Die Euro 7 definiert die Haltbarkeit von Batterien in Elektroautos: Nach acht Jahren oder 160.000 km muss der Energiegehalt bei mindestens 70 Prozent liegen.
2025 soll der VW ID.2 auf die Straße kommen. Falls die Abgasnorm Euro 7 dann inkraft ist, muss die Batterie eine Mindesthaltbarkeit erfüllen: Nach acht Jahren oder 160.000 Kilometern müssen noch 70 oder mehr Prozent des ursprünglichen Energieinhalts verfügbar sein. Links neben dem ID.2 Designer Andreas Mindt, rechts davon der Technikvorstand von Volkswagen Kai Grünitz.
(Bild: VW)
Die internationalen Gesetzgeber haben erkannt, dass die Abnutzung der Traktionsbatterie im Elektroauto zum Problem werden könnte. Ein Ersatz nach zu kurzer Zeit ruiniert die CO₂-Bilanz, und dem Fahrzeughalter droht der betriebswirtschaftliche Totalschaden. Es wird darum eine vorgeschriebene Mindesthaltbarkeit geben. Und die wird in den verschiedenen Weltmärkten unterschiedlich streng sein.
Wie lange eine Traktionsbatterie hält und leistungsfähig ist, hängt nicht nur von der Zellchemie ab. Lithium-Eisen-Phosphat-Zellen zum Beispiel sind robuster als Zellen, die auf einen Materialmix von Nickel, Mangan und Kobalt setzen. Viel wichtiger ist, wie diese Zellen ins Batteriesystem integriert sind und wie sie gesteuert werden. So führt zum Beispiel eine vom Hersteller per Software definierte Begrenzung des Ladehubs zu einer höheren Lebensdauer. Wenn von einem imaginären Brutto-Energieinhalt von zum Beispiel 70 kWh nur 56 freigegeben werden, beträgt der Netto-Ladehub faktisch zehn bis 90 Prozent.
Hersteller in der Pflicht
Je weiter und je länger der State Of Charge (SOC bzw. Batterieladestand) von 50 Prozent entfernt ist, desto höher der Verschleiß. Hier hat auch der Nutzer durch sein Verhalten einen großen Einfluss. Langsames Laden und eine Begrenzung auf 80 Prozent SOC schonen den Speicher. Trotzdem muss die Autoindustrie ein Elektroauto so bauen, dass es auch unbedarfte oder unwissende Fahrer nutzen können, ohne es aus Versehen zu beschädigen.
Ein weiterer elementarer Aspekt ist ein aktives Temperaturmanagement im Batteriesystem. Die einzelnen Zellen funktionieren und halten am besten, wenn sie ideal temperiert sind. Wo das optimale Fenster ist, hängt wiederum von der Zellchemie ab. Bei LFP-Zellen liegt es meistens über 40 Grad, die aktuell am weitesten verbreiteten NMC-Zellen fühlen sich eher bei 20 bis 25 Grad wohl. Selbst eine Isolierung des Batteriesystems gegen Wärme oder Kälte ist gut für die Dauerhaltbarkeit.
Beides kostet Geld: Wenn ein Hersteller den Ladehub begrenzt, muss er den Brutto-Energieinhalt erhöhen, damit eine zufriedenstellende Reichweite vorhanden ist. Dass aufwendige Mehrfachkühlkreisläufe und Heizelemente nicht günstig sind, kann sich jeder vorstellen. Im Ergebnis ist die Annahme plausibel, dass besonders Elektroautos im preissensiblen Segment unter Druck geraten, während teure E-Fahrzeuge tendenziell länger halten werden.
