"Taktisch und etwas nerdy": So rollt der Ball bei Eurosport
In einen Monat startet die Bundesliga-Saison - und ungeachtet des Streits mit Sky um die Verbreitung stellt sich die Frage, wie die Berichterstattung bei Eurosport eigentlich aussehen wird. Sportchef Gernot Bauer über Pläne, Talks und Krawatten...
Herr Bauer, in zwei Wochen steht mit dem Supercup das erste Spiel an, das Teil des von Discovery erworbenen Bundesliga-Pakets ist. Noch weiß man gar nicht, was Sie an diesem Tag planen. Wie kommt's?
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Für den Supercup haben wir eine Stunde Vorlauf geplant, in dem wir rund um unsere beiden Haupt-Gesichter Jan Henkel und Matthias Sammer ein schönes Paket geschnürt haben. Der erste wirklich große Test, an dem wir uns messen lassen müssen, wird der Saison-Auftakt zwischen Bayern München und Bayer Leverkusen sein sowie eine Woche später, wenn wir erstmals ein Freitagsspiel der Bundesliga exklusiv übertragen werden. Bis dahin werden wir in den nächsten Tagen noch zwei Testspiele mit Borussia Dortmund im Free-TV übertragen, bei denen wir schon mal erste Trockentests absolvieren wollen.
Wie wird die Bundesliga bei Eurosport aussehen?
Unsere Bundesliga-Berichterstattung steht intern unter dem Motto "Mehr Fußball, weniger Krawatte". Unser Ziel ist es, uns auch hinsichtlich der Tonalität von den Sendungen der Konkurrenz abzusetzen und selbst neue Akzente setzen. Zudem wollen wir auf unseren Plattformen aus dem Freitagspiel ein echtes Event machen und zur Einstimmung auf die Partie unser ganzes Portfolio und vor allem die digitalen Kanäle nutzen. Mit dem "#TGIM – Stream Team" werden wir beispielsweise eine eigene Webshow starten. Uns ist vollkommen bewusst, dass wir mit unserer neuen Strategie hinsichtlich Verbreitung und Content-Produktion sehr in die digitale Richtung gehen und sehen uns hier selbst auch als Vorreiter.
Wie muss sich der Fan die Vorberichterstattung mit Matthias Sammer und Jan Henkel konkret vorstellen?
In unserer einstündigen Vorberichterstattung wollen wir das Wissen unserer Experten – und da nehme ich Jan Henkel explizit mit dazu – nutzen. Ich bin selbst hellauf begeistert von dem Duo und wie sich beide mit Ideen einbringen und wieviel Zeit sie auch in die Vorbereitung investieren. Das habe ich wirklich noch nie erlebt und das macht einfach Spaß. Wir werden direkt aus dem Stadion senden und in der Berichterstattung sehr taktisch und vielleicht sogar ein bisschen nerdy sein. Der Fußballfan darf sich darauf freuen. Natürlich spielt die Aktualität eine wichtige Rolle, aber Matthias soll sich bei uns frei austoben dürfen. Dazu gehört, dass er vermittelt, was im Kopf eines Trainers vorgeht oder wie eine Ansprache in der Kabine aussieht.
Eine Stunde kann lang sein...
Das ist uns bewusst, daher werden wir die Sendung selbstverständlich auflockern, etwa durch exklusive Hintergrundgespräche unserer Neuverpflichtung Christian Ortlepp – entweder zu aktuellen Themen oder mit Bezug auf unser Freitagsspiel.
Dann dürfte zu Beginn der Saison relativ häufig der HSV zu Wort kommen. Den übertragen Sie nämlich in den ersten fünf Wochen gleich drei Mal.
Ich habe in der Tat gestutzt, als ich die Spielansetzungen gesehen habe. Im Prinzip freut es mich aber, weil jedes Spiel für sich genommen ein Kracher ist - gegen Köln, gegen Leipzig und gegen Hannover sogar ein Derby. Dreimal in Folge denselben Verein freitags zu haben, ist aber selten.
Besitzen Sie ein Mitspracherecht bei der Auswahl der Spiele oder müssen Sie letztlich nehmen, was kommt?
Natürlich haben wir unsere Wünsche vorgetragen, aber letztlich besteht eigentlich kein Einfluss auf die Spielpaarungen. Meist hängen die Ansetzungen auch von den Sicherheitsbestimmungen und anderen Veranstaltungen ab - im Falle des HSV war es jetzt unter anderem ein Konzert der Rolling Stones, auf das Rücksicht genommen werden musste. Zudem ist es wichtig, dass die Behörden wie die Polizei die nötigen Sicherheitsstandards gewährleisten können. So bestreiten Schalke und Dortmund idealerweise nie gleichzeitig an einem Wochenende ein Heimspiel. Ein Freitagabend-Spiel kann außerdem nie Bayern gegen Hamburg sein. Die DFL verfolgt hier im Gegensatz zu anderen Ligen einen sehr fan-freundlichen Ansatz und will lange Anfahrtswege an Arbeitstagen vermeiden. Bei so vielen Parametern hat das Fernsehen weniger Mitspracherecht als man glauben mag. Es sei denn, man ist Sky und bezahlt den Löwenanteil der Show. Wenn Burkhard Weber bei Christian Seifert anruft, dann ist das etwas anderes als wenn ich anrufe. Das ist mir schon klar und auch normal. (lacht)
Punkt für Ehrlichkeit. Und positiv könnten Sie ja sehen, dass zumindest die HSV-Fans in den ersten Wochen kaum an Eurosport vorbeikommen.
