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Premiere wird zum Fall für Juristen

06.10.2008 - Financial Times Deutschland

Nachspiel für Abozahlen-Panne
Premiere wird zum Fall für Juristen

von Lutz Knappmann (Hamburg)

Nach einer dramatischen Korrektur seiner Abonnentenzahlen trudelt der Bezahlsender Premiere immer weiter in die Krise. Neben tiefroten Zahlen und einem Absturz des Börsenwerts um mehr als die Hälfte kämpft der Münchner Pay-TV-Anbieter nun auch mit möglichen juristischen Konsequenzen.

"Entscheidend ist, ab wann Premiere von den jetzt publizierten Zahlen wusste und damit an die Öffentlichkeit hätte gehen müssen", sagte der auf Anlegerfragen spezialisierte Tübinger Rechtsanwalt Andreas Tilp am Sonntag. Er sieht für zahlreiche Premiere-Aktionäre juristische Handhabe gegen den Sender, weil ihnen kursrelevante Informationen vorenthalten worden seien.

Am Donnerstagabend hatte Premiere nach einer Aufsichtsratssitzung eingestanden, dass die Abonnentenzahl seit Jahren viel niedriger ist als angegeben. Die Premiere-Aktie stürzte daraufhin um mehr als 50 Prozent auf 4,60 Euro ab.

Premieres Geschäftsmodell steht infrage

Der von Großaktionär Rupert Murdoch installierte Vorstandschef Mark Williams hatte direkt nach Amtsantritt im September eine Neuberechnung des Abobestands angeordnet. Dabei setzte der News-Corp.-Manager Maßstäbe an, wie sie bei Murdochs Pay-TV-Sendern BSkyB und Sky Italia gelten. Das Ergebnis fiel für Premiere verheerend aus: Statt knapp 4,2 Millionen Abonnenten hat der Sender demnach 3,6 Millionen Kunden. Nur knapp 2,3 Millionen davon sind direkte Premiere-Kunden mit Laufzeitverträgen. 118.000 nutzen das Prepaidangebot Premiere Flex, die übrigen erreicht der Sender über verschiedene Partner.

Die Neuberechnung belegt, dass die Zahl der Direktkunden seit 2005, als Ex-Vorstandschef Georg Kofler Premiere an die Börse brachte, keineswegs stabil geblieben, sondern stetig gesunken ist. Damit steht Premieres Geschäftsmodell infrage - und besonders Kofler gerät stark unter Beschuss. Er war im August 2007 als Vorstandschef bei Premiere zurückgetreten. Zuvor hatte er Unternehmensanteile im Wert von rund 200 Mio. Euro verkauft.

Premiere Abonnenten

Von den Wachstumsprognosen der Vergangenheit ist Premiere weiter entfernt denn je: Koflers Nachfolger Michael Börnicke hatte bis zu seinem Rücktritt im September betont, bis 2012 den Abobestand auf zehn Millionen steigern zu wollen.

Der nun amtierende Premiere-Chef Williams rechnet für das laufende Jahr mit einem operativen Verlust von 40 bis 70 Mio. Euro. Finanzvorstand Axel Teschner setzte er am Donnerstag mit sofortiger Wirkung an die Luft - und übernimmt dessen Aufgaben selbst.

Williams Kontrolleure haben insgesamt 940.000 Abonnenten aus Premieres Büchern gestrichen, weil diese dem Sender keinen einzigen Cent bezahlen. "Über 600.000 Verträge, die von den Kunden gar nicht aktiviert worden sind, sind einfach keine Abos", sagte Anwalt Tilp am Sonntag. "Ebenso wenig 300.000, die bereits gekündigt waren."

Laut einem Bericht des "Focus" soll Premiere unter anderem mehr als 16.000 bestehenden Kunden gratis eine Empfangskarte für das Kinderzimmer zugeschickt haben - und diese als vollwertiges Abonnement gezählt haben. Das gehe aus einem Vertriebsbericht hervor - was Premiere auf Nachfrage weder bestätigte noch dementierte.

Großaktionär Murdoch dürfte sich fragen, ob er bei seinem Einstieg im Januar mit 17,50 Euro je Aktie nicht zu viel bezahlt hat. Ob er gegen das Altmanagement des Senders juristisch vorgehen will, ist offen. Aus seinem Umfeld verlautete, der Investor wolle sich auf die Sanierung des Senders konzentrieren.

Branchengerüchte, Murdoch wolle den Sender von der Börse nehmen, klingen dagegen wenig plausibel. Denn für die übrigen knapp 75 Prozent der Aktien müsste er den Durchschnittskurs der vergangenen drei Monate bezahlen - und dieser liegt nach dem jüngsten Absturz deutlich über dem aktuellen Börsenkurs.


Bewegte Zeiten bei Premiere

März 2005 Premiere geht an die Börse. Der Emissionspreis beträgt 28 Euro, die Aktie steigt am ersten Handelstag um 14 Prozent.

Dezember 2005 Bei der Ausschreibung der Übertragungsrechte für die Fußball-Bundesliga unterliegt Premiere dem bis dahin unbekannten Konkurrenten Arena. Senderchef Georg Kofler hatte mit seiner Forderung nach exklusiveren Pay-TV-Rechten zu hoch gepokert. Mehrere Versuche scheitern, über Kooperationen ein Fußballangebot aufzubauen.

Juli 2007 Nachdem Rivale Arena mit dem Aufbau seines Fußballprogramms gescheitert ist, übernimmt Premiere dessen Bundesligarechte in einer Sublizenz - und verbucht seither gut 600.000 Kunden aus dem Arena-Bestand.

August 2007 Vorstandschef Kofler tritt vorzeitig zurück. Zuvor hatte er Aktienpakete im Gesamtwert von gut 200 Mio. Euro verkauft. Sein Nachfolger wird der damalige Finanzchef Michael Börnicke.

Januar 2008 Rupert Murdoch übernimmt knapp 15 Prozent der Premiere-Aktien - und baut den Anteil in den folgenden Monaten auf 25,1 Prozent aus.

Juni 2008 Murdoch schickt mit Mark Williams und Sky-Italia-Chef Tom Mockridge zwei Vertraute in den Premiere-Aufsichtsrat.

September 2008 Murdoch ersetzt Vorstandschef Börnicke durch seinen Vertrauten Williams, der sofort Premieres Geschäftszahlen überprüfen lässt.

Oktober 2008 Premiere muss eingestehen, dass der Abobestand um rund eine Million Kunden niedriger ist als bislang ausgewiesen. Der Aktienkurs kollabiert.
 
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