Euro 7: 70 Prozent nach acht Jahren
Der Entwurf zur Abgasnorm Euro 7 – nicht zu verwechseln mit den Verhandlungen über den CO₂-Flottenmechanismus – sieht eine Mindesthaltbarkeit vor: Nach acht Jahren oder 160.000 Kilometern müssen noch 70 Prozent des ursprünglichen Energieinhalts vorhanden sein. In der Fachsprache ist hier also eine kalendarische Vorgabe in Jahren und eine zyklische in Vorbereitung, die sich in Kilometer übersetzt. Über die Abgasnorm Euro 7 wird derzeit noch verhandelt. Die Europäische Kommission möchte, dass sie ab dem Erstzulassungsdatum 1. Juli 2025 in Kraft tritt. Das ist wegen der bürokratischen Abläufe in Brüssel wahrscheinlich nicht zu halten; vielleicht wird es erst ab Anfang 2027 etwas.
Was bedeutet das in der Praxis?
Renault reklamiert für die beliebten Zoe, dass über 99 Prozent des elektrischen Kleinwagens noch einen Energieinhalt von 70 oder mehr Prozent hätten. Renault räumt in der Mitteilung ein, dass es auch innerhalb der Garantiezeit Ausfälle gibt. Wie viele genau, ist unklar. Ob diese Quote bei einem von Hundert, einem von Tausend oder einem von Zehntausend zukünftigen Elektroautos liegen wird, macht einen großen Unterschied, wenn es um Millionen von kommenden Fahrzeugen geht.
Björn Nyland, ein bekannter Youtuber für Elektroautos, interessierte sich für einen Nissan Leaf von 2013. Der Gebrauchtwagen hat knapp 87.000 Kilometer auf der Uhr und soll für kleine Pendelstrecken eingesetzt werden. Allerdings ist die Traktionsbatterie trotz der geringen Laufleistung degradiert: Nur noch 64,5 Prozent des Energieinhalts können entnommen werden. In absoluten Zahlen sind das 12,8 kWh. Nach den kommenden Maßstäben der EU wäre der Leaf also eigentlich unterhalb der Mindesthaltbarkeit – wenn er nicht mit zehn Jahren schon aus der Frist von acht Jahren heraus wäre.
(Bild: Screenshot Youtube Björn Nyland)
In den USA sind die Vorgaben zur Mindesthaltbarkeit strenger als in der EU. Die kalifornische Luftreinhaltebehörde fordert für die Baujahre 2026-29 mindestens 70 Prozent des Ausgangs-Energieinhalts nach zehn Jahren oder 240.000 Kilometern. Ab 2030 wird das Limit von 70 auf 80 Prozent angehoben. Für preisgünstige Elektroautos wird es schwierig, weil ein aufwendiges Batteriesystem Geld kostet.
(Bild: Christoph M. Schwarzer)
Für den Endverbraucher sind solche gesetzlichen Vorgaben ein Schutz: Die Garantiebedingungen der Autoindustrie sind letztlich ein freiwilliges Entgegenkommen, in das oftmals Fallstricke eingebaut sind. Wenn zum Beispiel häufiges Schnellladen dazu führt, dass die Garantie nicht mehr gilt, ist sie wertlos. Es ist darum gut, wenn der Gesetzgeber Mindestanforderungen sowie klare, nachvollziehbare und rechtsverbindliche Verfahren festlegt. Nur so kann verhindert werden, dass eine geringe Ausfallquote von den Herstellern einkalkuliert und wird und man selbst zufällig der Leidtragende dieses Risikos ist. Vollkommen klar ist aber auch, wer das Ende bezahlen wird.
Quelle; heise
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2025 soll der VW ID.2 auf die Straße kommen. Falls die Abgasnorm Euro 7 dann inkraft ist, muss die Batterie eine Mindesthaltbarkeit erfüllen: Nach acht Jahren oder 160.000 Kilometern müssen noch 70 oder mehr Prozent des ursprünglichen Energieinhalts verfügbar sein. Links neben dem ID.2 Designer Andreas Mindt, rechts davon der Technikvorstand von Volkswagen Kai Grünitz.
(Bild: VW)
Die internationalen Gesetzgeber haben erkannt, dass die Abnutzung der Traktionsbatterie im Elektroauto zum Problem werden könnte. Ein Ersatz nach zu kurzer Zeit ruiniert die CO₂-Bilanz, und dem Fahrzeughalter droht der betriebswirtschaftliche Totalschaden. Es wird darum eine vorgeschriebene Mindesthaltbarkeit geben. Und die wird in den verschiedenen Weltmärkten unterschiedlich streng sein.
