen aus Stellenangeboten zusammenstellen. Nach den chinesischen Arbeitsgesetzen beträgt eine typische Arbeitszeit acht Stunden pro Tag bei maximal 44 Stunden pro Woche. Für darüber hinausgehende Stunden müssen Überstunden bezahlt werden – und die monatliche Überstundenzahl ist auf 36 Stunden begrenzt.

Doch seit langem umgehen Chinas Tech-Unternehmen und Start-ups die Überstundenobergrenzen und sind dafür berüchtigt, dass sie im Namen besonders harter Arbeit und möglichen Wettbewerbsvorteilen lange Arbeitszeiten gutheißen, "verherrlichen" und in einigen Fällen sogar vorschreiben. In einer gemeinsamen Umfrage der chinesischen Online-Jobbörse Boss Zhipin und der Mikroblogging-Plattform Weibo aus dem Jahr 2019 gaben nur 10,6 Prozent der befragten Arbeitnehmer an, selten Überstunden zu machen, während 24,7 Prozent jeden Tag Überstunden machten.

Mehr Erfahrung wegen mehr Arbeit​

Lange Arbeitszeiten könnten für Arbeitnehmer sogar von Vorteil sein, erklärte Jack Ma 2019. "Da ihr hier seid, solltet ihr, anstatt euch zu beschweren, im 996-Rhythmus arbeiten", so Ma in einer Rede bei einem internen Alibaba-Treffen, die später online geteilt wurde. "Eure 10-jährige Arbeitserfahrung wird die gleiche sein wie die 20-jährige der anderen."
Doch Teile der Tech-Community hatte bereits begonnen, sich zu wehren. Anfang des Jahres hatte ein Nutzer die Domain "996.icu" eingerichtet. Ein paar Tage später wurde ein gleichnamiges Repository auf GitHub eingerichtet. Der Name soll bedeuten, dass man, wenn man dem 996-Lebenstil folgt, riskiert, auf die Intensivstation (ICU) zu kommen, wie es auf der GitHub-Seite heißt. Sie listet Vorschriften über Arbeitszeiten nach dem chinesischen Arbeitsrecht und enthält eine Liste von mehr als 200 Unternehmen, die 996 praktizieren.

Innerhalb von drei Tagen erhielt das Repository mehr als 100.000 Bookmarks und wurde damit zum meistgenutzten Projekt auf GitHub zu dieser Zeit. Kurze Zeit später wurde es von chinesischen Browsern wie QQ und 360 blockiert und verschwand schließlich ganz aus dem chinesischen Internet (es ist immer noch über VPNs verfügbar).

Software nur für arbeitnehmerfreundliche Unternehmen​

Auf das Projekt 996.icu folgte schnell die Anti-996-Lizenz. Die von Yan und Katt Gu, einem Juristen, entwickelte Softwarelizenz ermöglicht es Entwicklern, die Nutzung ihres Codes auf Unternehmen zu beschränken, die die Arbeitsgesetze einhalten. Insgesamt wurde die Anti-996-Lizenz von mehr als 2.000 Projekten übernommen, so Yan.

Heute steht 996 sowohl bei den chinesischen Behörden als auch in der breiten Öffentlichkeit zunehmend unter Beobachtung. Nachdem ein ehemaliger Mitarbeiter des auf die Landwirtschaft spezialisierten Technologieunternehmens Pinduoduo im Dezember 2020 angeblich aufgrund von Überstunden gestorben war, prangerte die staatliche chinesische Presseagentur Xinhua die Überstundenkultur an und sprach sich für kürzere Arbeitszeiten aus.

Am 26. August veröffentlichte das chinesische Ministerium für soziale Sicherheit und der Oberste Volksgerichtshof gemeinsam Leitlinien und Beispiele von Gerichtsverfahren zum Thema Überstunden und mahnten Unternehmen und Einzelpersonen, sich der Arbeitsgesetze bewusst zu sein. Doch obwohl die Behörden und die staatlichen Medien eine härtere Gangart einzuschlagen scheinen, ist unklar, wann oder ob die Vorschriften, die 996 eigentlich illegal machen, vollständig durchgesetzt werden.

Einige Unternehmen sind dabei, dies zu ändern. Anthony Cai, ein aktueller Mitarbeiter von Baidu, sagt, dass eine Sechs-Tage-Woche in großen Unternehmen heutzutage eher selten ist. In diesem Jahr haben mehrere Tech-Unternehmen, darunter auch ByteDance, der Entwickler von TikTok, die "großen/kleinen Wochen" gestrichen, ein in China aufkommender Begriff, der sich auf die Arbeit an sechs Tagen in der Woche bezieht. "Samstags zu arbeiten ist nicht mehr so beliebt", sagt Cai. "Allerdings ist es nach wie vor üblich, lange im Büro zu bleiben, was normalerweise nicht als Überstunden gewertet wird.

Der Einfluss der jüngeren Generation​

In Zukunft müssen die Unternehmen möglicherweise noch mehr Überstunden abbauen, um junge Bewerber zu gewinnen. Faper Fu, ein Universitätsstudent in Nanjing, sagt, er habe wenig Interesse daran, 996 zu akzeptieren, wenn er auf den Arbeitsmarkt kommt. "Wenn ich viel Geld bekomme, könnte ich es in Betracht ziehen", sagt er. "Aber das ist nicht zu 100 Prozent mein langfristiger Plan. Ein Gleichgewicht zwischen Arbeit und Leben ist für mich sehr wichtig.”

Cary Cooper, Professor für Organisationspsychologie und Gesundheit an der Alliance Manchester Business School im Vereinigten Königreich, ist der Meinung, dass chinesische Unternehmen von der Überstundenkultur abrücken werden, wenn sie Beweise für die Auswirkungen langer Arbeitszeiten auf die Gesundheit und Produktivität der Arbeitnehmer sehen. "Es gibt keine Beweise dafür, dass die Produktivität steigt, wenn die Menschen durchgehend lange arbeiten – im Gegenteil", sagt er.

In der Zwischenzeit, so Cooper, werden die jüngeren Generationen "nicht aufhören, für eine gute Qualität des Arbeitslebens zu kämpfen".
Quelle: heise
 
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