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Handy - Navigation LTE nur Übergangslösung?

Während die Mobilfunker in Österreich noch auf die Versteigerung des Frequenzbereiches 790-862 MHz warten, warnen Vertreter der Funkbranche bereits vor den Implikationen. Durch die Nutzung der Frequenzen für LTE sind massive Störungen für andere Funktechnologien zu erwarten, glaubt Funkexperte Matthias Fehr im Gespräch mit der futurezone. Neben Funkmikrofonen könnten auch TV-Geräte und Funkkopfhörer beeinträchtigt werden.

futurezone: Ob die Nutzung des 800 MHz Frequenzbandes durch LTE zu Interferenzen mit anderen Funkdiensten führt, ist umstritten. Die Mobilfunkbranche widerspricht dem heftig.
Fehr: Dass sich Mobilfunk und drahtlose Audiotechnologien im selben Frequenzspektrum nicht gegenseitig stören, ist eine Verdrehung der technischen Tatsachen. Wenn der Gesetzgeber keine Einschränkungen vornimmt, werden die besagten Frequenzen im Ballungsraum für andere Funktechnologien wie Funkmikrofone wohl bald nicht mehr benutzbar sein. Auch TV-Geräte, Funkkopfhörer und Museumsinstallationen sind betroffen.



Matthias Fehr ist der Vorsitzende der Association of Professional Wireless Production Technologies (APWPT), welcher als Berufsverband für drahtlose Informationstechnologie die Interessen von Branchenmitgliedern vertritt.
Das Frequenzband war ja vorher auch schon für analoge Fernsehsignale in Betrieb. Warum sollte es mit der Nutzung durch LTE jetzt zu Störungen kommen?
Mobilfunk erzeugt im Gegensatz zum Rundfunk kein konstantes Signal, da dass Spektrum bedarfsorientiert und *mit sich ständig ändernder Sendeleistung ausgereizt wird. Auf dieses Störungsszenario sind wiederum Drahtlos-Mikrofone, aber auch aktuelle TV-Geräte nicht ausgelegt. Das ist, wie wenn Sie bei einem ständig flackernden Licht schlafen gehen wollen. Da helfen dann selbst die bisher geeigneten Vorhänge nicht mehr.

Wie äußert sich das bei Funkmikrofonen?
Eine Störung äußert sich durch starke Geräusche oder Unterbrechungen, die über die Lautsprecher übertragen werden und im schlimmsten Fall dazu führen, dass während einer Vorstellung die Endstufe voll angesteuert wird. Wenn das passiert, springen die Leute von ihren Sitzen auf. Eine professionelle Veranstaltung will man auf diese Weise sicher nicht durchführen.



Gleichzeitig wurden in Deutschland, wo LTE im 800-MHz-Spektrum teilweise ausgerollt wurde, erst sechs Störfälle bekannt. Da könnte Ihnen die Mobilfunkbranche wohl Panikmache vorwerfen.
Man darf nicht vergessen, dass LTE bisher nur in weniger dicht besiedelten Gebieten mit einer begrenzten Zahl an Routern zum Einsatz kam. Dazu kommt, dass erst für Jahresende eine relevante Zahl an LTE-fähigen Endgeräten auf den Markt kommen wird. Unsere Kritik gilt diesbezüglich aber nicht den Mobilfunkern, sondern der Politik, die bei der Vergabe in Deutschland die Konsequenzen und die damit anfallenden Umrüstungszeit und -kosten unterschätzt hat.

Inwiefern sind Kabelbetreiber und TV-Geräte betroffen, die bisher auch im selben Spektrum operierten?
Weltweit sind alle Fernseher für den Empfang von mindestens bis zu 862 Megahertz ausgelegt, die Fernsehgeräte enthalten also keine Filter für 800 MHz-LTE. Wenn daher vor dem TV-Gerät über LTE telefoniert wird oder Daten abgerufen werden, kann das TV-Bild gestört werden bzw. ganz ausfallen. Experimente zeigen, dass erst ab vier bis fünf Metern Abstand zwischen Fernseher bzw. Kabelanschluss und Handy keine Störungen mehr auftreten. Natürlich kann man im Einzelfall nachrüsten. Notwendige Filter sind derzeit aber noch zu groß und teuer oder stören wegen zu hoher Dämpfung andere TV-Kanäle. Zudem stellt sich auch hier die Frage: Wer bezahlt die Kosten für diese Filter und die Umrüstung?

