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Hartz IV: Hausverbot im Jobcenter

TV Pirat

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16.09.2012

Jobcenter erteilte Hausverbot weil Informationsblätter für Hartz IV-Bezieher verteilt wurden

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In der kommenden Woche findet vor dem Kölner Verwaltungsgericht ein Prozess statt. In dem verhandelten Fall hatte ein Mitglied der Erwerbslosen-Gruppe „KEA“ selbst Klage eingereicht, weil das Jobcenter Köln-Kalk dem Hartz IV Betroffenen ein Hausverbot aufgrund des Verteilens von Informationsblättern ausgesprochen hatte.

Gericht soll nachträglich Rechtmäßigkeit prüfen

Das Hausverbot, dessen Rechtmäßigkeit das Verwaltungsgericht nachträglich prüfen soll, war Auslöser einer langen Auseinandersetzung der KEAs mit dem Jobcenter Köln-Kalk. Beinahe monatlich kam es zu unangemeldeten Besuchen, bis das Jobcenter endlich ein Einsehen hatte, dass permanente Polizeieinsätze und Hausverbote unverhältnismäßige Mittel sind, auf das Verteilen des Überlebenshandbuchs der KEAs zu reagieren. Seit geraumer Zeit wird dies auf Weisung des Hauses geduldet. „Möglicherweise liegt es ja auch am Wechsel des Standortleiters“, so die Gruppe in einer Erklärung.

„Auch die Verfahrenseinstellung beim Prozess am vergangenen Montag vor dem Amtsgericht könnte als ein Indiz gelesen werden, dass ernsthafte Gründe für eine Bestrafung, gleich welcher Art, nur schwerlich zu finden sind. Auch hier ging es um eine Aktion im Jobcenter Köln-Kalk.“

Überlebenshandbuch für Hartz IV Betroffene verteilt

Doch was war vorgefallen? Im September letzten Jahres begleiteten zwei Mitglieder der Erwerbslose-Gruppe sich gegenseitig als Beistand zu einem Termin. Während der üblichen Wartezeit wagte es einer der beiden, Druckexemplare des Überlebenshandbuchs, mit wichtigen Tipps für Erwerbslose, an andere Wartende weiterzugeben. Daraufhin erhielten sie Hausverbot. Um sich – ganz im Sinne des Dienstweges – darüber zu beschweren, gingen beide zum Standortleiter und wurden höflich gebeten zu warten. „Der (damalige) Standortleiter rief derweil die Polizei und gelangte über deren Mitwirkung an die Adressen der Betroffenen. Genau genommen wurden sie durch die Bitte, zu warten, an der Vollziehung des Hausverbots - das sie friedlich und ohne Störung des betrieblichen Ablaufs vor Ort hinterfragen wollten – gehindert.“ so die Argumentation der Kläger. Eine solche Täuschung sei nach ihrer Ansicht „einfach nur perfide.“

Die KEA´s rufen dazu auf, die Verhandlung „solidarisch zu begleiteten“. Der Gerichtstermin ist am 20. September 2012 um 9.30 Uhr im Kölner Verwaltungsgericht Sitzungssaal 55, Erdgeschoss. Treffpunkt für Prozessbeobachter und Unterstützer ist um 9.00 Uhr vor dem Eingang „An der Burgmauer“.

Hausverbot im Jobcenter nur als als „ultima ratio"

Der Sozialwissenschaftler und Erwerbslosen-Berater der Caritas, Dr. Manfred Hammel, legte unlängst dar, wann ein Hausverbot seitens des Jobcenters gerechtfertigt sein könnte. Demnach dürfe ein solches Hausverbot nur als „ultima ratio" ausgesprochen werden, wenn anderenfalls die unbeeinträchtigte Aufgabenerfüllung nicht gewährleistet sei.“ Jedoch müssen sich Leistungsträger im Besonderen bemühen, sich anzeigende oder bestehende Konflikte zu lösen, wie das Landessozialgericht Sachsen (L 7 AS 593/10.B.ER) urteilte. Die Dauer des Hausverbots muss dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie die besondere Lage der auf Hilfeleistungen angewiesenen Betroffenen berücksichtigen. Demnach ist ein zeitlich unbefristetes Hausverbot unverhältnismäßig.