Wie lange eine Traktionsbatterie hält und leistungsfähig ist, hängt nicht nur von der Zellchemie ab. Lithium-Eisen-Phosphat-Zellen zum Beispiel sind robuster als Zellen, die auf einen Materialmix von Nickel, Mangan und Kobalt setzen. Viel wichtiger ist, wie diese Zellen ins Batteriesystem integriert sind und wie sie gesteuert werden. So führt zum Beispiel eine vom Hersteller per Software definierte Begrenzung des Ladehubs zu einer höheren Lebensdauer. Wenn von einem imaginären Brutto-Energieinhalt von zum Beispiel 70 kWh nur 56 freigegeben werden, beträgt der Netto-Ladehub faktisch zehn bis 90 Prozent.
Hersteller in der Pflicht
Je weiter und je länger der State Of Charge (SOC bzw. Batterieladestand) von 50 Prozent entfernt ist, desto höher der Verschleiß. Hier hat auch der Nutzer durch sein Verhalten einen großen Einfluss. Langsames Laden und eine Begrenzung auf 80 Prozent SOC schonen den Speicher. Trotzdem muss die Autoindustrie ein Elektroauto so bauen, dass es auch unbedarfte oder unwissende Fahrer nutzen können, ohne es aus Versehen zu beschädigen.
Ein weiterer elementarer Aspekt ist ein aktives Temperaturmanagement im Batteriesystem. Die einzelnen Zellen funktionieren und halten am besten, wenn sie ideal temperiert sind. Wo das optimale Fenster ist, hängt wiederum von der Zellchemie ab. Bei LFP-Zellen liegt es meistens über 40 Grad, die aktuell am weitesten verbreiteten NMC-Zellen fühlen sich eher bei 20 bis 25 Grad wohl. Selbst eine Isolierung des Batteriesystems gegen Wärme oder Kälte ist gut für die Dauerhaltbarkeit.
Beides kostet Geld: Wenn ein Hersteller den Ladehub begrenzt, muss er den Brutto-Energieinhalt erhöhen, damit eine zufriedenstellende Reichweite vorhanden ist. Dass aufwendige Mehrfachkühlkreisläufe und Heizelemente nicht günstig sind, kann sich jeder vorstellen. Im Ergebnis ist die Annahme plausibel, dass besonders Elektroautos im preissensiblen Segment unter Druck geraten, während teure E-Fahrzeuge tendenziell länger halten werden.
Euro 7: 70 Prozent nach acht Jahren
Der Entwurf zur Abgasnorm Euro 7 – nicht zu verwechseln mit den Verhandlungen über den CO₂-Flottenmechanismus – sieht eine Mindesthaltbarkeit vor: Nach acht Jahren oder 160.000 Kilometern müssen noch 70 Prozent des ursprünglichen Energieinhalts vorhanden sein. In der Fachsprache ist hier also eine kalendarische Vorgabe in Jahren und eine zyklische in Vorbereitung, die sich in Kilometer übersetzt. Über die Abgasnorm Euro 7 wird derzeit noch verhandelt. Die Europäische Kommission möchte, dass sie ab dem Erstzulassungsdatum 1. Juli 2025 in Kraft tritt. Das ist wegen der bürokratischen Abläufe in Brüssel wahrscheinlich nicht zu halten; vielleicht wird es erst ab Anfang 2027 etwas.
Was bedeutet das in der Praxis?
Renault reklamiert für die beliebten Zoe, dass über 99 Prozent des elektrischen Kleinwagens noch einen Energieinhalt von 70 oder mehr Prozent hätten. Renault räumt in der Mitteilung ein, dass es auch innerhalb der Garantiezeit Ausfälle gibt. Wie viele genau, ist unklar. Ob diese Quote bei einem von Hundert, einem von Tausend oder einem von Zehntausend zukünftigen Elektroautos liegen wird, macht einen großen Unterschied, wenn es um Millionen von kommenden Fahrzeugen geht.