Alles in allem stehen Sie LTE im 800-MHz-Spektrum also sehr ablehnend gegenüber. Wie soll man die riesige Nachfrage nach mobilen Datenverbindungen dann bedienen?
800 MHz-LTE wird den Datenverkehr der Zukunft sicher nicht abfangen können, das ist eine Übergangslösung. Zur Übertragung hoher Datenmengen sind Frequenzen von z. B. 2,5 und 2,6 Gigahertz viel besser geeignet, da die Funkzellen kleiner sind und voneinander besser entkoppelt werden können. In Zukunft wird zudem nichts am Glasfaserausbau vorbeiführen. Das 800 MHz-Frequenzspektrum für LTE zu verwenden, um Anschlussgebühren zu sparen, ist angesichts der begleitenden Probleme kaum zielführend. Hier kann man bestenfalls kurzfristige Vorteile generieren.

Wäre in Ballungsräumen ein öffentliches WLAN-Netz die bessere Option?
Absolut. Öffentliches WLAN auf den Frequenzen 2,4 Gigahertz oder höher ist genau die Technologie, die zum Anbinden hoher Datenmengen auf kurze Distanz geeignet ist. Dadurch können Mobilfunkzellen wirksam entlastet werden. LTE auf 800-Megahertz-Basis hingegen ist ein Marketingkonzept, das vielleicht wenige Jahre funktioniert, aber das war es dann.

Wenn Funktechnologien überholt sind und schließlich abgeschaltet werden, wie beim analogen Fernsehen, werden ja wieder Frequenzen frei. Ist das folglich nicht ein Prozess, der gewisse Problematiken ausgleichen kann?
Im Gegenteil. Dass Frequenzen tatsächlich frei werden, hat es in den vergangenen 30 Jahren eher selten gegeben, vielmehr ist ein ständig steigender Bedarf zu beobachten. Tatsache ist: Es gibt immer neue Technologien, die drahtlos operieren und sich das vorhandene Spektrum teilen müssen. Der Mensch wird begreifen müssen, dass die Frequenzen ein kostbares und endliches Gut sind, mit dem man verantwortungsvoll umgehen muss. Eine Parallele zu Trinkwasser drängt sich förmlich auf.

Wie kann das Problem gelöst werden?
Es sollte weder darum gehen, einem leistungsfähigen Dienst wie dem Mobilfunk ein bestimmtes Frequenzband exklusiv zuzuschreiben, noch 100 Prozent der Zeit für Funkmikrofone oder –Kameras freizuhalten. Es müsste hier ein besseres Management zwischen den Diensten und Geräten stattfinden. Vorstellbar wäre etwa, dass für die Dauer einer Veranstaltung wie einem Popkonzert die Nutzung von LTE auf ein höherfrequentes Spektrum umkoordiniert und eine Fehlverwendung blockiert wird – wie es etwa im Flugzeug bei Start und Landung mit On-Board-Mobilfunk schon geschieht. Dazu fehlen derzeit allerdings geeignete Methoden und Signalisierungsverfahren, die in ihrer Entwicklung natürlich Geld kosten.

Die Mobilfunker werden wohl argumentieren, dass sie das volle Funkspektrum angesichts der großen Nachfrage permanent brauchen werden.
Einen Wasserhahn dreht man ja auch zu, wenn man gerade kein Wasser braucht. Schon jetzt ist es so, dass Smartphones und die darauf befindlichen Apps ständig Daten über Mobilfunk übertragen, selbst wenn der Anwender diese Dienste gar nicht verwendet. Wenn der Datendienst einfach abgeschaltet würde, wenn man ihn nicht braucht, kann man das eigene mobile Datenaufkommen um bis zu 90 Prozent zurückschrauben. Da moderne Smartphones keine „Spartaste“ aufweisen und derartige Funktionalität tief in Untermenüs verstecken, verschwenden wir Funkspektrum, das wir nicht belegen müssten und von dem vermutlich nicht einmal die Mobilfunker etwas haben.

Angesichts der anstehenden Frequenzvergabe im Bereich 790-863 MHz in Österreich: Was kann die Politik hierzulande besser machen als etwa in Deutschland?
Schweden und England sind gute Beispiele, wie man mit der Problematik umgehen kann. Schweden etwa hat die LTE-Vergabe im 800-Megahertz-Spektrum an die Bedingung geknüpft, dass jeder Lizenzinhaber sich um auftretende Störungen kümmern und diese beseitigen muss. England wiederum hat frühzeitig, also lange vor der Versteigerung, die notwendigen Verfahren entwickelt und eingeführt. Für Österreich wäre es daher ebenfalls wünschenswert, wenn die bekannten Probleme von vorneherein vermieden werden. Für die Kreativwirtschaft und die Rundfunkteilnehmer sollten geeignete Rahmenbedingungen geschaffen werden, bevor die von der Politik beschlossene Frequenzumstellung umgesetzt wird.

Quelle: Futurezone
 
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