Quelle: gegen-hartz
 
Hartz IV: Jobcenter-Hausverbot war rechtswidrig

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Urteil: Hausverbot im Jobcenter Köln-Kalk rechtswidrig

Die Klägerin, ein Mitglied der Kölner Erwerbslosen-Gruppe "KEAs," wollte es genau wissen und siegte am 20. September 2012 vor dem Verwaltungsgericht in Köln (Vorgeschichte hier). Die Prozessbevollmächtige des Jobcenters Köln erkannte die Rechtswidrigkeit eines ausgesprochenen Hausverbots an. Der Prozess wurde daraufhin eingestellt, die Kosten gehen zu Lasten der Beklagten.

"Das Hausverbot können Sie sich sonstwohin schieben"

Der Zeuge der Klägerin räumte freimütig ein, es am 15. September 2011 gesagt zu haben. "Ich komme aus dem Norden, da drückt man sich etwas feiner aus." Die Richterin wiederholte es für das Protokoll. Der Zeuge des Jobcenters - ein Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes - zitierte es während seiner Aussage ebenfalls, die Richterin wiederholte und dann nochmal und nochmal, um klar festzuhalten, dass es die Klägerin nicht sagte. Insgesamt also sechs Mal wurde heute während des Prozesses gesagt: "Das Hausverbot können Sie sich sonstwohin schieben." Damit hat es das Zitat allemal verdient, zum Synonym des Ausgangs der Gerichtsverhandlung zu werden.

Zu Lasten des Jobcenters: Zu Lasten des Steuerzahlers

Die Klägerin hatte wegen des Verteilens des Überlebenshandbuchs der KEAs in der Wartezone des Jobcenters Köln-Kalk zunächst ein Hausverbot für 12 Monate in insgesamt 10 Jobcenter-Standorten der Stadt Köln erhalten. Inklusive den manchmal darin vorhandenen kommunalen Einrichtungen wie Stadtbibliothek oder Meldestelle.

Die schriftliche Begründung des Hausverbots war haarsträubend aufgebauscht und - wie heute im Prozess ersichtlich wurde - fern ab vom realen Geschehen am besagten Tag. Was wirklich geschehen war, kann man detailiert auf der gut sortierten Website der KEAs reflektieren. Und man hätte die Aussichtslosigkeit eines Rechtsstreits erkennen können. Angesichts der Tatsache, dass sich dieser Erfolg einreiht in eine nahezu langjährige Tradition, wo das Gericht bei Auseinandersetzungen mit dem Jobcenter stets mehr oder weniger zu Gunsten der KEAs entscheidet oder aber das Jobcenter im letzten Moment zurückzieht, ist es schon erstaunlich, mit welcher Gelassenheit und Gleichgültigkeit - auch angesichts der hierfür aufzuwendenden Steuergelder - das Jobcenter immer wieder in die Falle tappt.

KEA-Leser wissen mehr

Auch heute erschien die Prozessbevollmächtigte des Jobcenters dem Grunde nach ahnungslos. Die Richterin immerhin hatte sich bei den KEAs belesen und konfrontierte das Jobcenter mit aktuellen Entwicklungen, zu denen es nur schweigen konnte. Dabei ging es um den Umstand, dass das Verteilen von Info-Material im Jobcenter Köln-Kalk inzwischen geduldet wird. Der Sicherheitsdienst bestätigte dies heute während seiner Aussage wiederholt. Einer der Prozessbeobachter wies am Rande darauf hin, dass Info-Material auch früher in den Jobcentern geduldet wurde und einige Aktionsberichte der KEAs belegen dies.

Vom 15. September 2011 bis genau genommen Anfang Februar 2012 erlebte das Jobcenter Köln-Kalk eine Phase der Eskalation. Derart rechtswidrige Hausverbote und wiederholt durch das Jobcenter alarmierte Polizei wurden als Provokation gegen Erwerbslose empfunden, die sich solidarisch gegen Hartz IV und ungerechte Behandlung zur Wehr setzen wollen. Die Provokation wurde als solche angenommen und in jedem dieser Prozesse steht Hartz IV ebenso mit vor Gericht. Die KEAs bedanken sich herzlich bei Rechtsanwalt Eberhard Reinecke für sein Engagement. Und weil's so schön war, noch einmal:
"Das Hausverbot können Sie sich sonstwohin schieben." (keas)

Hartz IV: Strafantrag gegen Jobcenter

Quelle: gegen-hartz
 
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