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Björn Nyland, ein bekannter Youtuber für Elektroautos, interessierte sich für einen Nissan Leaf von 2013. Der Gebrauchtwagen hat knapp 87.000 Kilometer auf der Uhr und soll für kleine Pendelstrecken eingesetzt werden. Allerdings ist die Traktionsbatterie trotz der geringen Laufleistung degradiert: Nur noch 64,5 Prozent des Energieinhalts können entnommen werden. In absoluten Zahlen sind das 12,8 kWh. Nach den kommenden Maßstäben der EU wäre der Leaf also eigentlich unterhalb der Mindesthaltbarkeit – wenn er nicht mit zehn Jahren schon aus der Frist von acht Jahren heraus wäre.
(Bild: Screenshot Youtube Björn Nyland)
Definierte Messgrößen
Wahrscheinlich wird sich die Mindesthaltbarkeit bei Euro 7 auf ein von der UNECE bereits festgelegtes Regelwerk beziehen. Seit April 2022 gibt es die GTR (Global Technical Regulation) 22, in der zwei Messgrößen für den SOH der Traktionsbatterie definiert sind. Das sind der State Of Certified Energy (SOCE) und der State Of Certified Range (SOCR). Der SOCE gibt an, wie viel eines zertifizierten ursprünglichen Energieinhalts noch verfügbar ist, wofür es die Spannbreite mit der Nennzahl 1 für 100 Prozent und Null für defekt gibt. Im SOCR ist es ähnlich, und beide Werte sollen permanent über den Bordcomputer oder eine App angezeigt werden können. Wie üblich bei solchen neuen und noch nicht etablierten Verfahren müssen die Details noch geklärt und eventuelle Lücken geschlossen werden.USA: 80 Prozent nach zehn Jahren
Die USA gehen wie gewohnt strenger vor. Die Behörde zur Luftreinhaltung in Kalifornien, das California Air Resources Board (CARB), fordert für Elektroautos der Baujahre 2026 bis 2029 einen SOH von 70 Prozent nach zehn statt acht Jahren und bis 240.000 statt bis 160.000 Kilometer. Ab 2030 sind es 80 Prozent und 240.000 Kilometer. Die Anforderungen an Batteriesystem und -Management sind für 80 Prozent nach zehn Jahren oder 240.000 Kilometer ungleich höher als für das EU-Ziel von 70 Prozent nach acht Jahren oder 160.000 Kilometern. In Hintergrundgesprächen mit Industrievertretern wird deutlich, dass einige Elektroautos im preissensiblen Segment noch nicht für schärfere Anforderungen ausgelegt sind und dass das Upgrade für die Dauerhaltbarkeit Geld kosten wird.
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In den USA sind die Vorgaben zur Mindesthaltbarkeit strenger als in der EU. Die kalifornische Luftreinhaltebehörde fordert für die Baujahre 2026-29 mindestens 70 Prozent des Ausgangs-Energieinhalts nach zehn Jahren oder 240.000 Kilometern. Ab 2030 wird das Limit von 70 auf 80 Prozent angehoben. Für preisgünstige Elektroautos wird es schwierig, weil ein aufwendiges Batteriesystem Geld kostet.
(Bild: Christoph M. Schwarzer)
Für den Endverbraucher sind solche gesetzlichen Vorgaben ein Schutz: Die Garantiebedingungen der Autoindustrie sind letztlich ein freiwilliges Entgegenkommen, in das oftmals Fallstricke eingebaut sind. Wenn zum Beispiel häufiges Schnellladen dazu führt, dass die Garantie nicht mehr gilt, ist sie wertlos. Es ist darum gut, wenn der Gesetzgeber Mindestanforderungen sowie klare, nachvollziehbare und rechtsverbindliche Verfahren festlegt. Nur so kann verhindert werden, dass eine geringe Ausfallquote von den Herstellern einkalkuliert und wird und man selbst zufällig der Leidtragende dieses Risikos ist. Vollkommen klar ist aber auch, wer das Ende bezahlen wird.
Quelle; heise