(lacht) Tatsächlich werde ich einen größeren Teil meines Marketing-Budgets jetzt in den Norden investieren. So gesehen ist die Ansetzung vielleicht gar nicht so schlecht.
Helfen soll Ihrem Bezahlangebot auch das Free-TV. Wie genau wollen Sie Eurosport 1 in die Bundesliga-Berichterstattung integrieren?
Für den Sendeplatz um 19:00 Uhr haben wir das Format "#TGIM - Sofa United" entwickelt. Wir besuchen Fans in ihrem Wohnzimmer und begleiten sie dabei, wie sie Fußball erleben. Das wird laut, unverblümt und vielleicht auch ein bisschen voyeuristisch. Dadurch möchten wir die Emotionen, die die Bundesliga auslöst, auf neue Weise einfangen. Parallel zur klassischen Vorberichterstattung aus dem Stadion zeigen wir im Free-TV ab 19:30 Uhr die Live-Sendung "#TGIM - Thank God It's Matchday", in der wir auf die Highlights und Aufreger der letzten Tage zurückblicken und die Zuschauer auf den bevorstehenden Spieltag einstimmen wollen.
Dafür werden Sie im Studio bleiben?
Genau, die Sendung wird im gleichen Set produziert wie unser Talk-Format, das am späten Abend parallel im Free-TV und im Eurosport Player zu sehen sein wird. Von dort streamen wir übrigens bereits ab 18:30 Uhr besagte Web-Show mit unserem Online-Redakteur Tobias Hlusiak und Max Zielke als Anchor, die das Ziel hat, den Fans unterwegs schon einen leichten Happen zu servieren. Dafür bauen wir den Sendungsablauf so, dass der Zuschauer jederzeit in die Sendung einsteigen kann, ohne das Gefühl zu haben, etwas verpasst zu haben.
Sie sprachen gerade den Talk im Anschluss an das Freitagsspiel an. Was bedeutet das für Ihre Sendung "kicker.tv - Der Talk", die ja erst vor einem Jahr gestartet wurde?
Wir werden in Zukunft keinen Talk mehr am Montag im Programm haben. In der letzten Saison war es nicht einfach – auch weil Eurosport keine Rechte besaß. Das ist nun anders, da wir am Freitagabend auch Bundesliga-Bilder zeigen können. Deswegen fokussieren wir all unsere neuen Fußball-Formatausrichtungen auf den Freitagabend. Der neue Sendeplatz am Freitag um 22:45 Uhr bietet uns die Chance, aktueller und relevanter zu werden. Im Zuge der Neuausrichtung wollen wir auch das Studio neugestalten und mit anderen Farben versehen.
Bleibt der "kicker" als Partner denn weiterhin an Bord?
Wir sind im intensiven Austausch mit den Kollegen und wollen die Zusammenarbeit gerne fortsetzen. Mit einem renommierten Haus wie dem kicker zu arbeiten hat uns viel Freude bereitet und unseren Appetit auf Fußball angeregt.
Moderiert wurde die Sendung bisher von Marco Hagemann, der für Sie ja auch die Bundesliga kommentieren soll. Wie passt das nun zusammen?
Marco wird für uns an jedem Freitag im Einsatz sein - entweder als Kommentator oder Moderator. Wenn er kommentiert, dann werden wir ein weiteres Gesicht bei "#TGIM - Der Talk" im Einsatz haben, das wir demnächst präsentieren können. Auch mit Blick auf die Kommentatoren werden neben Marco Hagemann, unserer klaren Nummer eins, und Matthias Stach in nächster Zeit noch ein bis zwei Kollegen hinzukommen, die aber natürlich auf deutlich weniger Einsätze kommen werden.
Im Titel Ihrer Bundesliga-Sendungen danken Sie Gott. Braucht es auch ein wenig Gottvertrauen, damit die Zuschauer zu Ihnen finden?
Wenn man will, dann kann man das so sagen, aber wir sind guter Dinge, dass die Fans auf unser Angebot mit Jan Henkel und Matthias Sammer als starken Experten aufmerksam werden. Mit unserem Claim "Thank God It’s Matchday" wollen wir aber insbesondere die Vorfreude aller Fußballfans auf das bevorstehende Bundesliga-Wochenende und unser Freitagspiel als "Kick off" lenken.
Was sagt eigentlich die DFL dazu, dass es aktuell noch gar keinen Partner gibt, der die Bundesliga-Spiele bei Eurosport im klassischen Fernsehen verbreitet?
Wir haben ein sehr gutes partnerschaftliches Verhältnis zur DFL und stimmen selbstverständlich alle Schritte ab. Und eines ist doch klar und auch in unserem Interesse: Je mehr Menschen Zugang zu unserem Angebot haben, desto besser ist es für alle Beteiligten.
Herr Bauer, vielen Dank für das Gespräch.
Quelle; dwdl